Bundesverfassungsgericht Ist die Masern-Impfpflicht rechtens?
2020 wurde in Kitas und Schulen eine Impfpflicht gegen Masern eingeführt - dagegen hatten mehrere Familien geklagt. Das Bundesverfassungsgericht verkündet heute seine endgültige Entscheidung, ob die Pflicht rechtens ist.
Heute wollen sie lieber nicht in der Öffentlichkeit für ihr Anliegen werben - die Eltern, die in ihrem juristischen Kampf gegen die Masern-Impfpflicht bis vor das Bundesverfassungsgericht gezogen sind. Aber für sie ist die Impfpflicht ein unzulässiger Eingriff in das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit und in ihr Erziehungsrecht als Eltern.
Alexander Konietzky vom Verein "Ärzte für individuelle Impfentscheidungen", der auch vom Gericht gehört wurde, erklärt, warum sein Verein gegen die Impfpflicht ist: "Wir wenden dieses Prozedere ja an einem gesunden Menschen an, und der sollte mindestens darüber wohl informiert sein und dann darüber auch frei entscheiden können."
Nachweispflicht seit März 2020
Seit März 2020 müssen Eltern, die ihr Kind in einer Kita, bei einer Tagesmutter oder bei einer Schule anmelden wollen, nachweisen, dass es gegen Masern geimpft ist. Oder dass es schon die Masern hatte. Seit diesem August muss das auch für die Kinder nachgeholt werden, die 2020 schon längst in einer solchen Einrichtung untergebracht waren. Ohne Nachweis darf die Betreuung von Kindergartenkindern verweigert werden. Bei Schulkindern geht zwar im Zweifel die Schulpflicht vor, Ungeimpfte dürfen also weiter zur Schule gehen. Den Eltern droht aber ein empfindliches Bußgeld.
Im Mai 2020 hatten sich die Verfassungsrichterinnen und -richter schon mal zur Masern-Impfpflicht geäußert. Das war allerdings nur das Eilverfahren, also eine vorläufige Prüfung. Damals hatten sie die Masern-Impfpflicht erstmal weiterlaufen lassen. Das Interesse der Allgemeinheit, gesundheitliche Risiken abzuwehren, gehe zunächst vor. Heute aber kommt nun die endgültige Entscheidung - und denkbar ist, dass das Gericht darin nicht nur etwas zur Masern-Impfpflicht sagt, sondern allgemein zur Pflicht, sich impfen zu lassen.
Für Rechtsprofessor Steffen Augsberg ist das eine durchaus schwierige Abwägung, denn: "Man muss natürlich sehen, dass eine Impfpflicht prinzipiell eine relativ weitreichende Grundrechte beeinträchtigende Maßnahme ist."
Ein Hinweis, wie es ausgehen könnte, liefert der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Der hatte 2020 eine tschechische Impfpflicht durchgehen lassen, mit dem Hinweis, dass das die einzelnen Länder im Sinne der Gesundheitsfürsorge selbst regeln können. Ähnlich, so vermutet Augsberg, wird es das Bundesverfassungsgericht machen: "Im Zweifel, würde ich vermuten, sagt das Verfassungsgericht: Das ist alles Einschätzungsspielraum. Das ist ja auch der Sinn im demokratischen Verfahren, sich nicht an die Stelle des Gesetzgebers zu setzen. Es ist noch im Rahmen dessen, was man sich verfassungsrechtlich vorstellen kann."
Argumente aus Corona-Debatte könnten Rolle spielen
Außerdem hat sich das Verfassungsgericht zwischenzeitlich mit einer ganz anderen Impfpflicht beschäftigt - mit der Impfung gegen Corona für Menschen, die etwa im Gesundheitswesen arbeiten. Diese Impfpflicht hat das Gericht abgesegnet, mit dem Hinweis, der Gesetzgeber habe einen weiten Spielraum. Und das Ziel, durch die Impfung für besonders schutzbedürftige Menschen zu sorgen, sei in Ordnung. Gut möglich, dass diese Argumente heute in der endgültigen Entscheidung zur Masern-Impfpflicht ebenfalls eine Rolle spielen.