Völkermord an den Jesiden BGH bestätigt Urteil gegen IS-Kämpfer
Der Bundesgerichtshof hat die lebenslange Haftstrafe eines IS-Kämpfers wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch schwere Misshandlung zweier Jesidinnen weitgehend bestätigt - und damit ein "internationales Novum".
Verurteilungen wegen Völkermordes sind selten vor deutschen Gerichten. Doch in den vergangenen Monaten hatte die zuständige Bundesanwaltschaft gleich drei Verfahren laufen. Zwei davon sind rechtskräftig abgeschlossen. Eines davon hat der Bundesgerichtshof nun in der Revision bestätigt.
Jesidinnen als Sklaven gehalten
Es geht dabei um Strafverfahren gegen Männer und Frauen, die sich der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) angeschlossen hatten. Sie waren zwischen 2019 und 2022 nach Deutschland geholt und bei der Einreise festgenommen worden - zwei deutsche IS-Rückkehrerinnen und der irakische ehemalige Mann einer weiteren deutschen IS-Frau, Jennifer W., die sich bereits vor dem Oberlandesgericht München strafrechtlich verantworten musste.
Den Dreien warf beziehungsweise wirft die Bundesanwaltschaft vor, Jesidinnen in ihrem Haushalt als Sklavinnen gehalten zu haben oder dabei geholfen zu haben. Dabei ging es um Jesidinnen, die bei dem Angriff des IS auf die irakische Sindschar-Region im August 2014 gefangenen genommen worden waren. Zehntausende Menschen wurden damals von der Terrormiliz getötet, verschleppt und versklavt.
Erste Verurteilung wegen Völkermordes an den Jesiden
In dem Fall, der nun vom Bundesgerichtshof entschieden worden ist, ging es um den Mann von Jennifer W. Ihn hatte das Oberlandesgericht Frankfurt Ende November des vergangenen Jahres unter anderem wegen Völkermordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Der Generalbundesanwalt Peter Frank nannte diese Entscheidung im Sommer des vergangenen Jahres "ein internationales Novum":
Soweit ich weiß, ist zum ersten Mal ein Gericht zu dem Schluss gekommen, dass der IS einen Völkermord an den Jesiden begangen hat.
Völkermord wird nach dem Völkerstrafgesetzbuch mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet. Es geht dabei um den Vorwurf, absichtlich etwa eine religiöse Gruppe zu zerstören, indem einem Mitglied dieser Gruppe "schwere körperliche oder seelische Schäden" zugefügt werden.
Auch kleines Mädchen versklavt
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts war der Mann seit 2015 für den IS tätig und hieß deren Vorgehen gegen die Jesiden gut. Er kaufte eine Jesidin sowie deren kleine Tochter und hielt sie als Sklavinnen, so die Urteilsgründe.
Die Liste der einzelnen Vorwürfe ist lang: Er zwang sie zu Tätigkeiten im Haushalt, "bestimmte vollständig" über ihr Leben, untersagte ihnen, das Anwesen zu verlassen, ließ sie hungern, zwang sie zu islamischen Gebeten und misshandelte sie täglich, um sie gefügig zu halten. Er verursachte bei der Jesidin und ihrer Tochter gravierende körperliche und seelische Beeinträchtigungen. Um die fünfjährige Tochter zu bestrafen, fesselte er sie bei glühender Hitze an ein Fenstergitter im Hof. Dort starb das Kind an einem Hitzschlag.
Handeln im Sinne der IS-Ideologie
All dies tat er, um im Sinne der IS-Ideologie zielgerichtet einen Beitrag dazu zu leisten, die religiöse Gruppe der Jesiden als solche zu vernichten. Der Bundesgerichtshof hatte an diesen Feststellungen und der Wertung des Oberlandesgerichts nichts Wesentliches auszusetzen. Der Völkermord an den Jesidinnen und Jesiden ist damit in einem ersten Fall durch das höchste deutsche Strafgericht bestätigt worden.
Frauen wird Beihilfe zum Völkermord vorgeworfen
Den beiden Frauen wurde und wird Beihilfe zum Völkermord vorgeworfen. Die erste wurde im vergangenen Sommer vom Oberlandesgericht Hamburg rechtskräftig verurteilt - die Revision wurde zurückgenommen. Der Prozess gegen die zweite Frau begann vergangene Woche vor dem Oberlandesgericht Koblenz.
Es geht dadurch in den Prozessen auch um das kollektive Schicksal der jesidischen Glaubensgemeinschaft. Die ehemals versklavten Jesidinnen treten nicht nur als Zeuginnen, sondern auch als Nebenklägerinnen auf. In Koblenz soll die Jesidin, die von der Angeklagten und ihrem Mann als Sklavin gehalten worden sein soll, Mitte Februar als Zeugin aussagen.
In früheren Verfahren kein Völkermord-Vorwurf
In früheren Strafverfahren gegen IS-Rückkehrer und -Rückkehrerinnen war es zunächst vor allem um den Vorwurf der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung IS gegangen. Gerade in Verfahren gegen Frauen, die sich beim IS in der Regel vor allem um den Haushalt und die Kindererziehung kümmerten, war die juristische Argumentation nicht ganz einfach. Doch die Bundesanwaltschaft hatte damit schließlich Erfolg.
Die ehemalige Frau des Irakers, um dessen Fall es beim Bundesgerichtshof ging, - die Deutsche Jennifer W. - war im Oktober vom Oberlandesgericht München verurteilt worden. Der Völkermord-Vorwurf spielte in dem Verfahren noch keine Rolle. Aber auch ihr Fall liegt bereits in Karlsruhe. Kommende Woche will der Bundesgerichtshof darüber verhandeln.
(Az. 3 StR 230/22)