Schuldenbremse Lindner sieht sich isoliert
Der Bundesfinanzminister ist überzeugter Verfechter der Schuldenbremse. Doch es gibt immer mehr Stimmen, die fordern, sie wegen der Energiekrise auszusetzen - aus der Opposition, aber auch aus der Ampel-Koalition.
Bundesfinanzminister Christian Lindner hat erneut verteidigt, dass er im kommenden Jahr an der Schuldenbremse festhalten will. Er sieht sich mit diesem Bekenntnis aber zunehmend isoliert.
"Ich habe gesehen, dass es einsamer um mich wird, nachdem auch Markus Söder jetzt gesagt hat, die Schuldenbremse sei eine Prinzipienreiterei", sagte der FDP-Vorsitzende dem Portal "The Pioneer". "Ich bin der Meinung, wir sollten die Schuldenbremse achten und auch zu ihr möglichst im nächsten Jahr zurückkehren."
Deutschland müsse 2023 bereits 30 Milliarden Euro für den Schuldendienst zahlen, sagte Lindner. Es habe Konsequenzen, wenn man mehr Schulden aufnimmt. "Es ist kein Geld, das wir herbeizaubern. Es muss zurückgezahlt werden." Die Bemühungen der Notenbanken müssten vom Staat unterstützt werden, so Lindner. "Man muss schnell und hart handeln, damit sich die Inflation nicht dauerhaft verfestigt."
Söder stellt Schuldenbremse infrage
Bayerns Ministerpräsident Söder hatte zuvor die Schuldenbremse infrage gestellt. "Wir sind sehr für vernünftige Finanzen. Aber wenn eine Megakrise droht wie jetzt, dann muss am Ende Abwägung stattfinden, eine Abwägung zwischen Ordnungsrecht und eine Abwägung zwischen Hilfe", sagte der CSU-Vorsitzende nach einer Klausurtagung seiner CSU-Landtagsfraktion in Kloster Banz bei Bad Staffelstein.
Er sei für die Einhaltung der Schuldenbremse, aber wenn es zu einer "fantastisch großen, schlimmen" Krise komme, könne Prinzipienreiterei nicht die Lösung sein. "Aus meiner Sicht geht dann am Ende die Hilfe für Land, Leute und Wirtschaft vor Prinzipienreiterei", sagte Söder.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr entgegnete, ohne Schuldenbremse könne die Inflation weit über zehn Prozent klettern. Söder müsse sich darüber im Klaren sein, dass er die Menschen dauerhaft ärmer machen würde, wenn die Schuldenbremse ausgesetzt wird. "Die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt kann nicht ewig auf Pump finanziert werden."
Zweifel von SPD und Grünen
Doch auch unter den Koalitionspartnern SPD und Grüne gibt es seit längerem Stimmen, die dafür plädieren, die Schuldenbremse weiter auszusetzen - etwa für die Entlastungsmaßnahmen in der Energiekrise. Das Bundeskabinett hatte Anfang Juli beschlossen, zur Schuldenbremse zurückzukehren.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst bezweifelte, ob die Schuldenbremse wegen der drohenden Wirtschaftskrise im kommenden Jahr zu halten sein wird. "Erst die nächste Konjunkturprognose und die dann folgende Steuerschätzung werden zeigen, ob wir 2023 ohne neue Schulden auskommen, wie die Schuldenbremse das grundsätzlich verlangt, oder ob es eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gibt", sagte der CDU-Politiker der "Rheinischen Post".
Die Schuldenbremse ist seit 2009 im Grundgesetz verankert. Sie erlaubt Bund und Ländern nur in geringem Maß, neue Kredite aufzunehmen. Wegen der hohen Kosten in der Corona-Pandemie hat die Bundesregierung 2020 und 2021 eine Ausnahmeregelung genutzt, mit der das Instrument in Notsituationen ausgehebelt werden kann.