Berlin Unpünktliche Schüler in Berlin sollen härter bestraft werden
Zu lange auf dem Schulhof Seil gehopst? Verpennt? Auf dem Flur gequatscht und fünf Minuten zu spät in der Klasse? Berliner Schülern, denen das öfter passiert, drohen laut einer neuen Verordnung härtere Strafen. Sie sollen gegen Schulverweigerung helfen.
- Neue Verordnung der Senatsbildungsverwaltung regelt Versäumnisse
- Nach zwei Verspätungen: jede noch so kurze Verspätung gilt dann als Fehlstunde
- Sechs Fehlstunden summieren sich zu einem Fehltag
- Nach fünf Fehltagen ergeht ans Schulamt eine "Schulversäumnisanzeige"
- Verwarnungen, Anhörungen, Bußgeldverfahren sind dann die Maßnahmen des Amtes
Bei Kindern und Jugendlichen, die regelmäßig zu spät zur Schule kommen, sollen Lehrkräfte jetzt streng vorgehen. Seit Schuljahresbeginn gilt in Berlin eine überarbeitete Verordnung der Senatsbildungsverwaltung zur Schulpflicht, die auf unpünktliches Erscheinen von Schülern reagiert.
Wer sich schon zweimal verspätet hat, bekommt ab dann für jede weitere noch so kurze Verspätung eine Fehlstunde eingetragen. Diese Fehlstunden werden dann zusammengezählt. Im Regelfall gelten sechs einzelne unentschuldigte Fehlstunden als ein Fehltag. Bei fünf Fehltagen wird dann das Schulamt mithilfe einer "Schulversäumnisanzeige" informiert. Die Maßnahmen, die das Schulamt ergreifen kann, gehen von Verwarnungen, Anhörungen über Bußgeldverfahren bis hin zu zwangsweisen polizeilichen Zuführungen zur Schule.
Ausnahmen nur bei "höherer Gewalt"
Ausnahmen gibt es, wenn das Fehlen zum Beispiel durch Störungen im Bus- und Bahnverkehr, also höherer Gewalt, zu erklären ist. "Die Anpassung der Regelung dient dazu, eine fachliche Lücke zu schließen und mehr Klarheit zu schaffen", sagte Bildungsverwaltungssprecher Martin Klesmann. Zuerst hatte der "Tagesspiegel" über das Thema berichtet.
"Häufiges Zuspätkommen wurde bisher nicht ausreichend in Schulversäumnisanzeigen berücksichtigt, obwohl es ein Anzeichen für schulfernes Verhalten oder beginnende Schuldistanz sein kann", erläuterte Klesmann. "Daher werden künftig neben unentschuldigten Fehltagen und Fehlstunden auch wiederholte Verspätungen in Schulversäumnisanzeigen einbezogen." Das Ziel sei, auf diese Weise präventiv gegen mögliche Schulverweigerung vorzugehen.
Außerdem sollen Schulen bei Grundschülern ab dem fünften unentschuldigten Fehltag im Schulhalbjahr prüfen, ob wegen des Verdachts auf Kindeswohlgefährdung Kontakt mit dem Jugendamt aufzunehmen ist. Bei älteren Kindern gilt das ab dem elften Fehltag.
Schulen wollen individuell prüfen
Der bisherige Automatismus, Jugendämter und die Schulpsychologie bei sogenannten schulfernen Kindern automatisch zu beteiligen, sei von den beteiligten Behörden, insbesondere Schul- und Jugendämtern, kritisch hinterfragt worden, so der Sprecher weiter. "Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass es effektiver ist, wenn die Schule den individuellen Fall zunächst selbst prüft." Das entlaste die beteiligten Institutionen und erlaubt es ihnen, sich auf Fälle zu konzentrieren, bei denen ihre Unterstützung wirklich notwendig sei.
Sven Zimmerschied von der Vereinigung der Sekundarschulleitungen sieht die Aufgabe ebenfalls bei den Schulen, abzuwägen, wo es "sinnig" ist, Maßnahmen zu ergreifen. Dreh- und Angelpunkt sei aber, dass die Regelungen "nicht nur auf dem Papier stehen" sondern Schulämter bei Versäumnisanzeigen auch reagieren. Hier sei die Praxis je nach Bezirk unterschiedlich.
Diese neue Handhabung wurde nach Beobachtung von Lehrern und Elternvertretern in vielen Schulen bislang noch nicht umfassend kommuniziert. Auch Landeselternsprecher Norman Heise hat den Eindruck, dass die Regelung in vielen Klassen noch nicht angekommen ist. Grundsätzlich findet der Landeselternsprecher es aber richtig, dass mehr passiert, um einer beginnenden Schuldistanz entgegenzuwirken. Nötig sei aber "Fingerspitzengefühl" der Lehrkräfte, damit nicht die Falschen getroffen würden, betont er. Es mache einen Unterschied, ob das Zuspätkommen der Beginn einer Schuldistanz sei oder andere Gründe vorlägen.
Landesschülerausschuss reagiert mit Unverständnis
Ablehnend reagiert dagegen der Landesschülerausschusses (LSA). Gerade in der Oberstufe gebe es viel "Unverständnis", sagt der LSA-Vorsitzende Orcun Ilter.
Bei der Einstufung von Fehlzeiten hänge viel vom Verständnis der jeweiligen Lehrkraft ab. "Die soziale Situation von Schülerinnen und Schülern wird nicht immer berücksichtigt", so Ilter. Statt Sanktionen brauche es mehr Unterstützungsangebote bei Problemen. Der Landesschülersprecher kann sich auch vorstellen, dass ein späterer Unterrichtsbeginn um 8.30 oder 9 Uhr in dem einen oder anderen Fall helfen könnte.
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Vorschrift seit 1. August in Kraft
Lehrer müssen laut den Ausführungsvorschriften "Schulbesuchspflicht" zudem ab dem ersten unentschuldigten Fehltag Kontakt zu den Eltern aufnehmen und diesen dokumentieren. Schulen haben die Möglichkeit, bei "begründeten Zweifeln" ein ärztliches Attest zu verlangen. Eltern sind aufgefordert, bei längerem Fernbleiben vom Unterricht spätestens ab dem dritten Tag mitzuteilen, wann ihr Kind voraussichtlich wieder zur Schule kommen wird. Außerdem müssen die Erziehungsberechtigten dem Kind eine schriftliche und unterschriebene Erklärung mitgeben, wenn es länger gefehlt hat und wieder zur Schule kommt.
Die neue Vorschrift wurde bereits vor einem halben Jahr an die Schulen verschickt und trat am 1. August in Kraft.
Sendung: Fritz, 28.10.2024, 14:30 Uhr