Abstimmung im Bundesrat Der bizarre Streit um die Kohl-Stiftung
Die geplante Gründung der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung sorgt für einen ungewöhnlichen Streit. Nun hat der Bundesrat grünes Licht für die Stiftung gegeben. Doch der Zwist dürfte weitergehen.
Es sind zwiespältige Gefühle für den Kanzler der Einheit, für den Staatsmann und Menschen Helmut Kohl. Er war ein "Revoluzzer", sagte die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann in der Debatte im Bundestag. Und meinte damit den jungen Pfälzer Kohl und seine frühe Rolle in der Landes-CDU.
Erhard Grundl von den Grünen lobte vor allem "Kohls Strickjackendiplomatie", seine Treffen mit dem damaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow in Strickjacken, die "zum Erfolg und zur Deutschen Einheit" geführt hättten. Und für Otto Fricke (FDP) gehörte auch zu Kohl, dass "er ein Mensch war, der große Fehler gemacht hat".
Alle waren sich aber einig: Dieser vielschichtige Mensch Kohl, der Kanzler der Einheit und der Spendenaffäre der CDU, er hat verdient, was sie jetzt für ihn einrichten wollen: eine Stiftung - die "Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung". Der Bundestag hatte sie bereits in erster und zweiter Lesung beschlossen und Geld dafür zurückgelegt - knapp drei Millionen Euro im aktuellen Haushalt. Nun hat auch der Bundesrat grünes Licht gegeben.
"Entspricht nicht den Vorstellungen meines Mannes"
Doch die Witwe Helmut Kohls, seine zweite Frau Maike Kohl-Richter, hat etwas dagegen. Eine kritische Würdigung ihres verstorbenen Mannes? Kohl-Richter wehrt sich seit Langem gegen diese Pläne der CDU. "Diese Konstruktion entspricht nicht den Vorstellungen meines Mannes", gibt Kohl-Richter auf ihrer Homepage zu Protokoll. Und weiter: "Die CDU riskiert damit sehenden Auges, dass Helmut Kohl zum Spielball der Politik und neuer Mehrheitsverhältnisse wird."
Kohl-Richter wolle das Bild des Altkanzlers allein bestimmen, heißt es aus der CDU. Aber man will keinen Streit, hält sich zurück. Zumal Kohl-Richter etwas hat, ohne das das künftige Kohl-Zentrum kaum auskommt: Hunderte Akten Kohls, politisch-historische Dokumente, auch persönliche Briefwechsel. Diese Akten gehören eigentlich der Konrad-Adenauer-Stiftung.
"150 bis 200 Ordner"
Kohl hatte sie sich 2010 nur wieder ausgeliehen, in sein Haus in Oggersheim, um sie für seine Memoiren zu nutzen. Jetzt lagern schätzungsweise "150 bis 200 Leitz-Ordner" im Keller des Bungalows, den Kohl-Richter weiter bewohnt. "Ein Unding", sagt Wolfgang Thierse, Kuratoriumschef einer anderen Kanzler-Stiftung - von Willy Brandt. Wie überhaupt für Thierse klar ist, "dass es nicht eine dauerhafte Interpretationshoheit einer Witwe gibt über den Verstorbenen. Das wäre gegen alle Regeln der Geschichtswissenschaft, und ich glaube nicht, dass irgendeine Witwe das auf Dauer durchhalten könnte."
Auch Walter Kohl ist erbost: "Ich finde, es ist kein Zustand, dass sich jemand hier erdreistet, Ansprüche zu stellen, oder Dinge zurückzuhalten", ärgert sich der ältere Kanzler-Sohn. Der sich durch die neue Stiftung nicht nur "die möglichst objektive, faire, und ganz wichtig auch für zukünftige Generationen relevante Aufbereitung des Lebenswerks unseres Vaters", erhofft, sondern auch des "Lebenswerks unserer Mutter, die ja untrennbar miteinander diesen Weg gegangen sind".
Keinen Platz im Kuratorium bekommen
Hannelore Kohl hatte sich 2001 das Leben genommen. Nach mehr als 40 Jahren an der Seite von Helmut Kohl. Kohl-Richter war ab 2008 mit dem Altkanzler verheiratet. Sie sollte eigentlich einen Platz im Kuratorium der Kohl-Stiftung bekommen. Auf Lebenszeit.
Doch Kohl-Richter lehnte das ab und ließ ihren Anwalt mitteilen: "Wie soll unsere Mandantin darauf vertrauen, dass die Stiftung nicht doch auf der Linie der sogenannten Spendenaffäre nur wieder die Fortsetzung des politischen Kampfes gegen Helmut Kohl und seine Politik ist?"
Spendenaffäre der CDU
Die Parteispendenaffäre stürzte die CDU in größte Turbulenzen. Bis zuletzt hatte Kohl die Namen der Spender nicht genannt, die in den 1980er- und 1990er-Jahren die Schwarzen Kassen der CDU gefüllt hatten. Die CDU möge mit einer ehrlichen Aufarbeitung der "sogenannten Spendenaffäre" zunächst das Verhältnis zu Helmut Kohl klären, fordert die Witwe in einem elfseitigen Anwaltsschreiben.
Diese Spendenpraxis aufzuarbeiten gehört aber zur künftigen Stiftung genauso dazu, wie die Erfolge des Kanzlers Kohl zu bewerten, sagt Bernhard Vogel, Ex-Ministerpräsident und Weggefährte Kohls: "Man kann verstehen, dass die Witwe Helmut Kohl noch mehr verehrt", sagt Vogel. "Aber die Stiftung ist dafür da, nicht nur Weihrauch an den Heiligen zu spenden, sondern auch kritisch das Leben von Helmut Kohl zu sehen."
Sitz in Berlin
Nicht in Oggersheim, im kantigen Kohl-Bungalow, soll die Helmut-Kohl-Stiftung so auch ihren Sitz bekommen - wie Kohl-Richter es will. Sondern in Berlin. Allerdings: Ohne Kohls Akten fehlt Wichtiges, ist nicht nur die Linken-Abgeordnete Simone Barrientos überzeugt: "Diese Akten gehören zum kulturellen Erbe der Bundesrepublik, und müssen für Wissenschaft und Forschung zugänglich sein. Wir werden solche Bemühungen unterstützten."
Auch wenn der Bundesrat jetzt grünes Licht für die Helmut-Kohl-Stiftung gegeben hat - der Streit wird weitergehen.