Kinderehe

Gesetzentwurf im Kabinett Kinderehen - ein Verbot, viele Fragen

Stand: 05.04.2017 12:12 Uhr

Hunderte minderjährig verheiratete Flüchtlinge gibt es in Deutschland - ein Grund, warum sich das Bundeskabinett heute für ein Verbot von Eheschließungen Unter-18-Jähriger entschieden hat. Aber es gibt Fragen und Kritik.

Von Andrea Müller, ARD Berlin

Es hat lange gedauert, bis sich die Große Koalition über dieses Gesetz einig wurde. Denn die Botschaft von Bundesjustizminister Heiko Maas mag einfach klingen: "Kinder gehören einfach nicht an den Traualtar, sondern in die Schule." Maas will deshalb Ehen von Unter-18-Jährigen künftig grundsätzlich verbieten.

Richtig kompliziert wird es aber, wenn es um bereits geschlossene Ehen geht. Der Justizminister will da nach Alter unterscheiden: Wurde ein Mädchen zwischen 16 und 18 Jahren verheiratet, soll die Ehe vom Gericht aufgehoben werden. Heißt: Das Paar wird angehört, es gibt Lösungen für Härtefälle, und - ganz wichtig - die junge Frau behält ihre Rechte wie Unterhaltsanspruch oder Erbanspruch. "Sollte es in diesem Fall Kinder geben, ist auch die Vaterschaft geklärt", sagt Maas. "Insofern ist das differenziert: Ab 16 aufgehobene Ehen gelten als geschiedene Ehen.“

Bei Mädchen, die jünger als 16 Jahre alt waren, will der SPD-Minister eine solche Quasi-Scheidung nicht. Solche Ehen sollen nach dem Gesetz nichtig sein. Die Ehe hat nach deutschem Recht nie existiert.

Verstoß gegen die Verfassung?

Petra Follmar-Otto vom Deutschen Institut für Menschenrechte hält das für hochproblematisch: Es gebe kein Verfahren, in dem die Betroffenen ihre Position deutlich machen können und in dem sie beispielsweise für Maßnahmen von Jugendämtern und Jugendhilfe erreichbar seien. Dieser Entwurf verstoße gegen die UN-Kinderrechtskonvention, sagt Follmar-Otto. Möglicherweise auch gegen die Verfassung, die den Schutz des Kindes festschreibt.

Die Familienrechtlerin Eva Becker vom Deutschen Anwaltverein hat ebenfalls Bedenken. Besonders schwierig werde es, wenn es in einer solchen Ehe schon Kinder gebe. Das Kind habe dann plötzlich keinen rechtlichen Vater mehr. Womöglich müsse dann die Vaterschaft festgestellt werden, womöglich müsse der Staat für Unterhaltsansprüche aufkommen, wenn der Vater nicht festgestellt sei. "All diese Folgedinge dienen nicht dem Wohl der vermeintlich minderjährigen Mutter oder ehemaligen Ehefrau."

Zumeist im Ausland verheiratet

1600 Flüchtlinge waren im vergangenen Jahr in Deutschland als minderjährig verheiratet registriert. Davon waren rund 360 Mädchen bei der Eheschließung keine 14 Jahre alt. Die meisten wurden im Ausland verheiratet - oft vor oder auf der Flucht. Auch, um sie vor Übergriffen zu schützen. Das seien Zwangsehen, sagt Maas, die Deutschland nicht zulassen könne.

Eines aber will er auf jeden Fall verhindern: dass die Mädchen mit der Trennung auch das Recht verlieren, in Deutschland zu bleiben. Sie sollten ihren Aufenthaltstitel behalten, auch, wenn die Ehe nicht anerkannt oder aufgehoben wird. "Aufenthaltsrechtlich oder asylrechtlich werden diese Mädchen keine Nachteile haben."

Eine Zusage, mit der sich die Union im Bundestag schwertut. Die Debatte über den Gesetzentwurf wird also weitergehen - ab heute im Parlament.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die Tagesschau am 05. April 2017 um 12:00 Uhr.