Energiekrise Lindner will "atmenden" Deckel für EU-Importgas
Der Bundesfinanzminister will beim derzeit enorm hohen EU-Importpreis für Gas mit Hilfe eines sich anpassenden Deckels "absurde Preisspitzen abschneiden". Indes kommt vom CDU-Chef Kritik: Er wirft der Regierung verspätetes Handeln vor.
Bundesfinanzminister Christian Lindner hat weitere Anstrengungen in der EU angemahnt, um den derzeit enorm hohen EU-Importpreis für Gas zu deckeln. "Es geht mir darum, bizarre Übertreibungen beim Gaspreis zu bekämpfen", sagte der FDP-Politiker der "Rheinischen Post".
"Bezogen auf die Gasimporte ist meine Prüfidee, dass die EU eine Art atmenden Deckel für Importgas einführt." Ein solcher Deckel müsse "spürbar oberhalb des Weltmarktpreises für Flüssiggas liegen", sagte Lindner weiter. "Denn es muss vermieden werden, dass die Gastanker abdrehen und nach Asien statt nach Europa fahren." Mit einem solchen Instrument könne es gelingen, "die absurden Preisspitzen abzuschneiden", sagte Lindner.
Hohe Preise nicht komplett kompensierbar
Zum Beschluss der Bundesregierung zur Einführung einer Gaspreisbremse sagte Lindner, der Staat werde die Preissteigerungen infolge des Ukraine-Krieges nicht komplett kompensieren. "Das wäre weder ökonomisch möglich noch wäre es sinnvoll, weil wir ja Anreize für Sparsamkeit brauchen", sagte der Minister.
"Wir schützen die Menschen vor finanzieller Überforderung und die Wirtschaft vor ruinösen Preisspitzen", sagte Lindner. Aber Einschränkungen und einen Strukturwandel in der Wirtschaft könne der Staat nicht verhindern. "Klar ist, dass wir den Preis für unsere Energieabhängigkeit von Russland und Versäumnisse zahlen."
Die Bundesregierung habe einen 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm gegen den "Energiekrieg" aufgestellt, um die Vernichtung von Existenzen zu verhindern. Diesen Abwehrschirm wolle er aber nicht voll ausnutzen. "Unsere Anstrengung muss darauf gerichtet sein, die 200 Milliarden möglichst nicht auszuschöpfen", sagte er. Man müsse das Energieangebot ausweiten, um die Marktpreise zu senken.
Lindner will fünf AKW weiterbetreiben
Die derzeitigen Kosten für Energieimporte seien Ausdruck eines Wohlstandsverlustes. Als Finanzminister könne er mit Krediten einen Abwehrschirm aufspannen, um die Schockwirkung zu reduzieren. "Aber die Tatsache, dass wir Kapital ins Ausland verlieren, kann ich nicht ändern", sagte der FDP-Politiker.
Zudem forderte Lindner, die drei verbliebenen Atomkraftwerke am Netz zu lassen und mindestens zwei weitere zu reaktivieren. Zudem müssten neue Gaslieferquellen erschlossen und möglichst wenig Strom aus Gas produziert werden. Außerdem forderte er einen zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien.
Merz wirft Regierung verspätetes Handeln vor
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz warf der Bundesregierung unterdessen vor, angesichts der Energiekrise zu spät zu handeln. "Wir sind jetzt im achten Monat dieses Krieges" von Russland gegen die Ukraine, sagte er im Deutschlandfunk. "Wir wissen seit mindestens sechs Monaten, dass es Energieverknappungen geben wird. Und jetzt gibt es eine Kommission." Merz bezog sich dabei auf die Expertenkommission Gas und Wärme, die Mitte Oktober Vorschläge für die Umsetzung der geplanten Gaspreisbremse machen soll.
Der Unionsfraktionschef zeigte sich überzeugt, dass seine Partei zügiger gehandelt hätte: "Wir hätten früher angefangen", sagte er. Zugleich räumte Merz ein, dass das Thema Gaspreisbremse kein einfaches sei. "Ich erlaube mit den Hinweis: Das ist sehr kompliziert, dafür gibt es kein Lehrbuch, dafür gibt es keine Blaupausen. Das haben wir noch nie gemacht."
Gleichwohl verlangte der CDU-Chef, dass die Bundesregierung "jetzt wirklich schnell zu konkreten Vorschlägen" komme. "Das muss auch handwerklich sauber gemacht werden." Seine Fraktion sei zur Zusammenarbeit bereit, sagte Merz: