Krankenkassen-Erhebung Neue Medikamente oft ohne Zusatznutzen
Neue Medikamente haben für die Hersteller den Charme, dass für sie höhere Preise verlangt werden können. Eine Erhebung der Krankenkassen zeigt aber: Ein Drittel von ihnen ist ohne zusätzlichen Nutzen für Patienten.
Jedes dritte neu auf den Markt gebrachte Medikament hat keinen zusätzlichen Nutzen für die Patienten. Das geht aus einer Untersuchung der Krankenkassen hervor, aus der die Zeitungen der Funke Mediengruppe zitieren. Weiter heißt es, ein weiteres Drittel habe nur einen zusätzlichen Nutzen für einen Teil der Patienten, der Rest bringe klare Verbesserungen für alle Betroffenen.
Ausgewertet wurden die 129 Medikamente, für die Krankenkassen und Pharmahersteller seit 2012 Preisverhandlungen geführt haben. Ein Großteil der neuen Medikamente, die in den vergangenen Jahren auf den Markt kamen, ist für die Behandlung von Krebserkrankungen, Infektionserkrankungen wie Hepatitis oder für Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes gedacht, hieß es.
Einsparungen geringer als erhofft
Seit 2011 muss der Gemeinsame Bundesausschuss - das höchste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen - gemeinsam mit einem eigens dafür gegründeten Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit alle neuen Medikamente auf ihren Nutzen und ihre Kosten hin untersuchen. Ziel der Reform war es, die die Ausgaben für Medikamente zu begrenzen. Insgesamt wurden dem Bericht zufolge in den fünf Jahren seit Inkrafttreten der Gesetzesnovelle durch die Preisverhandlungen rund 2,5 Milliarden Euro eingespart. Damit sei die Reform finanziell hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Ursprünglich sollten jedes Jahr zwei Milliarden Euro eingespart werden.
Gleichwohl seien die Nutzenbewertung und die Preisverhandlungen hilfreich, um "die Spreu vom Weizen zu trennen", sagte der Vizechef des Spitzenverbands der Krankenkassen, Johann-Magnus von Stackelberg, den Funke-Zeitungen. Künftig sollten niedergelassene Ärzte schnell und detailliert Informationen über den Nutzen neuer Medikamente bekommen. Dies könne alle zwei Wochen über ein Update der Praxissoftware geschehen.
Allein im vergangenen Jahr kamen 30 Medikamente mit neuem Wirkstoff auf den Markt. Ihr Nutzen ist umstritten.
Hersteller nehmen überhöhte Preise
Die Kassen beklagen seit längerem, dass häufig neuartige Arzneimittel verschrieben würden, obwohl diese gegenüber herkömmlichen Präparaten kaum einen Zusatznutzen hätten. Sie fordern, dass der zwischen Kassen und Herstellern ausgehandelte Preis für ein neues, innovatives Medikament nicht erst nach einem Jahr, sondern bereits vom ersten Tag der Zulassung an gelten soll.
"Wir zahlen leider manchmal Mondpreise - und das nicht nur bei Krebsmitteln, bei denen sich die Preise nicht immer am Nutzen und Innovationsgrad der Medikamente orientieren", kritisierte der neue Vorstandschef der Krankenkasse DAK-Gesundheit, Andreas Storm, in der "Süddeutschen Zeitung". Auch das geplante Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung ändere daran "leider so gut wie nichts".
Dissens über Umsatzschwelle
Storm zufolge können bestimmte Mittel "mehrere zehntausend Euro für die Behandlung eines Patienten kosten". Nur wenn eine Umsatzschwelle von 250 Millionen Euro überschritten wird, soll künftig der ausgehandelte niedrigere sogenannte Erstattungsbetrag rückwirkend gelten. Diese geplante Umsatzschwelle hält Storm für viel zu hoch. 2015 wären nur drei Medikamente davon überhaupt betroffen gewesen.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe vertrat dagegen die Ansicht, die Nutzenbewertung von Arzneimitteln und die anschließenden Preisverhandlungen führten zu "Kosteneinsparungen im Sinne der Versicherten". Dazu solle auch die geplante Umsatzschwelle beitragen.