Sicherheitsdebatte nach Tat in Magdeburg "Erinnert an den Anschlag vom Breitscheidplatz"
Der Anschlag in Magdeburg wirft die Frage nach Fehlern der Behörden auf. Grünen-Politiker von Notz sieht ähnliche Defizite wie beim Breitscheidplatz-Anschlag. Kritik gibt es zudem an der Bundesinnenministerin und am Informationsaustausch.
Nach dem Weihnachtsmarkt-Anschlag von Magdeburg sieht Grünen-Vizefraktionschef Konstantin von Notz ähnliche Defizite wie beim Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz. "Der entsetzliche Anschlag von Magdeburg erinnert auf frappierende Weise an den Anschlag vom Breitscheidplatz vor acht Jahren", sagte von Notz der Rheinischen Post. 2016 war in Berlin ein islamistischer Terrorist mit einem entführten Lastwagen auf einen Weihnachtsmarkt gerast - 13 Menschen kamen ums Leben.
"Erneut scheint es im Hinblick auf den Täter und die von ihm ausgehende Bedrohung ein Gesamterkenntnisdefizit und ein Problem beim Zusammenführen der verschiedenen Informationen gegeben zu haben", sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Er erwarte, dass die Bundesregierung und die Landesregierung in den kommenden Tagen detailliert darlegen, was sie zu welchem Zeitpunkt über Taleb A. wussten und wie mit den Hinweisen umgegangen wurde.
Von Notz widerspricht Innenministerin Faeser
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte Transparenz zu den Erkenntnissen der Behörden zum Täter von Magdeburg versprochen. Sobald die Ermittlungen ein klares Bild von den Hintergründen ergäben, werde man daraus die notwendigen Schlüsse ziehen.
Zuvor hatte sie gefordert, ausstehende Gesetzentwürfe zur inneren Sicherheit rasch zu beschließen. Faeser kritisierte FDP und Union für Blockaden in der Vergangenheit. Sie forderte außerdem eine rechtssichere Speicherpflicht von IP-Adressen. Dies sei im Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus essenziell.
Grünen-Politiker von Notz sieht das Problem allerdings nicht bei den Befugnissen der Behörden. "Es kann nicht sein, dass es einem Täter zum Vorteil gereicht, wenn er seine Aktivitäten auf mehrere Bundesländer verteilt. Es wird sich in der Aufklärung zeigen, ob sich diese föderalismusbedingten Probleme bestätigen", sagte er der Funke Mediengruppe.
Es erschließe sich ihm nicht, wie man als Reaktion auf diesen Anschlag nun wieder mit der Vorratsdatenspeicherung um die Ecke kommen wolle. "Die Behörden haben ja offenbar nicht mal die öffentlichen Tweets dieses Mannes gelesen. Man hat hier kein Defizit an Durchgriffsoptionen, man hat ein Handlungsdefizit."
Informationsaustausch "verbesserungsbedürftig"
Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer bezeichnete den Informationsaustausch der Behörden als "an vielen Stellen verbesserungsbedürftig". Nach den vorliegenden Informationen sei der Täter wohl sowohl Bundes- als auch Landesbehörden seit längerem bekannt gewesen. "Es bleibt aufzuklären, wer, wann, was gewusst und gegebenenfalls nicht weitergegeben oder selbst nicht angemessen gehandelt hat", sagte Kramer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Der Todesfahrer von Magdeburg ist nach Einschätzung von Kramer in den vergangenen Jahren zunehmend ins rechtsextreme Spektrum abgedriftet. "Selbst wenn sich eine psychische Störung herausstellen sollte, lässt sich an den Beiträgen des mutmaßlichen Täters im Internet eine gewachsene Radikalisierung mit Extremismusbezügen nach rechts in den letzten Jahren feststellen", so Kramer.
Insofern sei es zwar widerwärtig, aber nicht überraschend, dass sich während der Trauerfeier im Magdeburger Dom Hunderte von Rechtsextremisten in der Stadt versammelt und Hass und Hetze verbreitet hätten. "Denn sie sind wohl mitverantwortlich, wenn man sich die Radikalisierung auch des Täters anschaut", sagte Kramer.
Kramer unterstrich: "Die Motive des Täters müssen erst weiter aufgeklärt werden, deshalb sind Schlussfolgerungen mit aller Vorsicht zu ziehen." Bei allem, was jetzt öffentlich bekannt und belastbar sei, könne man aber sicher sagen, dass es kein islamistisch motivierter Anschlag gewesen sei.
Täter schon mehrfach auffällig geworden
Der Täter Taleb A. war in den vergangenen Jahren an verschiedenen Stellen aufgefallen. Zieschang sagte, nach einem Post des Mannes auf der Plattform X am 1. Dezember 2023 habe die Polizei Ermittlungen aufgenommen. In diesem Zusammenhang hätten die Beamten ebenfalls versucht, eine Gefährderansprache durchzuführen. Weder am 2. Dezember noch am 4. Dezember 2023 sei der Mann angetroffen worden, sagte Zieschang. Das Verfahren wurde demnach später eingestellt.
Ob die Gefährderansprache im Oktober 2024 in diesem oder in einem anderen Zusammenhang erfolgte, ist unklar. Mit einer Gefährderansprache will die Polizei signalisieren, dass sie einen potenziellen Straftäter im Blick hat und fordert ihn auf, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen.
Taleb A. war mit einem Auto am Freitagabend über den Weihnachtsmarkt gerast und hatte fünf Menschen getötet und bis zu 235 verletzt. Er sitzt in Untersuchungshaft. Ihm werden fünffacher Mord, mehrfacher versuchter Mord und mehrfache gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.
Weitere Hinweise auf psychische Erkrankung
Wie die Nachrichtenagentur dpa aus Sicherheitskreisen erfuhr, verdichten sich die Hinweise auf eine psychische Erkrankung des Täters Taleb A. Zuletzt hatte sich dieser in sozialen Medien zunehmend wirrer und radikaler zu Wort gemeldet. In einem Interview zeigte sich der 50-Jährige jüngst als Fan von X-Inhaber Elon Musk und der AfD, die die gleichen Ziele wie er verfolge - bezeichnete sich aber als politisch links.