
Baden-Württemberg Parteimitglieder fordern SPD in offenem Brief zu Erneuerung auf
Die SPD hat bei der Bundestagswahl so schlecht wie noch nie abgeschnitten. Rund 300 Mitglieder fordern in einem offenen Brief die Parteispitze auf zu handeln. Drei der fünf Initiatoren kommen aus BW.
"Wir müssen reden." Was so anfängt, endet meist in einem Krisengespräch. Und so beginnt der offene Brief von SPD-Mitgliedern an ihre Partei. Platz drei am Wahlabend - hinter "einer rechtsextremen Partei". Das sei nicht nur ein dunkler Tag für die Sozialdemokratie, sondern auch ein bedrückender Tag für die Demokratie, analysieren die Autorinnen und Autoren des Schreibens.
Drei SPD-Initiatoren kommen aus BW
Der offene Brief geht auf fünf Parteimitglieder zurück, drei davon stammen aus Baden-Württemberg, zwei andere aus Berlin und Nordrhein-Westfalen. Der bekannteste von ihnen ist wohl Dario Schramm, der ehemalige Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz.
Teil dieses Teams ist Annalena Wirth, SPD-Frau aus Mannheim. Noch habe niemand aus der Parteispitze darauf reagiert, sagt sie. Doch die Zahl der Unterzeichner wächst, seit der Brief am Montag online gestellt wurde. Inzwischen sind es mehr als 300 Unterschriften.
Parallel dazu hat die Gruppe einen Social-Media-Account gestartet - für die "SPD2029". Inzwischen hat er knapp 900 Follower. Viele der Follower und Unterzeichner gehören zum jüngeren Teil der Partei und können sich nicht mit dem identifizieren, was die Parteispitze treibt. Der offene Brief ist aber keine Aktion der Jusos.
300 Mitglieder der SPD fordern mehr linke Politik
2029 steht die nächste Bundestagswahl an. Für die SPD geht es dann um nicht weniger als das politische Überleben. Der Aussicht auf eine schwarz-rote Bundesregierung begegnen viele mit gemischten Gefühlen.
Bis dahin, fordern die Initiatoren, solle die Partei ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten für eine "sozialdemokratische Vision". Man müsse sich rückbesinnen auf sozialdemokratische Themen und Werte: Wohnraum, Bildungschancen, gestiegene Preise, soziale Sicherheit und Klimawandel.
Initiatoren des Briefs stören sich am Ton des Wahlkampfes
Dass linke Politik ankomme, erzählt ein Parteimitglied aus dem Rhein-Neckar-Raum, habe die Partei Die Linke bei der Wahl eindrucksvoll bewiesen. Die erzielte nach einem überraschendem Wahlkampfendspurt schließlich 8,8 Prozent der Stimmen.
Die Initiatoren des Briefes stören sich auch am Ton des zurückliegenden Wahlkampfes. Man habe sich zu sehr von den Forderungen von AfD und Union treiben lassen. Es sei ein "Überbietungswettbewerb" entstanden, wer am härtesten gegen Migration vorgehe. Menschen mit Migrationsgeschichte seien unter Generalverdacht gestellt worden.
Esken und Klingbeil bei SPD-Mitgliedern umstritten
Was auffällt: Der Brief fordert keinen Personalaustausch. Saskia Esken (Calw) und Lars Klingbeil führen die SPD weiter an. Klingbeil, der selbst einen Neuanfang forderte, ist nun auch noch Vorsitzender der Bundestagsfraktion. Das ist an der Parteibasis in Baden-Württemberg umstritten. Einerseits mache Klingbeil eine gute Figur, heißt es. Andererseits sei es nicht glaubwürdig, einen Neuanfang zu fordern und mit dem gleichen Personal weiter zu machen.
Doch vor der Bürgerschaftswahl am kommenden Sonntag in Hamburg Personal auszutauschen, sei auch nicht klug, sagen beispielsweise SPD-Mitglieder aus dem Ostalbkreis oder Heidenheim.
Aussicht auf Schwarz-Rot begeistert nicht
Die Sozialdemokraten stehen vor einer Zerreißprobe. Einerseits wollen sie mehr Haltung und Profil zeigen, um sich nicht selbst in Luft aufzulösen. Anderseits dürfte das in einer Koalition mit der Union unter Friedrich Merz schwierig werden. Gleichzeitig ist der Druck groß, der Demokratie keinen weiteren Schaden zuzufügen, indem man sich einer Koalition mit der Union verweigert. Das einzige andere - rechnerisch - mögliche Zweierbündnis bestünde aus Union und AfD.
Die Sorge, in der SPD zum Steigbügelhalter für die Union zu werden, ist spürbar. "Wir dürfen uns in Koalitionsverhandlungen nicht über den Tisch ziehen lassen", sagt ein Basis-Mitglied.
Co-Parteichef Klingbeil hat angekündigt, am Ende die SPD-Mitglieder per Entscheid über eine Koalition mit der Union abstimmen zu lassen. Wie diese Abstimmung ausgehen könnte, ist offen. Die Antwort auf diese Frage lautet aus vielen Ortsvereinen in Baden-Württemberg: Das komme allein auf den Koalitionsvertrag an. Der müsse wieder mehr Sozialdemokratie enthalten.
Sendung am Do., 27.2.2025 17:00 Uhr, SWR1 BW Nachrichten