Debatte über Reform Weniger Kindergeld im Ausland - nicht mit Brüssel
Politiker in Deutschland drängen auf eine Reform des Kindergeldes. Österreich ist bereits einen Schritt weiter. Doch die EU-Kommission bleibt skeptisch - entscheiden könnten am Ende Gerichte.
Mehrere Politiker haben eine Reform des Kindergeldes auf EU-Ebene gefordert. "Die Höhe des Kindergeldes muss sich nach den tatsächlichen Lebenshaltungskosten richten", sagte etwa CDU-Fraktionsvize Carsten Linnemann. "Das gebietet allein der gesunde Menschenverstand."
Hintergrund der Debatte sind neue Zahlen zum Kindergeld: Im Juni hat die Zahl der Eltern, die Kindergeld erhalten, obwohl ihre Kinder in einem anderen EU-Staat leben, einen neuen Rekord erreicht.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund äußerte die Befürchtung, dass Menschen aus anderen Ländern gezielt nach Deutschland kommen, um das hiesige Kindergeld zu erhalten. "In Bulgarien, Rumänien oder anderswo in Europa sind 194 Euro Kindergeld pro Monat und Kind ein Vermögen", sagte der Hauptgeschäftsführers des Gemeindebundes, Gerd Landsberg der "Rheinischen Post".
Auch SPD-Chefin Andrea Nahles forderte, man müsse sich dringend um Betrügereien rund um das Thema Familien- und Sozialleistungen kümmern. Zuvor hatte unter anderem Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) von kriminellen Strukturen gesprochen und ein Handeln der Bundesregierung gefordert.
Spanische Rente für deutsche Rentner?
Doch die Debatte dürfte der EU-Kommission nicht gefallen. Wenig Verständnis gibt es dort für den Vorschlag, Kindergeld für EU-Ausländer an das Niveau des Heimatlandes anzupassen - wenn denn ihre Kinder dort leben. "Wir sehen grundlegende Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten", räumte ein Sprecher der EU-Kommission ein, warnte aber gleichzeitig vor Veränderungen im eigenen Interesse der EU-Staaten: So "müssten im Gegenzug auch deutsche Rentner, die in Spanien leben, die niedrige spanische Rente bekommen".
Die EU-Kommission sagt: Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland haben die gleichen Ansprüche auf Kindergeld wie Deutsche - auch wenn die Kinder in einem anderen Land leben. Für Brüssel ist dies ein Grundpfeiler der Gleichbehandlung. Osteuropäsche EU-Diplomaten warnen zudem vor sozialer Ausgrenzung und Rassismus.
EU: Gleiche Ansprüche auf Kindergeld für alle?
Debatte in Österreich
Die Debatte in Deutschland ist nicht die einzige in der EU. In Österreich soll das Kindergeld ab kommendem Jahr an die Lebenshaltungskosten im jeweiligen Heimatland angepasst werden. Die Begründung der ÖVP-FPÖ-Regierung: Das Geld solle für "Kinder in Österreich" verwendet werden.
Die praktischen Auswirkungen lassen sich schon jetzt berechnen. Für ein Kind, das in Ungarn lebt, soll es künftig statt 172 nur noch 94 Euro pro Monat österreichisches Kindergeld ("Familienbeihilfe") geben. Kinder aus wohlhabenden Ländern wie Schweden, deren Eltern in Österreich arbeiten, will Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz aber sogar besser stellen als bisher. Schließlich seien dort die Lebenshaltungkosten viel höher.
ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: Gerechtere Regelung in Österreich?
Mehr Geld für die Wohlhabenden?
Weniger Kindergeld für Kinder, die ohnehin wenig haben, mehr Geld für Reiche? Aus Ungarn und anderen ärmeren EU-Ländern kommen jedenfalls Proteste. Slowenien drohte schon mit einer Klage vor dem obersten EU-Gericht gegen die geplanten Kindergeldkürzungen für Ausländer. Begründung: Es sei ungerecht und ein Verstoß gegen EU-Prinzipien.
Österreichs Kanzler Kurz will hart bleiben: "Was wir planen, ist eine gerechtere und sogar differenzierte Behandlung als wir sie jetzt haben." Ob das so ist, dürfte sich am Ende vor dem Europäischen Gerichtshof entscheiden.
Der Gerichtshof hatte die Regeln erst 2012 bestätigt. Denn gestritten wird über das Thema seit Jahren. Schon vor dem Brexit spielte es eine Rolle. Großbritannien hatte einst eine Neuregelung gefordert - und für diesen Fall angekündigt, in der EU zu bleiben. Die EU-Kommission ließ sich aber nicht umstimmen.
Erfolglos war auch 2016 der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Schlepper würden Menschen nach Deutschland bringen und dort als billige Arbeitskräfte ausbeuten, warnte er damals. "Über das Kindergeld auf deutschem Niveau finanzieren sich Menschenhändler und Schlepper." Erfolg hatte Gabriel nicht.
EU lehnt Pläne ab
Die EU-Kommission lehnte differenzierte Kindergeld-Zahlungen und ähnliche Pläne für EU-Ausländer immer ab. "Das alles würde gegen geltendes Recht verstoßen", sagen EU-Diplomaten. Der bürokratische Aufwand - das zeigt sich schon jetzt in Österreich - scheint jedenfalls enorm. Für jedes EU-Land muss ein Index für die Lebenshaltungkosten entwickelt und ständig aktualisiert werden. Erst dann könnte das Kindergeld berechnet werden.
Mit Informationen von Andreas Meyer-Feist, ARD-Studio Brüssel.