Corona-Ausbruch bei Tönnies Regionaler Hotspot, bundesweite Gefahr?
Die Läden bleiben offen, doch die Kontaktregeln sind strenger: In zwei NRW-Kreisen ist das öffentliche Leben wieder eingeschränkt. Gesundheitsminister Spahn stellte sich hinter die Maßnahmen: Das Virus könne sich schnell wieder ausbreiten.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich hinter die Wiedereinführung von Beschränkungen in Teilen Nordrhein-Westfalens gestellt. Man habe von Beginn an gesagt, dass dies erforderlich werde, sollte es erneut regionale Virus-Ausbrüche geben, sagte der CDU-Politiker im ARD-Morgenmagazin. Damit solle eine weitere Ausbreitung des Virus verhindert werden.
"Ich verstehe sehr gut, dass es Enttäuschung, Sorgen, ja auch Wut gibt in Gütersloh und in Warendorf", sagte Spahn. Die Auflagen dienten aber dem Schutz aller Menschen in Deutschland. "Wir sehen ja, wenn man es diesem Virus zu leicht macht, dann breitet es sich ganz, ganz schnell wieder aus."
Debatte um Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen
Über die Corona-Krise hinaus müsse über die Arbeitsbedingungen in den Schlachhöfen geredet werden - vor allem über das Thema Werkverträge. Die Schlachtbetriebe hätten genug Zeit gehabt, die Dinge zu regeln, betonte Spahn. "Sie haben sie nicht geregelt, und jetzt werden wir sie gesetzlich regeln."
Zuvor hatte der rumänische Botschafter angesichts der zahlreichen rumänischen Staatsangehörigen unter der Tönnies-Belegschaft einen besseren Schutz der Arbeiter in deutschen Schlachthöfen gefordert. Die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten müssten "dringend verbessert werden", sagte Emil Hurezeanu den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Hälfte der Tönnies-Mitarbeiter seien rumänische Staatsangehörige. Sein Land erwarte daher, dass die Bundesregierung gesetzliche Vorhaben zur besseren Regulierung der Branche umsetze.
Auch FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg kritisierte den Missbrauch von Werkverträgen in der Fleischindustrie. "Wir brauchen mehr Kontrollen und bessere Unterkünfte", forderte sie im ARD-Morgenmagazin. Es sei die Verantwortung der Unternehmen, Arbeitsbedingungen im Betrieb zu haben, die funktionieren. Tönnies habe diese Verantwortung offensichtlich nicht wahrgenommen.
Laschet: Urlauber aus Gütersloh nicht stigmatisieren
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet verteidigte im Landtag sein Krisenmanagement im Fall Tönnies. "In dieser Lage muss man verantwortlich abwägen, immer wieder, jeden Tag neu", sagte er. Die Lage im Kreis Gütersloh berge ein "enormes Pandemierisiko". Er rief die Bürger in den Landkreisen Gütersloh und Warendorf auf, die Kreise "nur in besonderen Fällen zu verlassen". Menschen mit Reiseplänen in den bevorstehenden Sommerferien empfahl der Ministerpräsident: "Lassen Sie sich testen".
Laschet rief die anderen Bundesländer dazu auf, negativ auf das Coronavirus getestete Urlauber aus den beiden betroffenen Kreisen willkommen zu heißen. Bayern hatte ein Beherbergungsverbot für Gäste aus Landkreisen mit hohen Infektionszahlen angekündigt, Menschen mit negativen Tests aber ausgenommen. Er habe in dieser Sache mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder telefoniert, der klar gemacht habe, dass Menschen aus Gütersloh willkommen seien, sagte Laschet. Er erwarte dies auch von anderen Bundesländern. Menschen aus Gütersloh dürften nicht stigmatisiert werden.
Die Gesundheitsminister der Länder beraten heute in einer Telefonkonferenz über ein gemeinsames Vorgehen beim Umgang mit Touristen aus Corona-Risikogebieten. Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein wollen Bürger aus Risikogebieten ebenfalls nur noch unter strengen Auflagen einreisen lassen. Auch Niedersachsen kündigte ein Beherbergungsverbot für Touristen aus dem Raum Gütersloh an. Außerdem sollen Lehrkräfte aus der Region, die an niedersächsischen Schulen unterrichten, nach dem Willen der Landesregierung zunächst zu Hause zu bleiben.
Auflagen gelten vorerst eine Woche
Seit Mitternacht gelten im Landkreis Gütersloh und im Nachbarkreis Warendorf in Nordrhein-Westfalen erneut strenge Auflagen: Im öffentlichen Raum dürfen nun nur noch zwei Menschen oder Menschen aus einem Familien- oder Haushaltsverbund zusammentreffen. Zudem sollen eine Reihe von Freizeitaktivitäten unterbleiben. So müssen den Angaben zufolge zum Beispiel Museen, Kinos, Fitnessstudios, Hallenschwimmbäder und Bars vorübergehend geschlossen werden.
Die Vorschriften für die neuen Einschränkungen gelten zunächst für eine Woche bis zum 30. Juni. Betroffen sind insgesamt rund 640.000 Einwohner. Mit Inkrafttreten der Auflagen sollen auch die Corona-Tests in den beiden Landkreisen deutlich ausgeweitet werden.
Zeitrahmen: In den Kreisen Gütersloh und Warendorf treten wieder die Kontaktbeschränkungen vom März 2020 in Kraft. Das gilt laut Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet bis zum 30. Juni 2020.
Treffen: Diese Beschränkungen schreiben vor, dass sich nur Menschen aus einer Familie, Lebenspartner oder einem Hausstand in der Öffentlichkeit zusammen aufhalten dürfen. Treffen dürfen sich auch zwei Personen, die weder der Familie angehören noch zusammen leben.
Freizeit: Bis zum 30. Juni sind wieder viele Kulturveranstaltungen sowie Sport in geschlossenen Räumen verboten. Fitnessstudios werden ebenso geschlossen wie Kinos und Bars.
Gastronomie: Thekenbetriebe müssen geschlossen werden, Restaurants dürfen unter Auflagen geöffnet bleiben. Es dürfen maximal zwei Personen oder alternativ eine Familie an einem Tisch sitzen.
Schulen, Kitas: Bereits seit dem 17. Juni sind die Schulen und Kitas in Gütersloh wieder geschlossen. Im Kreis Warendorf geschieht das am Donnerstag, zwei Tage vor Ferienbeginn in NRW. Quelle: dpa
Mehr als 1550 Fälle bei Tönnies
Bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück im Kreis Gütersloh hatten die Behörden in der vergangenen Woche einen massiven Corona-Ausbruch registriert. Mehr als 1550 Menschen wurden positiv auf das Coronavirus getestet. Rund 7000 Mitarbeiter wurden schon vor den Tests unter Quarantäne gestellt. Zudem wurden im Kreis Gütersloh schon vor Tagen alle Schulen und Kitas vorsorglich geschlossen.