Baden-Württemberg Nach Schüssen in Stuttgart: Verteidigung fordert Einstellung des Prozesses
Bei Schüssen in Stuttgart-Zuffenhausen ist im März 2023 ein Mann schwer verletzt worden. Er ist seitdem querschnittsgelähmt. Nun stehen mehrere mutmaßliche Täter vor Gericht.
Zum Auftakt des Prozesses wegen versuchten Mordes am Montagvormittag im Stuttgarter Landgericht hat die Verteidigung massive Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden erhoben und die Einstellung des Verfahrens gefordert. Angeklagt sind drei Männer. Zwei von ihnen wird vorgeworfen, einen 34 Jahre alten Mann im Frühjahr vor einem Jahr vor einer Pizzeria in Stuttgart-Zuffenhausen angeschossen und schwer verletzt zu haben. Ein weiterer Angeklagter soll die Schusswaffe entsorgt haben.
Verteidigung: Zu umfangreiche Abhörmaßnahmen während der U-Haft
Die Ermittlungsbehörden seien zu weit gegangen, so der Vorwurf der Verteidigung beim Prozessauftakt. So habe es beispielsweise zu umfangreiche Abhörmaßnahmen während der Untersuchungshaft gegeben. Die dabei erlangten Erkenntnisse dürften nicht vor Gericht genutzt werden, so die Forderung der Verteidigung. Der Prozess wurde am Montagvormittag unterbrochen. Ob der Prozess wie von der Verteidigung eingestellt wird, entscheidet sich am kommenden Montag. Die Angeklagten hatten sich am ersten Prozesstag nicht geäußert.
Der Tatvorwurf lautet versuchter Mord. Die Staatsanwaltschaft wirft zwei der Angeklagten vor, auf das 34-jährige Opfer geschossen zu haben, um es zu töten. Das Opfer sei von dem Angriff überrascht worden und habe keine Möglichkeit mehr zur Gegenwehr gehabt, sagte der Staatsanwalt bei der Verlesung der Anklage. Laut Gericht erlitt der Mann, der eine Führungsfigur innerhalb seiner Gruppierung sein soll, eine dauerhafte Querschnittslähmung.
Die Angreifer sollen einer Gruppierung aus dem Raum Esslingen angehören, die sich seit Jahren in gewaltsamer Auseinandersetzung mit einer Gruppierung aus Zuffenhausen befindet. Immer wieder waren zwischen den beiden verfeindeten Gruppierungen Schüsse gefallen. Die Gewalt zwischen den beiden Lagern war mit dem Wurf einer Handgranate im Sommer 2023 in Altbach (Kreis Esslingen) eskaliert.
Bei der Gewaltserie in der Region Stuttgart geht es laut LKA vor allem um Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppierungen - und dabei um Ehrverletzungen, territoriale Machtansprüche und das Motto "Crime as a Lifestyle" ("Verbrechen als Lebensstil"). Mehr als 500 junge Menschen sollen als Unterstützer, Mitläufer oder auch Führungspersonal Teil der Gruppierungen sein, so das LKA in einer früheren Schätzung. "Die Aussagebereitschaft tendiert gegen null", sagte der Präsident des LKA, Andreas Stenger, kürzlich im Innenausschuss des baden-württembergischen Landtags in Stuttgart. Aus seiner Sicht handelt es sich nicht um familiäre Clans oder um klassische Bandenkriminalität, sondern um ein neues und vorerst auch nicht einfach aus der Welt zu schaffendes Phänomen, das auf Dauer auch im LKA in einem gesonderten Bereich beobachtet werden muss.
Sendung am Mo., 28.10.2024 18:00 Uhr, SWR Aktuell Baden-Württemberg, SWR BW