Unterwegs mit der Bergwacht Wenn die Rettung aus der Luft kommt
Es muss kein Unfall passiert sein, wenn die Bergwacht gerufen wird. Oft ist schlicht Erschöpfung der Grund für den Notruf - so wie bei dem Einsatz, den Martin Breitkopf begleitet hat. Rettung aus der Luft war die einzige Option.
Einsatz für Rettungshubschrauber "Christoph Murnau" - es geht ein Notruf ein: "Zwei Jugendliche sind völlig entkräftet, sie schaffen es nicht mehr zur Zugspitze und es wird bald dunkel."
Das sei ein typischer Fall, meint Pilot Thomas Grauenhorst, als er die Rotoren anwirft. Oft fehle es nicht an Ausrüstung, sondern vielmehr an Erfahrung. Selbstüberschätzung sei einer der häufigsten Einsatzgründe. Viele würden sich an Touren im Internet orientieren. Doch umkehren, falls der Weg zu schwer wird, sei leider oft ein No-Go. Die Folge sind viele Einsätze für die Hubschraubercrew, die eigentlich vermeidbar wären.
Wenn es dunkel wird, muss abgebrochen werden
Die Sonne steht schon tief, als der Hubschrauber vom Unfallklinikum in Murnau abhebt. Die beiden jungen Bergsteiger sollen sich irgendwo beim Höllentalferner, zwischen Eis und Fels auf rund 2500 Meter Höhe befinden. Hanne Hornberger ist die Notärztin an Bord, sie wirkt angespannt. Bergeinsätze seien für alle im Team fordernd, erklärt sie. Alpines Gelände bringe viele Gefahren für die Helfer mit. Klar gehe ihr es um die optimale Versorgung, sagt die Ärztin. Doch am Fels oder in unwegsamen Gelände, spiele Eigensicherung auch eine wichtige Rolle.
Bevor es hoch zum Einsatzort geht, steigen noch zwei ehrenamtliche Helfer der Bergwacht Grainau zu. Sie kennen sich im Suchgebiet aus. Die Zeit drängt, denn wenn es dunkel wird, muss der Einsatz aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden. Die beiden Bergsteiger konnten über ein Handy Fotos von ihrem Standort senden. Das ist ein großes Glück, nicht überall ist so gutes Netz. Mit Hilfe dieser Aufnahmen können die Retter die beiden schnell orten. Landen ist jedoch unmöglich, daher kommt die Rettungswinde zum Einsatz.
Weil es schon später Nachmittag ist, müssen sich die Retter an der Zugspitze beeilen.
Mit "Rettungswindeln" in den Hubschrauber
Jetzt muss jeder Handgriff sitzen, denn nicht nur das Leben des zu Rettenden steht auf dem Spiel, sondern auch das des Retters. Eine Windenrettung ist Teamarbeit und jeder muss sich auf den anderen verlassen können: Der Pilot muss die Maschine möglichst stabil halten, der Windenoperator hat das Seil im Blick, auf keinen Fall dürfen zu große Schwingungen entstehen, und der Bergwachtler an der Winde muss die Ruhe bewahren, wenn er aus luftiger Höhe abgeseilt wird. Regelmäßig wird das geübt, aber ein realer Einsatz sei einfach nochmal etwas anderes, meint Christoph Hock, als er sich auf die Kufen des Hubschraubers stellt. Auch wenn er es schon zigmal gemacht habe, ein gewisses Risiko sei immer dabei.
Augenblicke später baumelt Hock am Seil, der Windenmotor springt an und der Operator steuert ihn sicher zu Boden. Unten angekommen trennt er sich vom Seil und sucht die beiden Bergsteiger auf. Keiner ist verletzt, darum bleibt die Notärztin im Helikopter. Den beiden werden "Rettungswindeln" angelegt - so heißt der Sack, mit dem zu Rettende am Seil befestigt werden. Zusammen mit dem Bergwachtler geht es dann auch schon wieder nach oben. Nur wenige Minuten später sind die beiden sicher an Bord und der Rettungshubschrauber dreht ab Richtung Tal.
80 Euro kostet jede Einsatzminute von "Christoph Murnau".
Der Notruf war die richtige Entscheidung...
Die beiden Bergsteiger haben noch immer wacklige Beine, als sie aus dem Hubschrauber steigen. Der 17-jährige David Specker ist einer der Geretteten, sein Gesicht ist bleich. Er wirkt erschöpft, aber glücklich. Sie seien viel zu spät auf die Tour gestartet, gesteht er - und dann habe ihn auch noch die Kraft verlassen.
Hoch zum Gipfel wäre es zwar nicht mehr weit gewesen, doch das letzte Stück mit Eis und Fels hätte es nochmal in sich gehabt und vor Einbruch der Dunkelheit hätten sie es nie geschafft. Christoph Hock von der Bergwacht Grainau bestätigt, der Notruf sei die einzig richtige Entscheidung gewesen, alles andere wäre lebensgefährlich geworden.
... doch zahlen müssen die Bergsportler selber
Da kein medizinischer Notfall vorlag, müssen die beiden die Rettung mit dem Hubschrauber selbst bezahlen. Wer glaube, eine ADAC-Mitgliedschaft würde für so einen Einsatz reichen, der täusche sich, so Pilot Grauenhorst. Letztlich brauche es eine spezielle Versicherung oder eine Mitgliedschaft im Deutschen Alpenverein, sonst könne schnelle ein Betrag von 5000 zusammenkommen. 80 Euro koste jede Einsatzminute, heißt es vom ADAC. Teures Lehrgeld auch für die beiden jungen Bergsteiger aus Lauingen.
Die Sonne ist schon untergegangen als "Christoph Murnau" zur Landung beim Unfallklinikum ansetzt. Nur ein Einsatz von vielen, meint Notärztin Hornberger. Letztlich plane ja niemand, sich von einem Rettungshubschrauber abholen zu lassen. Da spiele es für sie keine Rolle, ob das selbst verschuldet sei oder nicht, ihr gehe es darum, zu helfen, so die Notärztin. Und das werden sie auch morgen wieder - egal welcher Notruf sie erreicht.