Ämterverteilung in Brüssel Wie deutsch ist die EU?
Angela Merkel ist EU-Ratsvorsitzende, die Fraktionschefs der Sozialdemokraten und der Grünen sind deutsch und auch drei wichtigen Ausschüssen sitzen Deutsche vor. Nun ist auch das Amt des Parlamentspräsidenten in deutscher Hand. Ist die Bundesrepublik in Brüssel dominant?
Von Martin Durm, ARD-Hörfunkstudio Straßburg
Es war der Tag des Hans Gert Pöttering. Zum ersten Mal saß er auf dem Stuhl des Präsidenten und sah dabei so zufrieden aus wie man nur sein kann, wenn man angekommen ist an seinem Ziel. Mit Pöttering ist das Deutsche noch stärker präsent im Europäischen Parlament.
Deutschland stellt den Parlamentspräsidenten in Straßburg und die meisten Abgeordneten. Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten ist deutsch, genauso der Chef der Grünen und die Vorsitzenden von drei wichtigen Ausschüssen – nämlich Außenpolitik, Verfassung und Umwelt. Dieses starke Gewicht empfinden etliche Abgeordnete aus Ländern wie Spanien, Polen, Tschechien und Holland doch ein wenig erdrückend. Das würden sie natürlich nicht offiziell sagen; aber hinter vorgehaltener Hand und hinter verschlossenen Türen wird derzeit versucht, zumindest bei der Besetzung einiger Ausschüsse den deutschen Einfluss zu relativieren.</div>
Ämter derzeit fest in deutscher Hand
Mit Pöttering als Parlamentsvorsitzendem und Kanzlerin Angela Merkel als derzeitige Ratspräsidentin wirkt Deutschland fast schon dominant in der EU. Das sei alles "Quatsch", sagt Martin Schulz, der Vorsitzende der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament: "Ich bin ein Europäer aus Deutschland, so wie es Europäer aus anderen Fraktionen gibt. Wenn Frau Merkel nach sechs Monaten die Ratspräsidentschaft an Portugal übergibt, haben wir einen portugiesischen Ratspräsidenten und einen portugiesischen Kommissionspräsidenten Barroso. Reden wir dann von einem Übergewicht Portugals in der EU?"
Wahrscheinlich nicht. Aber andererseits gehört Deutschland neben Großbritannien und Frankreich nun mal zu den drei großen Kernstaaten in der EU. Und weil Tony Blair nur noch auf Zeit in Großbritannien regiert und in Frankreich der Wahlkampf beginnt, wirkt die deutsche Kanzlerin Merkel auf manche wie eine stabile Größe in der EU.
Deutschland, das europäischste Land in der Union?
"Vor Deutschland ist mir nicht bange", meint der liberale holländische Europaabgeordnete Jules Maaten: "Deutschland ist nun mal der größte Mitgliedsstaat in der EU, und dass es einen großen Einfluss hat, ist auch nicht unbedingt schlecht. Schließlich ist Deutschland zur Zeit das europäischste Land in der Union."
Und überhaupt: Dort, wo Europa wirklich gemacht wird, wirkt Deutschland eher schwach. EU-Kommissar Günther Verheugen wird von Affären gebeutelt. Und in der Beamtenschaft sind die Deutschen nicht über-, sondern unterrepräsentiert. Nur zehn Prozent stellen sie in der Belegschaft, nicht mehr als die Belgier. Und nur zehn von 160 Abteilungsleitern kommen aus Deutschland. Da wirkt es dann eher wieder beruhigend fürs deutsche Gemüt, dass von nun an Pöttering die Parlamentsgeschäfte in Straßburg verwaltet.
Nur in einem Fall wäre es selbst einem wie Daniel Cohn Bendit zu viel: "Der neue Parlamentspräsident hat einen Herzenswunsch. Er will, dass der Papst nach Straßburg kommt. Dann wärs hier wirklich deutsch."