Berlin Milliarden-Defizit im Berliner Haushalt: Die Verwaltung lebt weiter auf großem Fuß und zu viel Platz
Berlin geht das Geld aus und deshalb sollen die Landesbediensteten enger zusammenrücken. Schon vor einem Jahr kündigte die schwarz-rote Koalition an, dass die Verwaltung ihre Flächen optimieren soll. Fortschritte sind seitdem kaum messbar. Von Jan Menzel
Wenn es so etwas wie ein Kraftzentrum in der Berliner Politik gibt, dann ist es der mächtige Hauptausschuss des Parlaments. Hier wird der Landeshaushalt in legendären Nachtsitzungen beschlossen, hier werden Ausgaben bewilligt oder abgelehnt und hier ist nun die Verärgerung groß, dass es kaum Fortschritte gibt, die Kosten für Ämter, Dienststellen und angemietete Immobilien des Landes spürbar zu reduzieren.
"Da haben einige wohl noch nicht den Ernst der Lage verstanden", zürnt der haushaltpolitische Sprecher der Grünen André Schulze mit Blick auf das, was Haupt- und Bezirksverwaltungen dem Parlament bisher an Flächenoptimierung vorgelegt haben. Es sei bestenfalls etwas angestoßen worden, findet CDU-Finanzexperte Christian Goiny und stellt klar: "Da muss noch mehr passieren!"
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Berlins Verwaltung hat zu viel Platz
Linken-Haushaltspolitiker Sebastian Schlüsselburg kritisiert, dass der Senat nur im Schneckentempo damit vorankomme, sich von angemieteten, oft teuren Standorten zu trennen. "Ich hoffe, dass da ein bisschen mehr Druck in den Kessel kommt." Den wünscht sich auch SPD-Chef-Haushälter Torsten Schneider. Bei den angemieteten Büroflächen des Landes rede man immerhin über ein Volumen von 600 Millionen Euro im Jahr, sagt er.
Dass sich die Koalition und die oppositionellen Grünen und Linken im Grundsatz darin einig sind, dass die Verwaltung flächenmäßig auf zu großem Fuß lebt, liegt auch an der Macht der nackten Zahlen. In einem vertraulichen Bericht der Finanzverwaltung an das Parlament ist aufgelistet, wie viel Platz alle Bürgerämter, Jugendämter, Senatsverwaltungen, aber auch Polizeiwachen und Gerichte in Berlin beanspruchen. Mit 1,7 Millionen Quadratmetern ist die Fläche etwa 42 mal so groß wie die vom Hauptterminal des Flughafens BER.
Doch nicht nur die schiere Masse der Gebäude hat den Spareifer der Haushaltspolitiker geweckt. Es ist vielmehr der üppige Platzverbrauch pro Beschäftigtem, den sie nicht mehr für vertretbar halten. Maßgeblich sind hier die Vorgaben der Raumnutzungsvorschrift AllARaum, die eine Fläche von 15,4 Quadratmetern pro Arbeitsplatz festgelegt. In Berlin lag dieser Wert im Jahr 2023 mit durchschnittlich 21 Quadratmetern pro Arbeitsplatz deutlich darüber.
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Nur Feuerwehr im Limit
Fast alle Bereiche - außer der Feuerwehr - überschreiten die AllARaum-Vorgabe zum Teil erheblich. Besonders stechen die Strafverfolgungsbehörden mit 33,2 Quadratmetern pro Arbeitsplatz hervor. Aber auch die Beschäftigten in den Senats- und Bezirksverwaltungen haben deutlich mehr Platz als erforderlich.
Die Senatsverwaltung für Finanzen weist in dem vertraulichen Dokument darauf hin, dass etwa für Ämter mit Publikumsverkehr mehr Raum benötigt werde. In älteren Gebäuden stünden zudem oft der Denkmalschutz und die historischen Grundrisse einer Flächenoptimierung entgegen. Doch das will das Haus von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) nicht als Freibrief verstanden wissen.
"Grundsätzlich finden keine Neuanmietungen oder Anmietungsverlängerungen von Flächen und Gebäuden für Verwaltungszwecke statt", stellte die Finanzverwaltung bereits im April in einem verwaltungsinternen Rundschreiben klar. Alle Verwaltungen wurden gleichzeitig aufgefordert, Konzepte zur Flächenreduzierung vorzulegen.
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Bezirke arbeiten oft nur gemächlich an Konzepten
Eine Abfrage des rbb in allen zwölf Berliner Bezirken zeigt, dass dieser Prozess bestenfalls am Anfang ist und dass die Sparaufgabe in den Bezirken unterschiedlich intensiv angegangen wird. Während Mitte gar nicht auf die Fragen antwortet, hat Neukölln nach eigenen Angaben noch kein Konzept. Charlottenburg-Wilmersdorf rechnet vage mit einer weiteren Verdichtung der Verwaltung. Friedrichshain-Kreuzberg kündigt seinen Plan zur Flächenreduzierung für Anfang 2025 an.
In Steglitz-Zehlendorf warnt Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg (B'90/Die Grünen) davor, "einfach am grünen Tisch" zu entscheiden. "Für größere Baumaßnahmen zur Flächenoptimierung fehlen finanzielle Mittel", gibt sie zu bedenken. Eine Prognose, um wieviel die Bürofläche in ihrem Bezirk schrumpfen könnte, will Schellenberg nicht wagen.
Eine "verlässliche Antwort" sei nicht möglich, heißt es auch aus Pankow, während das Bezirksamt Reinickendorf ausweichend von einem "kontinuierlichen Prozess" spricht und mitteilt, dass Home Office und flexibel genutzte Schreibtische noch keine Auswirkungen auf die Büroflächen des Bezirks hätten. Treptow-Köpenicks Bürgermeister Oliver Igel (SPD) sieht die Konzentrationsmöglichkeiten in seinem Bezirk als "vollständig ausgeschöpft" an. Voraussetzung für weitere Fortschritte sei, dass der Senat endlich die E-Akte flächendeckend einführt, so Igel.
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Lichtenberg braucht sogar mehr Platz
In Tempelhof-Schöneberg wiederum seien es die historischen Rathaus-Gebäude, die sich negativ auf die Flächenbilanz auswirkten, so das Bezirksamt. Dennoch gehe man davon aus, dass mit dem Projekt "Moderne Arbeitswelten im Bezirksamt (MAWiB)" rund 15 Prozent des Raumbedarfs wegfallen könnten. 15 Prozent weniger Bürofläche hält Marzahn-Hellersdorfs Immobilien-Stadtrat Stefan Bley (CDU) in seinem Bezirk ebenfalls für denkbar. Zunächst müssten aber neue Flächen angemietet werden, weil das Rathaus Marzahn ab 2025 saniert werde und die Mitarbeiter eine Übergangsbleibe bräuchten.
In Lichtenberg schätzt das Bezirksamt dagegen, dass ab 2026 ein zusätzlicher Büroraumbedarf von etwa 1.200 Quadratmeter anfällt. Das liege daran, dass der Bezirk Aufgaben im Bereich des Bezirkswahlamtes, der Ordnungs- und Gesundheitsbehörden sowie des Jugendamtes übernehme.
Aber selbst wenn Bezirke wie Charlottenburg-Wilmersdorf und Neukölln in Aussicht stellen, dass auf einzelne angemietete Immobilien künftig verzichtet werden kann, dürften die finanziellen Effekte überschaubar bleiben. Diesen Schluss legt zumindest das erst Anfang Oktober vorgelegte Flächenoptimierungskonzept aus Spandau nahe.
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Einsparpotenziale bislang nur gering
Der Bezirk erklärt sich darin bereit, künftig auf drei bisher angemietete Gebäude zu verzichten. Die Beschäftigten sollen dafür im Bezirksrathaus enger zusammenrücken. Bis es so weit ist, muss aber zunächst noch das Rathausdach saniert werden. Das wird sich mindestens bis 2030 hinziehen. Das jährliche Einsparpotential gibt der Bezirk mit gerade mal 1,42 Millionen Euro pro Jahr an.
Aber nicht nur die Bezirke, auch die Senatsverwaltungen tun sich mit Raumkonzepten, die sich sehr schnell positiv auf den Haushalt auswirken, schwer. So konzentriert etwa die Stadtentwicklungsverwaltung ihre Beschäftigten im gerade von Grund auf sanierten Hochhaus an der Württembergischen Straße. Andere Standorte mit einer Mietfläche von 10.000 Quadratmetern sollen sukzessive aufgegeben werden.
Nach wie vor gebraucht wird aber ein Teil des Gebäudekomplexes am Fehrbelliner Platz. Dieser soll laut einem vertraulichen Bericht für zehn Jahre angemietet werden. Dafür werden inklusive Nebenkosten rund 20,17 Millionen Euro veranschlagt. Wie aus dem Bericht ebenfalls hervorgeht, wird auch die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz noch bis voraussichtlich 2030 mit ihrer Außenstelle in einem angemieteten Bürogebäude an der Jannowitzbrücke bleiben.
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Grüne: Kurswechsel nicht erkennbar
Linken-Haushaltspolitiker Sebastian Schlüsselburg mahnt angesichts der insgesamt überschaubaren Optimierungserfolge ein umfassendes "New-Work-Konzept" an. Dieses müsse der veränderten Arbeitswelt mit mehr Home-Office und Desk-Sharing Rechnung tragen. Auch der CDU-Abgeordnete Christian Goiny glaubt, dass ein Kulturwandel der Schlüssel sein könnte. "Wir sehen in anderen Ländern in Südeuropa und in den baltischen Staaten ganz viel Modernisierung der Verwaltung und Digitalisierung, obwohl die ganz wenig Geld haben."
Ein "echter Kurswechsel" sei ein Jahr nach der Ankündigung von CDU und SPD jedenfalls nicht erkennbar, bilanziert der grüne Abgeordneten André Schulze. Zugleich warnt er vor überzogenen Erwartungen, was mögliche Einspareffekte betrifft. "Hunderte Millionen Euro halte ich für illusorisch. Diese Zahlen hatte die Koalition ja zwischenzeitlich gespielt." Realistischer sei seiner Einschätzung nach ein zweistelliger Millionenbetrag im Jahr.
SPD-Haushaltspolitiker Torsten Schneider macht derweil deutlich, dass er es mit den Sparvorgaben ernst meint und auch bereit ist, im Abgeordnetenhaus die Daumenschrauben anzuziehen. "Wir könnten auch von Gesetzes wegen vorschreiben, wie viel Quadratmeter ein Verwaltungsmitarbeiter verzehren darf."
Sendung: rbb24 Abendschau, 21.10.24, 19:30 Uhr