Regierungskrise in Thüringen Kemmerich tritt als Ministerpräsident zurück
Am Mittwoch gewählt, am Donnerstag den Rücktritt angekündigt - und diesen nun vollzogen: Thüringens FDP-Ministerpräsident Kemmerich tritt mit sofortiger Wirkung zurück. Die Spitzen der Großen Koalition fordern nun rasche Neuwahlen.
Nach massiver Kritik ist der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Thüringens Regierungschef zurückgetreten. Kemmerich kündigte an, sämtliche aus dem Amt des Ministerpräsidenten entstehenden Bezüge an die Staatskasse zurück zu zahlen.
Starker Druck auch aus der FDP
Der 54-Jährige zieht damit die Konsequenzen aus der politischen Krise nach seiner Wahl mit den Stimmen der AfD. Er war am Mittwoch zum Nachfolger des Linken-Politikers Bodo Ramelow gewählt worden. Im dritten Wahlgang hatte er mit Unterstützung von CDU und AfD 45 Stimmen erhalten, eine Stimme mehr als Ramelow.
Nach massiver Empörung und starkem Druck auch aus der eigenen Partei strebt er nun eine Neuwahl an.
Große Koalition für rasche Neuwahlen
Diese Forderung kommt erneut auch aus Berlin: Die Spitzen von Union und SPD haben nach einem Koalitionsausschuss umgehend die Wahl eines neuen Ministerpräsidenten im Thüringer Landtag angemahnt. Unabhängig davon müssten baldige Neuwahlen stattfinden - "aus Gründen der Legitimation der Politik", erklärten die Partner.
Es gehe darum, schnell für stabile und klare Verhältnisse in Thüringen zu sorgen. Die Wahl des Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD sei ein unverzeihlicher Vorgang.
Große Einigkeit zwischen SPD, CDU und CSU
Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken sagte nach dem Treffen, die gemeinsame Stellungnahme der Koalition sei in großer Einigkeit mit CDU und CSU zustande gekommen.
Es sei wichtig, dass sich "drei Parteien des demokratischen Spektrums auch nochmal darauf geeinigt haben, dass es unter gar keinen Umständen eine Zusammenarbeit mit der AfD geben kann". Die FDP sei als weitere Partei des demokratischen Spektrums gut beraten, sich in dieser Frage auch einer Klärung zuzuwenden, so Esken.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil twitterte: "Drei lange Tage hat der Mann, der nur mit den Stimmen der rechtsextremen Höcke-AfD ins Amt kam, Thüringen unnötig ins Chaos gestürzt. Dieses miese Schauspiel hat dank klarer Kante nun ein Ende!"
FDP-Chef Lindner: "Rücktritt politisch längst fixiert"
Während der Gespräche waren die Koalitionsspitzen nach Angaben der SPD-Führung in Kontakt mit FDP-Chef Lindner. Zu diesem Zeitpunkt hatte Kemmerich noch nicht seinen Rücktritt erklärt. Die Koalitionäre hätten gesagt, es müsse klar sein, dass es diesen Rücktritt jetzt geben müsse. Die FDP habe diese Position mitgetragen.
Christian Lindner twitterte: "Der Rücktritt von Thomas Kemmerich war politisch längst fixiert. Er wurde heute nur formal vollzogen, um jeden Zweifel zu beseitigen."
Thüringer Linke-Chefin fordert CDU-Bekenntnis für Ramelow-Wahl
Der Bundesvorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, schrieb auf Twitter, der Rücktritt sei folgerichtig. "Der große politische Flurschaden bleibt. Unverantwortlich und erschreckend, was sich da manche Politiker der CDU und FDP geleistet haben."
Die Thüringer Linke sieht den Weg für die Wahl des alten Ministerpräsidenten, Bodo Ramelow, in das Amt frei. "Bodo Ramelow steht bereit, er hat ein Kabinett, das er nach seiner Wahl berufen kann", sagte der Vizevorsitzende der Landespartei, Steffen Dittes, der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt.
Die Chefin der Thüringer Linken, Susanne Hennig-Wellsow, foderte von der CDU ein Bekenntnis für die Wahl Ramelows: "Wir müssen dokumentieren, dass er von Demokraten gewählt wurde."
Gauland: "Ramelow wählen, um ihn zu verhindern"
Sie reagierte damit auf einen Vorstoß von AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland, der seinen Thüringer Parteikollegen empfohlen hat, Ramelow mitzuwählen, um ihn zu verhindern. "Die kopflose Reaktion von CDU und FDP bringt mich zu der Empfehlung an die thüringischen Freunde, das nächste Mal Herrn Ramelow zu wählen, um ihn sicher zu verhindern - denn er dürfte das Amt dann auch nicht annehmen», sagte er der dpa.
AfD-Bundestagsfraktionschef Gauland sorgt mit seinem Vorschlag für Aufsehen.
Habeck fordert Ansage der CDU
Der Grünen-Bundesvorsitzende Habeck sieht nach wie vor eine Führungsschwäche bei den Christdemokraten in Thüringen und im Bund. "So hat die CDU trotz GroKo-Beschluss noch immer keinen Ausweg ermöglicht. Sie muss klar sagen, ob sie über ihren Schatten springt und um der Stabilität willen die Wahl eines Linken zum Ministerpräsidenten ermöglicht." Ohne diese Ansage sei nichts gewonnen.
Mohring gibt Amt in der CDU-Fraktion ab
Der Thüringer CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende Mike Mohring will nach den Geschehnissen sein Amt als Landtagsfraktionschef aufgeben. Anders als Medien zuvor berichteten ist er jedoch nicht in den Skiurlaub gefahren. Der Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Erfurt, Felix Voigt, korrigierte seine Angabe.