Weitere NSA-Spionage enthüllt Trittin kritisiert "duckende" Kanzlerin
Die Opposition kritisiert die US-Spionage gegen verbündete Staaten: Grünen-Fraktionschef Trittin schlug in der ARD eine Kündigung von Abkommen mit den USA vor. Zudem befürwortet er eine Aufnahme Snowdens in Europa. Inzwischen meldete sich auch Merkels Sprecher zu Wort.
Politiker in Deutschland haben enttäuscht und empört auf die neuesten Enthüllungen im NSA-Spionageskandal reagiert. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sprach sich im ARD-Morgenmagazin dafür aus, existierende Abkommen mit den USA über den Austausch von Bankdaten sowie von Fluggastdaten seitens der Europäischen Union aufzukündigen.
Auch über Freihandel werde man nur sprechen können, wenn klar sei, dass die Regeln eingehalten würden. So müsse das Betriebsgeheimnis gewahrt werden und dürfe nicht ausspioniert werden. "Die Amerikaner führen sich genauso auf, wie sie es den Chinesen vorwerfen", sagte Trittin. Er warf Kanzlerin Angela Merkel vor, sich "wegzuducken". Bei den Aktionen der NSA handele es sich um Spionage, auch um Wirtschaftsspionage, da müsse Merkel etwas tun. "Es geht um die Verteidigung unserer Wirtschaft und unserer Interessen."
Zuflucht für Snowden
Außerdem forderte Trittin einen Zufluchtsort für den Enthüller der Abhörpraktiken, Edward Snowden, in Westeuropa - zum Beispiel auch in Deutschland. Snowden habe einen massiven Angriff auf Bürger und Unternehmen in Europa offenbart. Es sei für die Demokratien eigentlich peinlich, "dass so jemand, der sich um die Demokratie ja verdient gemacht hat, der nach unserem Verständnis einen massiven Grundrechtsverstoß aufgedeckt hat, bei Despoten Unterschlupf finden muss, die selber mit den Grundrechten auf Kriegsfuß stehen", sagte Trittin.
Göring-Eckardt sieht Innenminister in der Pflicht
Eine Stellungnahme der Bundesregierung hatte auch Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt gefordert: Für Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich sei der Moment gekommen, "dass er sagen muss, wie man eigentlich die deutschen Bürgerinnen und Bürger vor so etwas bewahren kann".
Die Enthüllungen seien "unfassbar" und "absolut erschreckend". Im Europa-Parlament müsse es nun einen Untersuchungsausschuss geben, der das aufkläre.
Verstoß gegen Grundrechte
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, sieht in den neu bekannt gewordenen Abhöraktionen des US-Geheimdiensts NSA gar einen schweren Eingriff in die deutschen Grundrechte. Die USA müssten "restlos aufklären", forderte er in den "Ruhr Nachrichten". "Es ist beunruhigend, dass die US-Seite die Meldung nicht von sich gewiesen hat, sondern sich gar nicht äußert." Die Spionage könnte eine "sehr schwere Vertrauenskrise" zwischen Europa und den USA auslösen, fürchtet Schaar.
Vorgehen wie im Kalten Krieg
Aus der Bundesregierung äußerte sich das Bundesjustizministerin. "Es sprengt jede Vorstellung, dass unsere Freunde in den USA die Europäer als Feinde ansehen", sagte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie fühle sich "an das Vorgehen unter Feinden während des Kalten Krieges" erinnert.
Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach, sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Erklären kann ich mir das amerikanische Vorgehen nur vor dem Hintergrund des 11. September, weil ja die Terrorzelle in Deutschland gelebt hat." Dies sei aber weder eine Erklärung noch eine Rechtfertigung dafür, Daten zu speichern, die "ohne jede Sicherheitsrelevanz" seien.
Gespräch von Merkel mit Obama geplant
Regierungssprecher Steffen Seibert teilte am Vormittag in Berlin mit: "Abhören von Freunden, das ist inakzeptabel, das geht gar nicht, wir sind nicht mehr im Kalten Krieg." Die Bundesregierung habe der US-Regierung daher bereits am Wochenende ihr Befremden übermittelt und um Aufklärung der Vorwürfe gebeten, die in Medienberichten erhoben worden waren, so Seibert. Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama würden in absehbarer Zukunft über die Angelegenheit sprechen.
Merkel hatte sich in den vergangenen Tagen trotz der neuen Enthüllungen nicht persönlich geäußert. Während des Obama-Besuchs vor rund zwei Wochen - kurz nach den ersten Enthüllungen zur NSA-Spionage - hatte Merkel vor allem in sozialen Netzwerken für heitere und spöttische Reaktionen gesorgt, als sie das Internet als "Neuland" bezeichnete. Dort sei eine Balance nötig, um den Menschen gleichzeitig Sicherheit zu bieten, ihnen aber nicht ihre Unbeschwertheit beim Umgang mit den neuen Medien zu nehmen.