9-Euro-Ticket-Bilanz Mit Rollstuhl oft chancenlos
Rollstuhlfahrer und Fahrgäste mit Kinderwagen sollten in der Bahn eigentlich Vorrang haben. Doch an Pfingsten hatten sie oft das Nachsehen, kritisiert der VdK. Die Bahn hingegen zog eine positive Bilanz der ersten 9-Euro-Ticket-Tage.
Nach ersten Erfahrungen mit dem 9-Euro-Ticket und teils überfüllten Regionalzügen am Pfingstwochenende haben Verbände scharfe Kritik geübt. Der Sozialverband VdK Deutschland appelliert an die Bahn, Fahrtakte zu erhöhen und mehr Züge einzusetzen. "Es muss außerdem mehr Stellplätze und Sitzplätze für mobilitätseingeschränkte Personen geben", sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
"Viele Menschen erlebten an Pfingsten komplett überfüllte Regionalzüge", betonte Bentele. Mobilitätsbeeinträchtigten Fahrgästen etwa mit Rollstuhl oder Rollator, aber auch Eltern mit Kinderwagen sei es teilweise unmöglich gewesen, in den Zug zu kommen und dort einen Stell- oder Sitzplatz zu finden.
Dabei hätten in der Bahn Rollstuhlfahrer und Fahrgäste mit Kinderwagen Vorrang, so die VdK-Präsidentin: "Alle, die wollen, müssen das Ticket auch nutzen können. Das ist nur jetzt nicht der Fall." Die Bahn müsse deshalb nun sofort handeln.
Bei überfüllten Zügen erste Klasse öffnen
Nach Ansicht von Linken-Chefin Janine Wissler sollte die Bahn in überfüllten Zügen die erste Klasse für alle Passagiere öffnen. Zudem solle kurzfristig alles getan werden, um die Kapazitäten zu erhöhen, etwa durch den Einsatz von Doppelstockwagen, sagte Wissler in einer ersten Bilanz zum 9-Euro-Ticket.
Mit dem Aktionsfahrschein sei es gelungen, dass mehr Menschen Bahn führen, und zwar auch solche, die dies sonst nicht täten, sagte Wissler. Die Menschen nähmen die günstigen Preise an. Die Überlastung vieler Bahnen sei allerdings nicht im 9-Euro-Ticket begründet, sondern in einer verfehlten Verkehrspolitik. Nötig sei die Reaktivierung von Bahnstrecken, weil dies schneller als Neubau sei.
Bahn mit weitgehend positiver Bilanz
An Pfingsten waren kurz nach dem Start des 9-Euro-Tickets viele Züge so voll, dass Passagiere nicht mehr einsteigen oder zumindest ihr Fahrrad nicht mitnehmen konnten. Trotzdem zog die Bahn eine weitgehend positive Bilanz des Wochenendes.
Innerhalb einer Woche konnte die Bahn - die nur eine von vielen Verkaufsstellen ist - die Anzahl der verkauften 9-Euro-Tickets verdoppeln. Allein sie verkaufte nach eigenen Angaben insgesamt 6,5 Millionen Tickets. "Mit 86.000 Zugfahrten ist bei DB Regio über das lange Wochenende alles gerollt, was rollen kann", erklärte der Vorsitzende der DB Regio, Jörg Sandvoß.
Das saisonal übliche hohe Verkehrsaufkommen am Pfingstwochenende sei durch das 9-Euro-Ticket "leicht verstärkt" worden, insgesamt sei der Verkehr jedoch "geregelt" abgelaufen. Regional sei es allerdings zu "Auslastungsspitzen" gekommen.
Fahrgastverband sieht Politik in der Pflicht
Der Fahrgastverband ProBahn sieht die Politik in der Pflicht: "Wir brauchen nicht nur ein Sondervermögen für die Bundeswehr, sondern auch ein Sondervermögen für den öffentlichen Verkehr", sagte der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland".
Das 9-Euro-Ticket kritisierte er als "Aktionismus, nachdem der Tankrabatt eingeführt wurde". Die hohe Nachfrage müsse nun insofern zu einem Umdenken in der Politik führen, als "dass man massiv in die Schiene investieren muss, dass man massiv die Kapazitäten und Strecken ausbauen muss, dass man neue Züge kaufen muss".
Verkehrsminister Volker Wissing sprach nach dem Pfingstwochenende von einer "insgesamt positiven Bilanz". "Der große Zuspruch zeigt: Die Leute wollen Bahn und Bus", erklärte er. Gemeinsam mit den Bundesländern würde das 9-Euro-Ticket genau evaluiert werden, "um daraus Schlüsse hinsichtlich Preis und Angebot im ÖPNV zu ziehen".