Kritik an CDU-Chef Heftiger Gegenwind für Merz nach Aussagen zur AfD
Wie hält es die CDU mit der AfD? CDU-Chef Merz hat im ZDF ein gemeinsames Vorgehen auf kommunaler Ebene nicht ausgeschlossen - und stößt damit in der eigenen Partei auf scharfe Kritik.
Mit seinen Äußerungen zu einem möglichen gemeinsamen Vorgehen mit der AfD auf kommunaler Ebene hat CDU-Chef Merz viel Kritik in der eigenen Partei ausgelöst. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner schrieb auf Twitter: "Die AfD kennt nur Dagegen und Spaltung. Wo soll es da Zusammenarbeit geben? Die CDU kann, will und wird nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, deren Geschäftsmodell Hass, Spaltung und Ausgrenzung ist."
Merz hatte im ZDF-Sommerinterview bekräftigt, dass die Union nicht mit der AfD kooperieren werde. Er beschränkte dies nun aber auf "gesetzgebende Körperschaften", etwa auf europäischer, Bundes- oder Landesebene. Wenn in Thüringen ein Landrat und in Sachsen-Anhalt ein Bürgermeister von der AfD gewählt worden sei, dann seien das demokratische Wahlen, so Merz. "Das haben wir doch zu akzeptieren. Und natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet."
"Rechtsradikal bleibt rechtsradikal"
Die Vizepräsidentin des Bundestages, Yvonne Magwas, die auch dem CDU-Präsidium angehört, schrieb auf Twitter: "Ob Ortschaftsrat oder Bundestag, rechtsradikal bleibt rechtsradikal. Für Christdemokraten sind Rechtsradikale immer Feind!"
Die Bundesvorsitzende der Frauen Union, Annette Widmann-Mauz (CDU), erklärte mit Blick auf die AfD: "Die Partei u. ihre menschenverachtenden & demokratiefeindlichen Inhalte bleiben die gleichen, egal auf welcher Ebene."
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen betonte, seine Partei habe ein Kooperationsverbot mit der AfD beschlossen. "Jeder, der das ändern will, muss dafür auf einem Bundesparteitag der CDU eine Mehrheit finden."
Der CDU-Politiker und ehemalige saarländische Ministerpräsident Tobias Hans schrieb auf Twitter zu den Aussagen von Merz: "Der Parteitagsbeschluss besagt, dass jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen ist. Das hier ist die schleichende Verwässerung von Parteitagsbeschlüssen nach Wahlerfolgen der extremen Rechten."
In die gleiche Kerbe schlug der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz. "Auch der CDU-Vorsitzende ist an die Beschlüsse des CDU-Bundesparteitags gebunden", sagte er dem "Tagesspiegel". Dieser habe "jegliche politische Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausgeschlossen". Der Beschluss gelte auch für Städte und Gemeinden, so Polenz.
Rhein: Brandmauer steht
Auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) schloss jegliche Kooperation mit den Rechtspopulisten für seinen Landesverband aus. "Für die CDU Hessen gilt die Brandmauer, wir arbeiten mit denen nicht zusammen", sagte Rhein, der zugleich Landesvorsitzender der hessischen CDU und deren Spitzenkandidat für die Landtagswahl in seinem Bundesland Anfang Oktober ist, im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF.
"Das sind keine Partner von uns." Die AfD sei ein "rechtsextremistischer Prüffall" für den Verfassungsschutz und deren Jugendorganisation "gesichert rechtsextrem", ergänzte Rhein. Für die hessische CDU könne er daher "sehr klar sagen", dass die Brandmauer "klar steht".
"Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht"
Ähnlich empört reagierte CDU-Bundesvorstandsmitglied Serap Güler: "Keine Zusammenarbeit mit der AfD heißt: keine Zusammenarbeit mit der AfD. Auf keiner Ebene. Ganz einfach. Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht."
Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak schrieb, die AfD bedrohe den liberalen Rechtsstaat und die freiheitliche Gesellschaftsordnung - auch in den Kommunen. "Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU ist eindeutig."
In dem Beschluss heißt es unter anderem: "Jeder, der in der CDU für eine Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet. (...). Die CDU lehnt jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab."
Der neue CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verteidigte Merz hingegen: Für die CDU sei klar, dass es "keine Zusammenarbeit mit der AfD" gebe, "egal auf welcher Ebene", sagte er der "Bild". "Das sieht auch Friedrich Merz so, wenngleich er zu Recht auf die schwierige Umsetzung vor Ort hinweist. Denn wenn es im Kommunalparlament etwa um eine neue Kita geht, können wir nicht nur deshalb dagegen stimmen, weil die AfD mitstimmt. Wir machen uns von Rechtsradikalen nicht abhängig."
CSU-Chef Markus Söder ging klar auf Distanz zum CDU-Vorsitzenden. "Die CSU lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD ab - egal auf welcher politischen Ebene", schrieb der bayerische Ministerpräsident. "Denn die AfD ist demokratiefeindlich, rechtsextrem und spaltet unsere Gesellschaft. Das ist mit unseren Werten nicht vereinbar."
"Realitätsfern und fahrlässig"
Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, teilte in Berlin mit, die "realitätsfernen und fahrlässigen Äußerungen von Friedrich Merz machen deutlich, dass er die Zerstörungs-Strategien der AfD noch immer nicht realisiert hat". Diese AfD habe nicht das Gemeinwohl aller Bürgerinnen und Bürger und die Gestaltung der Demokratie im Sinn. "All denen aus seiner Partei und den anderen demokratischen Parteien, die ihm entschieden widersprechen, gebührt Respekt und Unterstützung."
Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla schrieb zu der Debatte auf Twitter: "Nun fallen erste Steine aus der schwarz-grünen Brandmauer. In Ländern und Bund werden wir die Mauer gemeinsam niederreißen. Gewinner werden die Bürger sein, die Wohlstand, Freiheit und Sicherheit durch interessengeleitete Politik wiedergewinnen."
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach von einem "Tabubruch". Es sei jetzt Zeit für einen "Richtungsstreit in der CDU", sagte Kühnert im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Er sprach von einem Kurswechsel, den Merz offensichtlich für seine CDU anstrebe - und den er auf eine "total brüchige Argumentation" aufbaue.
Kritik an Merz äußerte auch die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang in der ARD: "Erst reduziert er diese Partei auf eine bessere Alternative für Deutschland und jetzt baut er die Brandmauer - die ja selbst von der Union immer wieder beschworen wurde - ein kleines Stück ab."
Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann schrieb: "Die Kommunalpolitik ist die Wiege unserer Demokratie. Gerade hier darf Brandmauer zur antidemokratischen AfD nicht fallen. Denn sonst fällt sie in den 'gesetzgebenden Ebenen' erst recht."
Laut dem Linken-Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch bekommt eine Aufweichung der auch von Merz selbst immer wieder formulierten "Brandmauer" zwischen AfD und CDU nach dessen jüngsten Äußerungen "riesige Löcher. "Es ist eine Frage der Zeit, wann sie einstürzt", sagte Bartsch dem "Tagesspiegel".