Özil und Gündogan Heftige Debatte um Treffen mit Erdogan
Das Treffen der Nationalspieler Özil und Gündogan sorgt für eine Kontroverse in Deutschland. Auch Bundestrainer Löw sagte, es sei "keine glückliche Aktion" gewesen.
Mit einer solch heftigen Reaktion hatten die deutschen Fußball-Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan sicher nicht gerechnet, als sie sich in London auf ein Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan einließen. Von Wahlkampfhilfe für den autokratisch regierenden Präsidenten war die Rede - am 24. Juni finden in der Türkei vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftwahlen statt. Seine Partei AKP twitterte mehrere Fotos von dem Treffen.
Auf Gündogans Trikot mit der Nummer acht stand: "Mit Respekt für meinen Präsidenten." Özil sendete einen Tweet, der ihn mit Tosun und Gündogan zeigt. "In guter Gesellschaft heute Abend", schrieb er dazu.
Gündogan erklärte sich später in einer Mitteilung. Mit dem Auftritt sei keine politische Botschaft verbunden gewesen. "Es war nicht unsere Absicht, mit diesem Bild ein politisches Statement abzugeben, geschweige denn Wahlkampf zu machen."
Kritik auch von Löw
Auch Bundestrainer Joachim Löw kritisierte die beiden. Man habe ihnen zu verstehen gegeben, dass dies "keine glückliche Aktion war", sagte Löw bei der Nominierung des vorläufigen Aufgebots für die Weltmeisterschaft, zu dem auch Özil und Gündogan gehören. "Wenn man für Deutschland spielt, vertritt man das Land und die deutschen Werte."
Löw sagte aber auch: Beide Spieler hätten viel für die Integration in Deutschland getan. Bei Menschen mit Migrationshintergrund schlügen oft zwei Herzen in der Brust. Man werde im Trainingslager über das Thema reden. Löw ergänzte, er habe keine Sekunde darüber nachgedacht, die beiden Spieler nicht zu nominieren.
Aussprache mit den Spielern
DFB-Präsident Reinhard Grindel twitterte, die Profis hätten sich für Wahlkampfmanöver missbrauchen lassen. "Der DFB respektiert und achtet selbstverständlich die besondere Situation unserer Spieler mit Migrationshintergrund. Aber der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdogan nicht hinreichend beachtet werden." DFB-Teammanager Oliver Bierhoff kündigte eine Aussprache mit den Spielern an.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, warf den beiden Fußballern in der "Passauer Neuen Presse" eine "schiefe Verbeugung vor Herrn Erdogan" vor. Diese sei "das Gegenteil" der DFB-Kampagne "Wir sind Vielfalt", die für mehr Toleranz und Respekt werbe, so die CDU-Politikerin.
"Jederzeit der Vorbildfunktion bewusst sein"
Die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, Dagmar Freitag, schloss sich Grindels Kritik an. "Diese Fotos lassen viele Interpretationen zu, auch solche, die von Özil und Gündogan möglicherweise nicht beabsichtigt waren", sagte sie der "Berliner Zeitung". Weiter sagte die SPD-Politikerin: "Mitglieder unserer Nationalmannschaften müssen sich jedoch jederzeit über ihre Vorbildfunktion im Klaren sein." Derartige Aktionen passten "weder zu unserem Wertesystem noch zu den Grundwerten des Sports in unserem Land".
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir hatte bereits gestern gesagt: "Der Bundespräsident eines deutschen Nationalspielers heißt Frank-Walter Steinmeier, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und das Parlament heißt Deutscher Bundestag."
Roth: "Doppelbödige Debatte"
Aus den Reihen der Grünen waren aber auch andere Töne zu hören. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth sagte zwar, sie hätte sich sehr gewünscht, dass sich die Spieler nicht für einen Wahlkampf von Herrn Erdogan einspannen lassen. Auch hätte sie es schön gefunden, wenn sich beide mit dem deutsch-kurdischen Spieler Deniz Naki solidarisiert hätten, der in der Türkei verfolgt worden sei.
Zugleich kritisierte Roth aber die Debatte und verwies auf das Verhalten von Politikern: So habe Kanzlerin Angela Merkel vor zwei Jahren "de facto Wahlkampf für Herrn Erdogan" gemacht. "Jetzt wollen wir mal wirklich auf dem Boden bleiben. Wo ist eigentlich die große Empörung, dass sich Altkanzler Gerhard Schröder in der allerersten Reihe bei Putins Vereidigung befindet, dass Herr Seehofer eng mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban befreundet ist."
Die Bundesregierung liefere "ungebrochen Rüstungsgüter und Waffen in die Türkei. Sie kritisiert den Angriff auf Afrin nicht, macht einen Flüchtlingsdeal mit Erdogan." Jetzt würden die Spieler "an die Wand gestellt. Das finde ich ziemlich doppelbödig."
"Nicht Teil unserer Kampagne"
Der türkische Fußballverband beteuerte, dass das Treffen mit Erdogan keine Wahlkampfaktion gewesen sei. "Ich muss klarstellen, dass sie nicht Teil unserer Kampagne sind", sagte der Vizepräsident des Verbandes TFF, Servet Yardimci. "Wir müssen fair sein, es gibt keinerlei Absicht, sie einzubeziehen, weil es uns ohnehin gutgeht."
Özil und Gündogan seien Türken, die aber für die deutsche Nationalmannschaft spielten.