Protest der "Letzten Generation" Klimaaktivisten könnten Schadensersatzforderungen drohen
Wegen der Blockade von Flughäfen könnten der "Letzten Generation" laut Juristen Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe drohen. Bei ihrem gestrigen Protesttag störten die Klimaaktivisten auch die Premiere der Regensburger Schlossfestspiele.
Klimaaktivisten der "Letzten Generation" haben in dieser Woche zahlreiche Straßen blockiert und auch den Flugverkehr an zwei deutschen Flughäfen vorübergehend gestört. Dies hatte auch wegen des Ferienbeginns für viel Kritik gesorgt. Wegen der Aktionen stellt sich nach Ansicht von Juristen jenseits der strafrechtlichen Konsequenzen auch die Frage nach möglichen Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe.
Denn aus rechtlicher Sicht, heißt es von Experten, handele es sich bei den Klebeaktionen auf den Flughäfen Hamburg und Düsseldorf am vergangenen Donnerstag um einen sogenannten Eingriff in einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Der Düsseldorfer Flughafen, wo nach Angaben eines Sprechers 48 Flüge annulliert und zwei umgeleitet wurden, prüft inzwischen mögliche Ansprüche auf Schadenersatz.
Ist überhaupt etwas zu holen?
"Für den Geschädigten stellt sich natürlich auch die Frage, ob es sich wirtschaftlich lohnt, Schadensersatzansprüche geltend zu machen", gibt Thomas Rüfer, Professor für Bürgerliches Recht an der Universität Trier, zu bedenken. "Wenn ohnehin nichts zu holen ist, würde man durch so eine Klage letztlich nur ein Signal setzen." Und da man den Aktivisten zubilligen müsse, dass sie mit dem Klimaschutz zumindest ein moralisch gerechtfertigtes Ziel verfolgten, könne es auch sein, dass eine Organisation aus Image-Gründen auf eine Klage verzichte.
Aus Rüfers Sicht käme auch ein Ersatzanspruch wegen vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung in Frage. Die Blockade eines Flughafens werde wohl überwiegend als sittenwidrig angesehen - bei Straßenblockaden werde das dagegen kontrovers diskutiert.
Verhinderung eines Klimanotstandes als legitimes Ziel?
Auch Florian Dallwig, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht des Deutschen Anwaltvereins, ist überzeugt, dass es sich bei den Flughafenaktionen um einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb handelt. Er sagt: "Da würde sich eine ganz andere Schadenssumme berechnen lassen, sowohl was die Fluggesellschaft als auch die Betreibergesellschaft des Flughafens angeht."
Der Anwalt erklärt: "Für die Frage, ob jemand durch eine Privatinsolvenz von der rechtskräftig festgestellten Verpflichtung frei wird, diese Summe zu begleichen, ist es relevant, ob man annimmt, dass es sich um eine vorsätzliche Schädigung handelt." Diese könne von einem Zivilgericht durchaus so gesehen werden, da sich die Aktivisten in der Regel des strafbaren Mittels der Nötigung bedienten. "Dagegen spräche, wenn man die Verhinderung eines Klimanotstandes als ein legitimes übergeordnetes Ziel anerkennt."
GdP fordert bundesweit abgestimmtes Handeln
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält Allgemeinverfügungen der Städte zur Verhinderung von Straßenblockaden für richtig, aber nicht ausreichend. "Er ist richtig, dass Städte spontane Klebeaktionen mit Allgemeinverfügungen verbieten", sagte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke. Die bei Zuwiderhandlung dann drohenden hohen Bußgelder und möglichen Haftstrafen könnten eine wirksame Reaktion sein - "ein spürbares Zeichen des Rechtsstaates sind diese allemal", fügte er hinzu.
Noch wirksamer wäre diese Vorgehensweise aus seiner Sicht, wenn es zu diesen Protestformen bald ein bundesweit abgestimmtes Handeln gäbe. "Der zunehmende Fanatismus der 'Letzten Generation' sorgt bei der Polizei für große Besorgnis." Mit ihren "kriminellen Aktionen und penetranter Rücksichtslosigkeit" sorgte die Klimaschutzgruppe nicht für eine Steigerung der Akzeptanz für den Klimaschutz.
Mit Blick auf Medienberichte über einzelne Polizeibeschäftigte, die sich bei der "Letzten Generation" beteiligen, sagte der GdP-Vorsitzende: "Ein solches Engagement ist hochproblematisch, dienstrechtliche Konsequenzen hochwahrscheinlich."
Störung bei Opern-Premiere
Gestern hatten Aktivisten in mindestens 26 Städten den Verkehr gestört, indem sie Kreuzungen blockierten und sich auf Straßen festklebten. Am Abend musste zudem die Premieren-Aufführung der Regensburger Schlossfestspiele unterbrochen werden - die Mozart-Oper "Die Zauberflöte". Eine Aktivistin klebte sich zwischenzeitlich an ein Bühnenteil, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberpfalz.
Drei weitere Personen seien auf dem Weg zur Bühne vom Sicherheitsdienst aufgehalten worden. Nach Angaben der "Letzten Generation" habe sich die Aktivistin, die sich festgeklebt hatte, mit einer Rede an das Publikum gewandt. "Die Klimakatastrophe braucht die große Bühne, denn sie ist die größte Bedrohung für uns Menschen, für unsere Gesellschaft, für unsere Demokratie", heißt es zu der Aktion in einer Mitteilung der Gruppe.
Die Schirmherrin der Schlossfestspiele, Gloria von Thurn und Taxis, hatte zuletzt zweifelhafte Aussagen über Windräder und Falschinformationen über die Klimaforschung getätigt. Schon vor Beginn der Festspiele hatten etwa 300 Menschen vor Schloss Thurn und Taxis demonstriert, die ihr verschwörungsideologische Erzählungen, Queerfeindlichkeit und Rassismus vorwerfen. Veranstalter der Demonstration war die DGB Jugend Oberpfalz. Im Frühjahr hatten zudem mehr als 100 Kulturschaffende dazu aufgerufen, die Festspiele zu boykottieren.