Carsten Linnemann

CDU-Generalsekretär Linnemann will Unwilligen Bürgergeld streichen

Stand: 30.07.2024 08:44 Uhr

Wer keine Stelle annehmen will, soll aus Sicht von CDU-Generalsekretär Linnemann kein Bürgergeld mehr bekommen. Er plädiert dafür, die Grundsicherung dann komplett zu streichen. Deutliche Kritik kommt von der SPD.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat sich dafür ausgesprochen, mehr als 100.000 Menschen das Bürgergeld komplett zu streichen. "Die Statistik legt nahe, dass eine sechsstellige Zahl von Personen grundsätzlich nicht bereit ist, eine Arbeit anzunehmen", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

"Wenn jemand grundsätzlich nicht bereit ist, Arbeit anzunehmen, muss der Staat davon ausgehen, dass derjenige nicht bedürftig ist." Leistungskürzungen um zehn, 20 oder 30 Prozent reichten da nicht, so der Politiker. "Dann muss die Grundsicherung komplett gestrichen werden."

Linnemann sieht Ausnahmen etwa bei Alleinerziehenden

Linnemann bezog auch ukrainische Flüchtlinge, die Bürgergeld beziehen, mit ein. "Die Ukrainer verteidigen auch unsere Freiheit. Aber wenn es eine Leistung gibt, ist sie mit einer Gegenleistung verbunden. Dazu zählt, eine Arbeit aufzunehmen." Hier fehlten "ganz klar" entsprechende Anreize. Ausnahmen sieht er bei Alleinerziehenden oder Menschen, die Angehörige pflegen.

Bereits im November 2019 hatte das Bundesverfassungsgericht allerdings entschieden, dass eine Kürzung von 100 Prozent nicht zulässig ist. Um das vom Grundgesetz geschützte Existenzminimum zu sichern, dürfen die Sanktionen nicht zu weit gehen. Kürzungen in Höhe von 30 Prozent seien vertretbar, 60 oder 100 Prozent aber nicht.

Im März teilte die Bundesagentur für Arbeit auf Anfrage von tagesschau.de mit, dass man keine genauen Zahlen zu "Totalverweigerern" habe. Statistisch erfasst werde aber der Minderungsgrund "Weigerung Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses", bei dem auch Weiterbildungen und Qualifikationen berücksichtigt werden. Dabei zeigt sich, dass es in den ersten elf Monaten des Jahres 2023 insgesamt 13.838 Fälle gab. Das liegt weit unter der von Linnemann genannten sechsstelligen Zahl an Menschen, die grundsätzlich nicht bereit sei, zu arbeiten.

SPD: Bürgergeld-Empfänger nicht als faul diffamieren

In der SPD stießen Linnemanns Aussagen auf Kritik. Den arbeitenden Menschen in Deutschland "hilft ganz sicher nicht, Bürgergeld-Empfänger in einer willkürlich gegriffenen Größenordnung als faul zu diffamieren - und mit einer verfassungswidrigen kompletten Streichung der Leistung zu drohen", sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt den Funke-Zeitungen.

Schmidt erinnerte daran, dass die Union das Bürgergeld im Bundestag "aus guten fachpolitischen Gründen gemeinsam mit uns beschlossen" habe. Zuletzt sei sie allerdings ausnahmslos durch populistische Zwischenrufe aufgefallen.

Das Bürgergeld ist die Grundsicherung für Arbeitssuchende. Davon getrennt ist die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, zum Beispiel wegen Krankheit oder Behinderung.

"Brauchen grundsätzlichen Politikwechsel"

Die von der Ampelregierung geplante Bürgergeld-Reform beschrieb Linnemann als unzureichend. "Ich finde es gut, dass die Ampel einen ersten Schritt beim Bürgergeld gehen will", sagte er. "Aber wir brauchen einen grundsätzlichen Politikwechsel - hin zu einer neuen Grundsicherung."

Die Bundesregierung will mit schärferen Regeln mehr Bezieher von Bürgergeld zur Aufnahme einer Arbeit bewegen. So soll künftig ein längerer Weg zur Arbeit zumutbar sein, das Ablehnen einer zumutbaren Arbeit mit erhöhten Leistungskürzungen geahndet werden und auch Schwarzarbeit zu Kürzungen führen.

"Nicht um jeden Preis" regieren

Linnemann betonte auch, die Union wolle "nicht um jeden Preis" nach der nächsten Bundestagswahl Jahr regieren. "Bei dieser Wahl wird es auf die Inhalte ankommen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Davon machen wir auch eine Regierungsbeteiligung in der nächsten Legislaturperiode abhängig", erklärte er. Seine Partei müsse so stark werden, dass sie ihre Inhalte durchsetzen könne.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 28. Juli 2024 um 09:30 Uhr.