Regale in einem Supermarkt
interview

Produkterpresser "Viele halten sich für schlauer"

Stand: 29.09.2017 17:37 Uhr

Welche Motive haben Produkterpresser? Wieviele Fälle gibt es pro Jahr? Erfahren wir von allen? Diesen Fragen ist Rechtsanwalt Alexander Moseschus in seiner Doktorarbeit nachgegangen. Dem Erpresser vom Bodensee macht er wenig Hoffnung.

NDR Info: Gab es schon mal einen Fall, in dem eine solche Produkterpressung erfolgreich war?

Alexander Moseschus: Klassische Erpressungen, wo der Täter Geld bekommen hat, sind mir keine bekannt. Produktsabotage, wo es zu Vergiftung von Lebensmitteln kam und der Täter auch irgendwas am Ende bekommen hat, da kenne ich keine Fälle.

Alexander Moseschus
Zur Person

Alexander Moseschus hat 2005 seine Doktorarbeit zum Thema Produkterpressung geschrieben. Der Jurist lebt und arbeitet in Berlin.

NDR Info: Und warum probieren es manche Menschen trotzdem immer wieder?

Moseschus: Das ist eine spannende Frage und das war der Hauptgegenstand meiner Arbeit, die ich 2005 über das Thema geschrieben habe. Viele denken, sie sind cleverer als die Ermittlungsbehörden. Aber spätestens wenn es zur Geldübergabe kommt, werden eigentlich alle Täter geschnappt - wenn sie nicht vorher schon aufgeben.

"Erpresser sind grundsätzlich treu"

NDR Info: Sind Sie denn sicher, dass wir von jedem Fall erfahren - dass die Handelskonzerne das auch öffentlich machen?

Moseschus: Früher gab es immer wieder Mutmaßungen, dass es sogenannte stille Arrangements mit den Tätern gab. Ich glaube aber nicht, dass heute noch Unternehmen so dumm sind, sich auf so etwas einzulassen. Erpresser sind grundsätzlich treu. Das kenne ich auch von anderen Delikten aus dem Bereich - wenn irgendwelche intimen Fotos kursieren. Wer einmal zahlt, zahlt immer wieder. Ich kann mir nicht vorstellen, dass gerade in Fällen mit so großer Öffentlichkeit und Bedrohung für die Verbraucher - dass man sich da auf einen schmutzigen Kuhhandel einlässt.

NDR Info:Wie viele Versuche gab es denn bisher?

Moseschus: Das kann man schwer sagen. Ich hatte 100 Fälle bis 2005 näher ausgearbeitet. Damals gab es eine spezielle Erfassung bei den jeweiligen Landeskriminalämtern als "herausragender Erpressungskriminalität", aber man hat Produkterpressungsfälle nie einzeln klassifiziert. Ich kam damals so auf mehrere Dutzend Fälle pro Jahr. Ich würde aber sagen, jetzt sind es weniger. Aber aktuelle Zahlen habe ich nicht mehr.

"Von der Bedrohungslage her eigentlich positiv"

NDR Info: Was ist das Motiv der Täter? Wollen die wirklich den Verbrauchern schaden und in diesem Fall jetzt Babys vergiften?

Moseschus: Nein, in dem Fall haben sie in Anführungszeichen sogar Glück, auch wenn es sich zynisch anhört: Der Täter will Geld. Da geht es um angebliche Millionenbeträge. Insofern ist die Situation von der Bedrohungslage her eigentlich positiv. Der Täter will keine Toten, sondern nur Geld.

NDR Info: Und wie sollen die Unternehmen, die Supermärkte und die Behörden mit so einem Erpresser umgehen?

Moseschus: Im aktuellen Fall sind die Unternehmen an die Öffentlichkeit gegangen - man hat also offenbar die Gefährdungssituation hoch eingestuft. Es gab in der Vergangenheit - Ende der 1990er- Jahre - Fälle mit hohen Millionenschäden. Damals hatten Verbraucher ganze Produktketten gemieden. Das ist natürlich immer negativ, aber es zeugt von einem durchaus höheren Verantwortungsbewusstsein.

"Abwarten, ob es eine Gummimaske war"

NDR Info: Sie gehen in diesem Fall also davon aus, dass der Täter recht bald gefasst wird?

Moseschus: Das kann man nur hoffen. Es gab ja nun dieses lustige Fahndungsfoto. Da muss man abwarten, ob er das ist, oder ob er eine Gummimaske trug. Aber es werden ja nun hoffentlich viele Hinweise eingehen.

Das Interview führte Regina Methler für NDR Info

Regina Methler, NDR, 29.09.2017 15:01 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 29. September 2017 um 17:00 Uhr.