Bayern Bauernproteste: Was Bayerns Städte erwartet
Die Ampel-Änderungen bei den Sparplänen konnten sie nicht besänftigen, nun machen Landwirte ernst: Ab Montag wollen Bauernverbände gegen die Agrarpolitik protestieren. Bayerischen Städten droht ein Verkehrschaos. Auch Schulen bereiten sich vor.
Landwirte bereiten gemeinsam mit anderen Branchen massive Proteste vor. Trotz eines Kompromissangebots der Bundesregierung soll es in der kommenden Woche zu flächendeckenden Bauernprotesten in Bayern und bundesweit kommen. Polizei und Behörden rechnen mit starken Verkehrsbeeinträchtigungen, es werden Straßenblockaden und weitere Aktionen mit Treckern und anderem landwirtschaftlichen Gerät erwartet.
Die Bundesregierung hatte bereits eingelenkt und will die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge beibehalten, die Abschaffung der Agrardiesel-Vergünstigung soll dagegen bleiben, wenn auch auf drei Jahre gestreckt. Der Bayerische Bauernverband hatte die Berliner Vorschläge am Donnerstag jedoch als "indiskutabel" abgelehnt. Auch der Verband "Landwirtschaft verbindet Bayern" will geplante Demonstrationen nicht stoppen.
Bayerischer Bauernpräsident: Stillstand im Straßenverkehr nicht das Ziel
Bayerns Innenminister und der Vorsitzende des bayerischen Bauernverbandes riefen gemeinsam zu einem friedlichen Verlauf der geplanten Veranstaltungen auf. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) appellierte an die Bauern und ihre Unterstützer, sich an Recht und Gesetz zu halten. Bauernpräsident Günther Felßner betonte, man sei bei der Vorbereitung der Aktionen in kooperativem Austausch mit der Polizei. "Wir wollen unsere berechtigten Forderungen auf der Grundlage unseres Gesetzes und mit unseren Behörden, mit unserer Polizei zusammen in sauberen Aktionen umsetzen", formulierte er bei BR24 am Freitag. Es sei nicht das Ziel, den Straßenverkehr zum Stillstand zu bringen, doch bitte er um Verständnis, wenn es stellenweise zu Verkehrsbeeinträchtigungen kommen werde.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, lud rechte Gruppierungen von den geplanten Demonstrationen ausdrücklich aus.
Neben Bauern wollen auch Bäcker, Metzger und Müller protestieren
Ab Montag sind laut Herrmann in Bayern 208 Versammlungen mit Tausenden Traktoren angemeldet. Er betonte, bei den Sternfahrten zu den Großkundgebungen in München, Augsburg und Nürnberg dürfe es keine "totale Verkehrsblockaden" geben und Rettungskräfte müssten "jederzeit durchkommen können".
An den Protesten wollen sich zudem andere Branchen beteiligen. Etwa Bäcker, Metzger und Müller haben laut bayerischem Handwerkstag ihre Unterstützung der Auftaktdemonstration am Montag in München angekündigt. Auch der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung will sich den Protesten anschließen. Felßner hatte nach eigenen Angaben nicht damit gerechnet, dass sich so viele andere Gewerke anschließen würden. In einem BR-Interview am Sonntag sagte er, wenn man ins Land blicke, werde die Solidarität jedoch verständlich. Die Gastronomen haderten mit der 19-prozentigen Mehrwertsteuer, die Spediteure mit höherer Maut und der CO₂-Abgabe. Felßner sieht die Landwirte als Spitze dieser Bewegung.
Polizeigewerkschaft befürchtet massive Überlastung
Thorsten Grimm, der stellvertretende Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Bayern, befürchtete eine massive Überlastung der Polizei: "Viele Aktionen schießen da nicht nur rechtlich weit übers Ziel hinaus, sie stellen in Teilen auch Verkehrsgefährdungen sowie Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar." Grimm sagte weiter: "Die Polizei schützt mit starken Einsatzkräften bayern- und bundesweit die Versammlungen und damit das Grundgesetz, was uns nächste Woche an die absolute Belastungsgrenze bringen wird".
Grimm betonte, dass das nur mit Genehmigungen funktionieren könne und dort seine Grenzen habe, wo es zu einer Gefährdung der Allgemeinheit kommt. "Großflächige Verkehrsgefährdungen auf Deutschlands Autobahnen sind hier nicht grundgesetzlich geschützt", stellt der Vizechef der DPolG in Bayern klar.
Wo unter anderem Proteste geplant sind
Für die Aktionswoche befürchten einige Kommunen große Auswirkungen, etwa durch Blockaden von Autobahnauffahrten oder Bundesstraßen. In den meisten bayerischen Städten dürfte es am Montag zu Verkehrsproblemen kommen. Auch Linien- und Stadtbusse könnten im Stau stecken bleiben. Die angespannte Verkehrslage wird vermutlich den ganzen Tag andauern, weil die Bauern am Nachmittag und abends wieder zurückfahren, so die Behörden.
In München wollen mehrere tausend Landwirte auf dem Odeonsplatz protestieren. Die Münchner Polizei empfiehlt, am Montag auf Autofahrten zu verzichten. Der Bayerische Bauernverband geht von 5.000 bis 8.000 Menschen aus, die sich am Vormittag auf dem Odeonsplatz versammeln werden, gerechnet wird mit bis zu 2.000 Fahrzeugen.
Wie die Stadt Ingolstadt mitteilte, beteiligen sich allein in der Region Ingolstadt bis zu 2.000 Traktoren und Lastwagen an diversen Protestfahrten und Korsos. Das trifft auch das Stadtgebiet Ingolstadt und den öffentlichen Nahverkehr.
In Nürnberg ist Autofahren am Montag womöglich auch keine gute Idee. Allein in der Frankenmetropole sind drei Demonstrationsfahrten angemeldet. Zudem rechnen die Verantwortlichen im Rathaus mit weiteren, unangemeldeten Blockaden und Störaktionen.
In Augsburg warnt die Polizei am Montag ebenfalls vor massiven Staus, wenn der Demonstrationszug gegen Mittag die Innenstadt erreicht.
Auch in Aichach, Bayreuth, Coburg, Wunsiedel, Bamberg, Memmingen, Regensburg, Landshut, Straubing, Passau, Würzburg sowie im Raum Kitzingen, Donau-Ries und im Allgäu sind weitreichende Proteste geplant.
Im Raum Aschaffenburg ist die A3 einer der Schwerpunkte. Mit Traktoren wollen die Landwirte alle Auffahrten blockieren. Die Verantwortlichen des Klinikum Aschaffenburg-Alzenau befürchten, dass die Aktionen Auswirkungen auf den Klinik-Betrieb haben werden. Menschen, die am Montag einen Termin im Klinikum haben, sollten ihre Anreise vorher planen und sich Ausweich-Routen überlegen. Termine bleiben laut dem Krankenhaus bestehen – wenn möglich –, aber es kann Verzögerungen geben.
Anmeldung als "sich fortbewegende Versammlung"
Die Anfahrten sind in der Regel bereits als "sich fortbewegende Versammlung" angemeldet, etwaige Verkehrsbehinderungen allein durch die Anfahrt wären daher nicht strafbar. In sozialen Netzwerken wurden mehrfach nicht angemeldete Blockadeaktionen von Verkehrswegen in Bayern angekündigt. Diese würden nicht toleriert und strafrechtlich verfolgt werden, heißt es aus dem Innenministerium und den Polizeipräsidien.
Bauernproteste erschweren womöglich Fahrten zur Schule
Durch die Verkehrsbeeinträchtigungen dürfte auch der Schulbetrieb betroffen sein. Dazu hieß es aus dem Kultusministerium, dass Schülerinnen und Schüler, die wegen Ausfällen im öffentlichen Nahverkehr nicht zur Schule kommen, als entschuldigt gelten. Dies müsse aber ähnlich einer Krankmeldung der jeweiligen Schule mitgeteilt werden.
Je nach Situation vor Ort seien im Einzelfall auch andere Maßnahmen möglich, etwa Distanzunterricht. Eine landesweite Regelung bestehe nicht. Das Kultusministerium geht aber davon aus, dass einzelne Schulen davon Gebrauch machen.
Das Bayreuther Markgräfin-Wilhelmine-Gymnasium beispielsweise hatte sich schon entschieden und wechselt vorsorglich auf Distanzunterricht. Das teilte die Schule in einem Elternbrief mit, der dem BR vorliegt. Der Grund: Am Montag soll auf dem Volksfestplatz, der in unmittelbarer Nähe der Schule ist, eine zentrale Kundgebung der Landwirte stattfinden.
Mit Informationen von Henning Pfeifer, Vera Held, Susanne Pfaller, Anja Bischof, Kristina Kreutzer, Stanislaus Kossakowski, Julia Kuhles, Beate Mangold, Christiane Scherm, Gisela Staiger und dpa sowie AFP
Im Video: Bauernpräsident Felßner im BR24-Interview am Freitagabend
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Quelle: BR24 im Radio 07.01.2024 - 15:30 Uhr