Die Maut-Pläne für Deutschland Vorhaben mit vielen Fragezeichen
Alle Autofahrer sollen künftig für die Benutzung deutscher Straßen zahlen. Deutsche Straßennutzer werden über die Kfz-Steuer entlastet. Wie funktioniert die Maut? Was bringt sie? Und ist sie EU-konform? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie sehen die Pläne des Verkehrsministers im Detail aus?
Verkehrsminister Alexander Dobrindt will die Maut nicht nur auf Autobahnen einführen, sondern auf allen Straßen und für alle PKW. Die Mautpflicht also gilt für ausländische Autofahrer und deutsche Straßennutzer. Ausgenommen sind Elektrofahrzeuge und Fahrzeuge von behinderten Personen. Die so genannte Infrastrukturabgabe wird mittels drei verschiedener Vignetten erhoben: eine Plakette für eine zehntägige Straßennutzung, eine zweite, die zwei Monate gültig ist, und eine Jahresvignette. Die zehntägige Vignette soll 10 Euro kosten, eine zweimonatige Plakette 20 Euro.
Der Preis für eine Jahresvignette richtet sich nach Art des Treibstoffs, Alter des Pkw und Hubraum-Größe. Fahrzeuge, die ab Juli 2009 zugelassen wurden und mit Benzin fahren, zahlen eine Abgabe von 2 Euro je angefangene 100ccm Hubraum bis zu einer Kappungsgrenze von 5000ccm. Für Dieselfahrzeuge liegt die Abgabe bei 9,50 Euro je angefangene 100ccm Hubraum bis zu einer Kappungsgrenze von 1100ccm.
Für einen VW-Polo mit Benzin-Motor würde die Vignette zum Beispiel 24 Euro pro Jahr kosten, für einen VW-Passat mit Dieselmotor 104,50 Euro. Bei älteren Autos ist die Abgabe entsprechend höher. Für Ausländer ist die Jahresvignette auf maximal 103,04 Euro für Benzin- und 122,35 Euro für Dieselfahrzeuge gedeckelt.
Wo sind die Vignetten zu bekommen?
Ausländer sollen die Plaketten an grenznahen Tankstellen und über das Internet erwerben können. Dabei müssen sie detaillierte Angabe zur Öko-Klasse ihres PKW machen. Deutschen Autofahrern soll automatisch eine Jahresvignette mit der Post zugeschickt werden.
Wie werden deutsche Autofahrer entlastet?
Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass durch die Einführung der Maut deutsche Autofahrer nicht zusätzlich belastet werden dürfen. Diese Entlastung der deutschen Straßennutzer soll zeitnah in einem zweiten Gesetz zur Reform der Kfz-Steuer geregelt werden. Für diese Steuer wird künftig eine Freigrenze in Höhe der jeweiligen Maut eingeführt. Die jeweilige Kfz-Steuer wird also um genau die Summe reduziert, die der Autofahrer für seine Jahresvignette zahlt. Die Autofahrer würden dadurch, so verspricht es Dobrindt, nicht zusätzlich belastet.
Wie viel Mehreinnahmen wird die Maut bringen?
Das Verkehrsministerium rechnet mit Mehreinnahmen von rund 800 Millionen Euro. Nach Abzug der Verwaltungskosten würden am Ende laut diesen Berechnungen über 600 Millionen Euro Einnahmen bleiben. Verkehrsexperten weisen aber auf den hohen Verwaltungsaufwand hin, den die Pläne von Dobrindt mit sich bringen. So wird es für die Jahresvignette Dutzende von unterschiedlichen Preisen geben. Dies erfordert einen immensen bürokratischen Aufwand. Schätzungen zufolge könnten die Verwaltungkosten bis zur Hälfte der Einnahmen schlucken. Dann würden die Einnahmen am Ende wesentlich geringer ausfallen, als vom Verkehrsministerium berechnet.
Wer profitiert von den Einnahmen?
Der Hauptprofiteur ist der Bund. Die meisten Einnahmen gehen in die Bundeskasse. Er trägt ja auch die Hauptlast bei der Instandhaltung der Autobahnen und Bundesstraßen. Weil die Infrastruktur-Abgabe aber auf allen Straßen gelten soll, erheben nun auch die Länder und Kommunen Anspruch auf Einnahmen. Auch sie sollen nach dem Willen von Verkehrsminister Dobrindt künftig von den Maut-Einnahmen profitieren. Einzelheiten dazu sollen mit den Ländern ausgehandelt werden.
Sind die Pläne des Verkehrsministers mit EU-Recht vereinbar?
Das EU-Recht verbietet die Diskriminierung von Ausländern. Die Brüsseler Kommission pocht deshalb auf Gleichbehandlung aller Straßennutzer. Wenn Ausländer aber auf deutschen Straßen Maut-Gebühren zahlen und die Deutschen am Ende nicht zusätzlich belastet werden, dann wäre das eine Ungleichbehandlung von Deutschen und EU-Bürgern. Verkehrsminister Dobrindt will deswegen zwei Gesetze einführen: eines für die Pkw-Maut, die für Deutsche und Ausländer gilt, und ein zweites Gesetz zur Entlastung von deutschen Autofahrern durch die Senkung der Kfz-Steuer. Es ist aber fraglich, ob die EU-Kommission dagegen weniger Einwände hat, denn beide Gesetze stehen ja in einem Zusammenhang. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas hat schon verlauten lassen, eine Verrechnung von Maut und Kfz-Steuer verstoße gegen EU-Recht. Dobrindt will eine Arbeitsgruppe zwischen Kommission und seinem Ministerium einrichten, um die Gesetzentwürfe gemäß EU-Recht auszuarbeiten. Auch das Finanzministerium soll an dieser Arbeitsgruppe beteiligt werden.
Was sagen die Koalitionsparteien?
Die SPD macht keinen Hehl daraus: Sie steht den Plänen des Verkehrsministers skeptisch gegenüber. Der SPD-Verkehrsexperte Sören Bartol meint, die Maut sei "nicht das Lieblingsprojekt" der SPD. Die Generalsekretärin Yasmin Fahimi hält die Pläne für "unausgegoren". Man werde das Konzept prüfen und sich an die Vorgaben des Koalitionsvertrags halten. Allerdings bezweifelt die SPD, dass die Pläne mit EU-Recht vereinbar sind. Auch die CDU demonstriert Zurückhaltung und Skepsis. Unions-Fraktionschef Volker Kauder warnt vor einem Schnellschuss und spricht sich für eine europaweite Maut aus. CSU-Chef Seehofer fordert angesichts der kritischen Stimmen Koalitionsdisziplin.
Wie reagieren die EU-Nachbarländer?
Die Pläne, deutsche Autofahrer de facto von den Mautgebühren zu befreien, stoßen auf heftigen Widerstand in den Nachbarländern. Die österreichische Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) droht mit einer Klage. Zunächst will sich Österreich aber an die EU-Kommission wenden mit der Bitte, das Vorhaben stoppen zu lassen. Die niederländische Verkehrsministerin Melanie Schultz van Haagen erwägt ebenfalls eine Klage gegen die deutschen Maut-Pläne. Auch im EU-Parlament regt sich parteiübergreifend Widerstand.
Wann kommt die Maut tatsächlich?
Das Eckpunkte-Papier des Verkehrsministers sieht die Einführung der Infrastrukturabgabe für 2016 vor. Zuerst einmal muss aus dem Papier ein entsprechender Gesetzentwurf erarbeitet werden. Dieser muss dann durch die Ausschüsse des Bundestags. Angesichts der parteiübergreifenden Skepsis könnte es einige Zeit in Anspruch nehmen, bis das Gesetzesvorhaben zur Infrastruktur-Abgabe endgültig den Bundestag passiert hat. Wenn die Länder und Kommunen tatsächlich an der Maut beteiligt werden, wäre das Gesetzesvorhaben im Bundesrat zustimmungspflichtig. Die Länderkammer könnte die Maut also noch kippen. Und auch Brüssel hat bei der Frage der Vereinbarkeit mit EU-Recht noch ein gewichtiges Wort mitzureden. Das Mautvorhaben des Ministers hat also noch viele große Hürden zu nehmen.