Notfallpläne in Kommunen "Bei komplexen Krisen ziemlich hilflos"
Kein Strom, kein Wasser, keine Heizung: Recherchen von Report Mainz zufolge haben viele Kommunen für diese Ausnahmesituationen keinen Notfallplan. Experten bewerten die bisherigen Vorbereitungen als problematisch.
Fällt der Strom länger aus, dann geht gar nichts mehr. Für Städte- und Gemeinden ist das der größte Katastrophenfall, davon ist Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes überzeugt. "Weil sie nichts mehr machen können. Kein Wasser, keine Heizung, kein Strom. Sie können nicht zur Bank, sie können nicht einkaufen und die Tankstellen funktionieren nicht. Wenn das sich regional um ein, zwei Stunden handelt, ist es nicht schlimm. Aber bei 24 Stunden haben wir schon ein Riesenproblem."
Für diesen Fall vorzusorgen, ist die Aufgabe von Landkreisen und kreisfreien Städten. Sie müssen ihren Bürgern im Katastrophenfall beistehen. Um herauszufinden, wie gut sie darauf vorbereitet sind, hat das ARD-Politikmagazin Report Mainz im Zeitraum September bis Anfang Oktober eine Umfrage unter allen Landkreisen und kreisfreien Städten durchgeführt. Rund 200 und damit in etwa die Hälfte haben an der Umfrage teilgenommen.
Auf die Frage, ob es in ihrer Verwaltung einen Einsatzplan für den Stromausfall gibt, auf den im Notfall alle Beteiligten unmittelbar zugreifen könnten, antworten 101 Kommunen mit nein. Somit verfügen zum Zeitpunkt der Befragung rund die Hälfte der teilnehmenden Landkreise und kreisfreien Städte über keinen Strom-Notfallplan. Darunter sind große Städte wie Heilbronn, Braunschweig oder Mainz aber auch bevölkerungsreiche Landkreise wie der Landkreis Harz, Wittenberg, Heinsberg oder Landshut.
Trinkwasserversorgung und Katastrophen-Leuchttürme
Im Falle eines langanhaltenden Stromausfalls kann auch die Trinkwasserversorgung zusammenbrechen. Denn ohne Strom können die Pumpen der Wasserwerke nach einer gewissen Zeit ausfallen. In so einem Fall sind sogenannte Notbrunnen wichtig, um die Bevölkerung mit Wasser zu versorgen.
Auf die Frage der Redaktion, ob es im Zuständigkeitsbereich ihre Kreises oder ihrer Stadt Notbrunnen gibt, auf die im Notfall zurückgegriffen werden könnte, antworten 78 Kommunen mit nein.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den so genannten Katastrophen-Leuchttürmen, kurz KAT-Leuchttürme. Dabei handelt es sich um Anlaufstellen für die Bevölkerung, wo Bürgerinnen und Bürger Notfälle melden können, mit Informationen versorgt werden oder sich aufwärmen können. 67 Kommunen sagten, dass sie bisher keine solchen Anlaufstellen eingerichtet hätten.
Wer muss die Bürger schützen?
Zuständig für den Katastrophenschutz in Deutschland sind in Friedenszeiten die Bundesländer. Sie haben die Verantwortung für den Schutz der Bürger vor Ort an die Gemeinden, Kreise und kreisfreien Städte übertragen. Doch inwiefern die einzelnen Kommunen ihre Bevölkerung vor Katastrophen schützen, entscheiden häufig die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister.
So kann es nach Recherchen von Report Mainz innerhalb einzelner Landkreise große Unterschiede geben, wie und ob ein Ort sich für einen Katastrophenfall rüstet.
Auf komplexe Krisen nicht vorbereitet
Der Katastrophenforscher Professor Martin Voss kritisiert, dass es bundesweit keine einheitlichen Regeln für Stromausfälle gibt. Wenn "jedes Dörfchen sein eigenes Süppchen kocht und jeder Bürgermeister seine ortsbezogene Politik macht", sei es oft dem "Zufall oder dem Glück" überlassen, "ob man eben vor Ort eine Infrastruktur" habe.
"In der Bilanz ist das problematisch, und man muss nüchtern sagen, dass wir deshalb bei komplexen Krisen, komplexen Katastrophen dann ziemlich hilflos dastehen", so Voss. "In dem Moment, wo [ein Stromausfall] passiert, wäre das Schadenspotenzial so enorm, dass man davor nicht einfach die Augen verschließen sollte."
Ähnlich sieht es auch Landsberg: "Also eigentlich müssten die Länder sich auf einen Masterplan zivilen Katastrophenschutz verständigen", sagt er. Dieser müsse gemeinsam mit den Kommunen umgesetzt werden - und "natürlich" müsste man sich "um Hilfe von Seiten des Bundes bemühen".
Herrmann: Stromausfälle sehr ernst nehmen
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz und bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagt dazu auf Anfrage von Report Mainz, dass er gegenüber dieser Forderung des Städte- und Gemeindebund "sehr aufgeschlossen" sei.
Allerdings stoße er "in der Regel dann sehr schnell auf sehr viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die sagen: Das weiß ich selber, da brauche ich keine klugen Ratschläge aus Berlin oder München oder Bonn oder woher auch immer." Es könne sein, dass der "Bürgermeister davon überzeugt" sei, bei ihm falle der Strom nicht aus. Herrmann ist davon überzeugt, dass wir alle das Risiko von größeren Stromausfällen sehr, sehr ernst nehmen sollten. Deshalb bitte er auch jeden Bürgermeister und jeden Landrat, das ernst zu nehmen.