Schwangerschaftstest

Empfehlung an Regierung Kommission empfiehlt Entkriminalisierung früher Abtreibungen

Stand: 15.04.2024 13:58 Uhr

In der Frühphase einer Schwangerschaft sollten Abtreibungen nicht mehr grundsätzlich strafbar sein, empfiehlt eine von der Regierung eingesetzte Expertenkommission. Auch zu Eizellenspende und Leihmutterschaft äußerte sie sich.

Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission empfiehlt die Entkriminalisierung von Abtreibungen in den ersten Wochen einer Schwangerschaft. "In der Frühphase der Schwangerschaft (...) sollte der Gesetzgeber den Schwangerschaftsabbruch mit Einwilligung der Frau erlauben", heißt es in der Zusammenfassung eines Berichts der interdisziplinär besetzten Kommission. Zudem sei sicherzustellen, dass Frauen den Abbruch zeitnah und barrierefrei in gut erreichbaren Einrichtungen vornehmen lassen können.

Experten empfehlen der Regierung Straffreiheit bei früher Abtreibung

Iris Sayram, ARD Berlin , tagesschau, 15.04.2024 20:00 Uhr

Zwar sind Schwangerschaftsabbrüche faktisch auch heute in der Frühphase - also innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen - möglich, wenn die Frau sich zuvor hat beraten lassen. Auch wenn bestimmte medizinische Gründe vorliegen oder nach einer Vergewaltigung sind Abbrüche möglich. Allerdings ist dies bisher als Ausnahmeregelung im Strafgesetzbuch geregelt, wo Abtreibungen ansonsten ganz grundsätzlich unter Strafe gestellt werden.

"Grundsätzliche Rechtswidrigkeit nicht haltbar"

In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Ampel vereinbart, durch eine Kommission prüfen zu lassen, inwieweit Schwangerschaftsabbrüche auch außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden könnten. "Die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Abbruchs in der Frühphase der Schwangerschaft (...) ist nicht haltbar. Hier sollte der Gesetzgeber tätig werden und den Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig und straflos stellen", sagte die für das Thema zuständige Koordinatorin in der Kommission, die Strafrechtlerin Liane Wörner von der Universität Konstanz.

Ein Abbruch sei aktuell zwar unter bestimmten Bedingungen straffrei, "aber er ist nach wie vor als rechtswidrig, als Unrecht gekennzeichnet", kritisierte die stellvertretende Koordinatorin, Frauke Brosius-Gersdorf, die geltende Regel. Eine Änderung sei nicht einfach nur eine Formalie. Für die betroffenen Frauen mache es einen großen Unterschied, ob das, was sie täten, Unrecht sei oder Recht. "Außerdem hat das Auswirkungen auf die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherungen."

Gleichzeitig rät die Kommission aber auch dazu, Abbrüche ab dem Zeitpunkt der Lebensfähigkeit des Fötus außerhalb des Mutterleibs nicht zu erlauben. Dabei formuliert sie zwei Ausnahmen: Wenn die Gesundheit der Mutter gefährdet oder die Schwangerschaft Resultat einer Vergewaltigung ist, hält sie Abbrüche auch in einer späteren Phase für zulässig. In der mittleren Schwangerschaftsphase stehe dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu, heißt es weiter in den Empfehlungen. Dabei stehe es ihm frei, ob er an der derzeitigen Beratungspflicht festhalten will.

Vor einer Woche hatte bereits der "Spiegel" über das Abschlusspapier der Kommission berichtet.

Wohl keine baldige Entscheidung

Die zuständigen Minister ließen offen, ob sie noch in dieser Wahlperiode eine Gesetzesänderung angehen wollen. Am Ende brauche es dafür einen breiten gesellschaftlichen und parlamentarischen Konsens, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Man werde einen geordneten Prozess vorschlagen, "wie wir als Bundesregierung und Parlament damit umgehen", so der SPD-Politiker.

Man werde den Bericht zunächst gründlich auswerten, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann. Über Konsequenzen zu reden sei noch zu früh, ergänzte der FDP-Politiker. "Was wir nicht gebrauchen können, das sind Debatten, die die Gesellschaft in Flammen setzen oder gar spalten." Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte, die Empfehlungen der Kommission böten eine gute Grundlage für den notwendigen offenen und faktenbasierten Diskurs.

Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sprach von einem sehr sensiblen Thema, das stark in persönliche Bereiche gehe. Es gelte, unterschiedliche Güter gegeneinander abzuwägen. "Wir wollen eine Debatte führen, die letztlich uns weiterbringt in dieser Frage, und das ist nichts, was man unter Zeitdruck und 'jetzt machen wir das ganz schnell' führen kann. Das wäre wirklich der falsche Weg." Der Expertenbericht sollte jetzt Grundlage sein für eine Debatte, die Politik und Gesellschaft miteinander führten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei daran gelegen, dass diese Diskussion in ruhiger und sensibler Weise geführt werde.

Union droht mit Klage

Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, sprach sich gegen eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen aus. Der Vorschlag der Kommission komme faktisch dem Vorschlag einer Fristenlösung sehr nahe, sagte die Sozialwissenschaftlerin dem WDR. "Und wir halten es nicht für richtig, dem Embryo in den ersten Wochen keinen Schutz mehr entsprechend zu geben."

Die Union hatte in der vergangenen Woche bereits mit einer Klage gedroht, sollte die Regierung Schwangerschaftsabbrüche in den ersten zwölf Wochen generell straffrei stellen. Falls sich die Ampelkoalition entsprechende Vorschläge der Arbeitsgruppe zu eigen mache, "würde das zwangsläufig dazu führen", dass man in Karlsruhe klagen werde, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten, Thomas Frei.

Einschätzung zu Eizellenspende und Leihmutterschaft

Eine zweite Arbeitsgruppe der Kommission beschäftigte sich mit der Frage, ob Eizellspenden und Leihmutterschaften in Deutschland erlaubt werden sollten. Eine Legalisierung der Eizellspende in Deutschland sehen die Expertinnen und Experten als zulässig, "sofern sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, die insbesondere den notwendigen Schutz der Spenderinnen und das Kindeswohl gewährleistet", wie es heißt.

Deutschland sei neben Luxemburg das einzige EU-Land, in dem die Eizellspende noch verboten sei, sagte die Koordinatorin für das Thema in der Kommission, Claudia Wiesemann von der Universität Göttingen. Wichtig sei, so wie bei der Samenspende auch, das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft zu sichern.

Beim Thema Leihmutterschaft tat sich die Kommission schwerer. Ein weiteres Verbot sei nachvollziehbar, sagte die zuständige Sprecherin, die Mainzer Juristin Friederike Wapler. Eine Legalisierung sei aber unter engen rechtlichen Voraussetzungen möglich. Zentral wäre etwa, dass eine Ausbeutung der Leihmutter rechtlich verhindert werde. Auch die Vermittlung der Leihmütter müsse uneigennützig und daher nicht-kommerziell organisiert werden. Voraussetzung sei, dass Eltern und Leihmutter sich zum Beispiel durch ein familiäres Verhältnis kennen oder eine Vereinbarung treffen, dass eine Beziehung zwischen beiden Parteien noch über die Geburt hinaus bestehe.