Bundestagswahlkampf in Baden-Württemberg AfD verteilt "Abschiebetickets"
Die AfD Karlsruhe sorgt mit einer Wahlkampf-Aktion für Diskussionen. Offenbar sind bei Menschen mit Migrationshintergrund "Abschiebetickets" in die Briefkästen geworfen worden. Nun ermittelt die Kriminalpolizei.
Eine Wahlkampf-Aktion der AfD Karlsruhe sorgt seit dem Wochenende für Wirbel. In Karlsruhe sollen Menschen mit Migrationshintergrund Flugtickets mit der Aufschrift "Abschiebetickets" im Briefkasten gefunden haben. Diese Flyer sind auf der Internetseite der AfD Karlsruhe zu finden und waren offenbar auf dem Bundesparteitag in Riesa in Sachsen am Wochenende bei regionalen Parteimitgliedern aufgetaucht. Die Kriminalpolizei teilte dem SWR mit, dass sie Ermittlungen aufgenommen habe.
Auf der Internetseite der AfD Karlsruhe hat die Partei das Ticket als Werbematerial zur Bundestagswahl veröffentlicht
"Abschiebetickets" führen mit QR-Code zur AfD Karlsruhe
Die in Karlsruhe aufgetauchten Flyer sind mit einem QR-Code versehen, der auf die Internetseite der AfD Karlsruhe verlinkt ist. Ob sie gezielt an Menschen mit Migrationsgeschichte verteilt wurden und wie viele Betroffene es überhaupt gibt, bleibt unklar.
Die Ettlinger Grünen-Politikerin Beate Hoeft hatte auf Instagram auf die Flyer hingewiesen und steht eigenen Angaben zufolge auch in Kontakt mit einer betroffenen Familie.
Social-Media-Beitrag auf Instagram: "Abschiebetickets" der AfD in Briefkästen
In einer Pressemitteilung verweist die AfD Karlsruhe auf das eigene Parteiprogramm. Im Gespräch mit dem SWR hatte der AfD-Stadtrat Oliver Schnell zuvor angemerkt, dass in der Diskussion um das "Abschiebeticket" bisher nur die Vorderseite besprochen wurde und nicht die Rückseite mit den seiner Meinung nach gesetzeskonformen politischen Forderungen.
Der Karlsruher AfD-Bundestagsabgeordnete Marc Bernhard hat die Verteilaktion bestätigt. Es seien 20.000-30.000 Flyer gedruckt worden. Demnach würden sie an Wahlkampfständen verteilt und in Briefkästen geworfen. Es würde aber nicht gezielt nach ausländisch klingenden Namen an Briefkästen gesucht. Bernhard sprach gegenüber dem SWR von einer Wahlwerbung für alle.
Karlsruhes Oberbürgermeister und Junge Union kritisieren AfD-Wahlkampfaktion scharf
Der Oberbürgermeister von Karlsruhe, Frank Mentrup (SPD), übte scharfe Kritik an der Wahlkampf-Aktion der Karlsruher AfD. Gegenüber dem SWR sagte er, dass mit der Aktion eine Grenze überschritten werde und sie den Zusammenhalt in der Gesellschaft gefährde.
Auf dieses Angstrauschen, das im vergangenen Jahr lauter geworden ist, [...] dann im Briefkasten solche Zettel zu finden, verstärkt noch mal ein Unsicherheits- und Angstgefühl. Frank Mentrup (SPD), Oberbürgermeister Karlsruhe
Die Aktion könne Angst auslösen und das sollte nicht Teil des Wahlkampfs sein, so Mentrup weiter.
Die Junge Union Karlsruhe-Stadt drückte in einer Mitteilung ihr Entsetzen über die Aktion aus. Diese Wahlkampfmaßnahme sei unmenschlich und unanständig und vergifte das politische und gesellschaftliche Klima in Deutschland, betonte Bundestagskandidat Tobias Bunk. So etwas mache man nicht.
Kriminalpolizei ermittelt wegen Volksverhetzung
Gegenüber dem SWR teilte die Polizei mit, dass sie auf den Social Media Post hingewiesen wurde. Daraufhin habe die Kriminalpolizei die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung aufgenommen. Es würden Informationen gesammelt und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Es werde derzeit nicht gegen einen bestimmten Beschuldigten ermittelt, so ein Sprecher der Polizei. Anzeigen seien bislang noch nicht eingegangen (Stand Dienstagvormittag).
Rolf Frankenberger vom Tübinger Institut für Rechtsextremismusforschung (IRex) sagte gegenüber dem SWR, die AfD bediene sich mit den "Abschiebetickets" einem bekannten Muster. "Wir kennen das aus 1933 und auch früher schon, dass eben auch hier wieder jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger mit solchen Tickets verhöhnt und ausgestoßen wurden", erklärt Frankenberger. Auch die mittlerweile per Gerichtsbeschluss von der Parteienfinanzierung ausgeschlossene ehemalige NPD (neuer Name "Die Heimat") sei mehrfach mit ähnlichen Aktionen aufgefallen. So etwa in Berlin 2011 und in Ostdeutschland in den Jahren 2013 und 2015, so Frankenberger.
Rolf Frankenberger ist Politologe und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Tübinger Institut für Rechtsextremismusforschung (IRex).
AfD Kreisverband Göppingen warb auch mit "Abschiebeticket" für Parteiprogramm
In Göppingen machte der AfD-Kreisverband ebenfalls Werbung mit den Flugticket-Flyern. Auf der Social-Media-Plattform Facebook war ein entsprechender Post vom vergangenen Samstag zu finden, der am Montag gelöscht wurde.
Vom Co-Vorsitzenden des AfD-Landesverbands Baden-Württemberg, Markus Frohnmaier, heißt es auf SWR-Anfrage, dass er "die kreativen Aktionen der Kreisverbände unterstütze". Es sei ein wichtiges Anliegen, dass die fast eine Million Syrer in Deutschland nach dem Fall des Assad-Regimes rückgeführt würden. Das sei die Umsetzung geltenden Rechts.
Linke Karlsruhe will Anzeige erstatten und fordert Ausgrenzung der AfD
Der Karlsruher Bundestagskandidat der Partei Die Linke, Marcel Bauer, kritisiert die Aktion der AfD Karlsruhe scharf. Die Aktion müsse Konsequenzen haben. Er kündigt an, Anzeige erstatten zu wollen.
Die AfD betreibt mit faschistischen Methoden Volksverhetzung. Diese Bedrohung gegen unsere Mitbürger*innen muss Konsequenzen haben. Marcel Bauer, Bundestagskandidat Die Linke Karlsruhe
Der normalisierende Umgang mit dieser menschenverachtenden Partei müsse ein Ende finden. Die Linke Karlsruhe stelle sich dem entschieden entgegen und wolle es nicht zulassen, dass die AfD ein Klima der Angst schaffe, so Bauer weiter.
Sendung am Mo., 13.1.2025 12:00 Uhr, SWR1 Baden-Württemberg, SWR1 Baden-Württemberg