Bayern Versäumnisse beim Hochwasserschutz – rächt sich das?
Während an vielen Orten noch gegen das Hochwasser gekämpft wird, macht sich inzwischen auch Ärger breit. Einige Bürgermeister bemängeln Lücken im Hochwasserschutz. Von den neun geplanten Flutpoldern sind acht noch nicht mal im Bau.
Die Rodinger Bürgermeisterin Alexandra Riedl prüft eine Schadensersatzklage. Und zwar nicht gegen irgendwen. Sie ist sauer auf das zuständige Wasserwirtschaftsamt in Regensburg. Auch ihrem Parteikollegen, dem bayerischen Freie Wähler-Umweltminister Thorsten Glauber, hat sie viele Briefe geschrieben, erzählt sie. Vergeblich! Seinem Ministerium unterstehen die Wasserwirtschaftsämter.
Bürgermeisterin macht sich Sorgen um Anwohner
Was Alexandra Riedl in Aufruhr bringt: Eine bereits zugesagte Hochwasser-Schutzmauer am Regen wurde zurückgestellt. Der Grund: Geldmangel beim Freistaat. Obwohl die Stadt Roding schon mit hohen Geldbeträgen in Vorleistung gegangen ist, um die Maßnahme überhaupt ermöglichen zu können, so Riedl. Sie fürchtet jetzt nicht nur, auf den Kosten sitzenzubleiben, sondern sie hat auch Angst vor dem Hochwasser. Auch wenn die Rodinger bisher den Fluss mit Sandsäcken in Zaum halten konnten und nur der Volksfestplatz überflutet wurde - es sei nicht klar, ob man weiterhin mit einem blauen Auge davon kommen werde.
Wegen fehlender Finanzmittel wurden mehrere Projekte gestoppt
Tatsächlich wurden wegen Engpässen im Haushalt wichtige Hochwasserschutzprojekte gestoppt, nicht nur in Roding. Diese Woche beginnen im Bayerischen Landtag die Haushaltsverhandlungen für 2024 und 2025. Ob die Rodinger Bürgermeisterin sich Hoffnungen auf den Bau der Hochwassermauer machen darf, bleibt weiter unklar. Das Umweltministerium weist Kritik aber zurück. Hochwasserschutz habe höchste Priorität: "Seit Beginn der Hochwasserschutzprogramme im Jahr 2001 wurden bereits über vier Milliarden Euro in den Hochwasserschutz in Bayern investiert. Bis Ende 2030 sollen im laufenden Gewässer-Aktionsprogramm insgesamt weitere zwei Milliarden Euro in Hochwasserschutzmaßnahmen investiert werden."
Städtetag: Wille sinkt ziemlich schnell, je länger ein Hochwasser zurückliegt
Kritik an mangelndem Hochwasserschutz kommt aber nicht nur aus Roding. Auch Straubings Oberbürgermeister Markus Pannermayr (CSU), der auch Vorsitzender des Bayerischen Städtetags ist, klagt in einem Facebook-Post, dass der Hochwasserschutz an der Donau immer noch nicht realisiert ist. Deshalb müssten die Straubinger wie 2013 erneut ein umfassendes Provisorium von "Big Bags", also riesigen Sandsäcken errichten. Der Bayerische Städtetag fordert mehr Kontinuität beim Hochwasserschutz. "Leider zeigt die Erfahrung, dass kurz nach Flutkatastrophen der Wille zum Handeln und die Bereitschaft zur Finanzierung von Maßnahmen hoch sind. Allerdings sinkt der Wille ziemlich schnell wieder, je länger ein Hochwasser-Ereignis zurückliegt." Auch eine verlässliche Finanzierung sei notwendig.
Von neun geplanten Flut-Poldern ist erst einer gebaut
Kritik an der Bayerischen Staatsregierung, allen voran am Freie-Wähler-Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, gibt es auch, weil von neun geplanten Flut-Poldern bisher erst einer gebaut ist. Hubert Aiwanger wollte 2018 die Flutpolder in den Landkreisen Neuburg-Schrobenhausen und Regensburg verhindern. Inzwischen hat er seinen Widerstand gegen die Polder aufgegeben. Ob beim aktuellen Hochwasser solche Polder - wären sie denn fertig - wirklich eingesetzt würden, ist umstritten. Schließlich ist der Schaden für die Landwirtschaft groß.
Grüne: Wenn jemand Hochwasserschutz verzögert hat, dann war es Hubert Aiwanger
Für Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, ist klar, dass Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger den Hochwasserschutz ausgebremst hat: "Wenn ich an Hubert Aiwanger denke, denke ich an einen Mann, der in den letzten Jahren nicht durch Hochwasserschutzmaßnahmen aufgefallen ist, sondern viel mehr Hochwasserschutzmaßnahmen sabotiert hat." Die Grünen hätten im Bayerischen Landtag Vorschläge gemacht für den technischen Hochwasserschutz mit Poldern, aber auch für den ökologischen Hochwasserschutz. Es ging um eine Renaturierung von Mooren und Seen vorsieht. Allerdings seien sie an der schwarz-orangen Regierungskoalition gescheitert.
Auch AfD und SPD sehen Versäumnisse der Staatsregierung
Auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, Florian von Brunn, kritisiert, dass Hubert Aiwanger und die Freien Wähler den Ausbau von Poldern um drei Jahre verzögert haben, das müsse man diskutieren. Allerdings nicht jetzt. Jetzt gehe es darum, den Menschen akut in der Hochwassersituation zu helfen.
Bei der AfD sieht man es ähnlich. Der innenpolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, Richard Graupner, erklärt BR24 gegenüber, dass es bedenkliche Lücken im Hochwasserschutz gebe: "Der Auf- und Ausbau eines flächendeckendes Poldersystems im Donaugebiet zum Beispiel, wie er von der AfD-Fraktion gefordert wird und auch von der Staatsregierung noch 2018 angekündigt wurde, hat sich immer wieder verzögert." Man wolle jetzt mit diesem Thema und der Not der Menschen in den betroffenen Hochwassergebieten aber nicht parteipolitisch punkten.
Aiwanger verteidigt sich gegen Kritik
Aiwanger selbst reagiert auf die Kritik mit Unverständnis. Er habe nichts verzögert, sondern nur diskutiert, ob die Polder in dieser Form nötig seien. Außerdem habe man in den letzten Jahren viel gemacht. Immer wieder gebe es aber Verzögerungen, weil man durch die "juristischen Mühlen" müsse. Schließlich redeten Grundbesitzer, Kommunen, Land, Bund und Europa mit.
Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) betont bei einem Besuch im Hochwassergebiet, man habe in den letzten Jahren Milliardenbeträge in den Hochwasserschutz investiert. Es gebe aber keine Vollkaskoversicherung gegen den Klimawandel. Die Aufarbeitung des Hochwassers wird noch eine längere politische Debatte nach sich ziehen. Selbst Abgeordnete von CSU und Freien Wählern fordern jetzt einen Bericht der Staatsregierung zu Ursachen, Auswirkungen und Schlussfolgerungen aus diesem Extremwetterereignis.
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Quelle: radioWelt 03.06.2024 - 06:00 Uhr