Symbolbild: Ein Abzeichen mit dem Wort «Justiz» und dem Landeswappen von Berlin ist an der Uniform eines Justizvollzugsbeamten im Kriminalgericht Moabit angebracht. (Quelle: dpa/Skolimowska)

Berlin Organisierte Kriminalität: Berliner Senat plant besseren Schutz für Zeugen und Justizbeschäftigte

Stand: 10.09.2024 18:00 Uhr

Richter, Anwälte, Polizei und Zeugen - sie werden immer wieder vor Berliner Gerichten bedroht. Eine Initiative des Senats, sie besser zu schützen, stößt teils Zustimmung. Doch die Grünen sprechen von Symbolpolitik.

  • durch Organisierte Kriminalität würden laut Justizsenatorin Justiz und Zeugen vor Gericht eingeschüchtert
  • sie sollen mittels neuer Straftatbestände künftig besser geschützt werden
  • der Berliner Senat bringt dazu eine Bundesratsinitiative ein
  • Gewerkschaft der Polizei: Initiative sinnvoll, bisher schütze der Rechtsstaat ungenügend
  • Grüne: Symbolpolitik, stattdessen brauche es eine bessere Ausstattung der Justiz

Im Kampf gegen Organisierte Kriminalität will der Berliner Senat eine Bundesratsinitiative starten, um Zeugen und Justizbeschäftigte besser zu schützen. Die schwarz-rote Koalition hat einen entsprechenden Gesetzesantrag beschlossen. Das erklärte Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) am Dienstag.

Hintergrund ist, dass es auch in Berlin immer wieder vorkommt, dass Zeugen von Straftaten unter Druck gesetzt werden. So sollen belastende Informationen gar nicht erst ans Licht kommen - oder aber im Prozess die Aufklärung einer Tat verhindert werden.

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Demnach sollen Personen, die Zeugen, Verfahrensbeteiligte oder deren Angehörige körperlich, sexuell, materiell oder mit dem Leben bedrohen, künftig mit Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren belegt werden können.
 
Zudem fordert der Senat, dass Telekommunikationsüberwachung und Standortbestimmung in solchen Fällen verstärkt eingesetzt werden dürfen. Ein neuer Nötigungstatbestand im Strafgesetzbuch soll dies rechtlich absichern.

Keine belastbaren Zahlen

Mal sei es ein scharfer Blick vor dem Gerichtssaal, mal eine drohende Geste, sagte die Senatorin. Es gebe aber auch klare Ansagen an Justizbeschäftigte, wie etwa, dass man die Adresse kenne. Oder aber eine Todesdrohung. Belastbare Zahlen dazu gibt es Badenberg zufolge nicht. "Man sieht aber schon, dass das Gewaltpotenzial im Laufe der Zeit zunimmt."
 
Laut "Berliner Morgenpost" [€] gab es bundesweit zwischen 2019 und 2022 insgesamt 20 dokumentierte Fälle von Einschüchterung von Zeugen, Amtsträgern oder Sachverständigen, wie eine Erhebung des Bundeskriminalamtes zeigt.
 
Ein Indiz für die Zunahme der Einschüchterungsversuche seien die Erfahrungen an den Sicherheitsschleusen der Berliner Gerichte, so Badenberg. Dort sei eine Zunahme von sichergestellten gefährlichen Gegenständen zu verzeichnen. "Wir haben im Jahr 2022 circa 9.600 Fälle gehabt. Im Jahre 2023 waren es 10.700 Fälle, wo Messer und andere gefährliche Gegenstände festgestellt worden sind", sagte Badenberg.

Zusammenhang mit Organisierter Kriminalität

Häufig gebe es dabei einen Zusammenhang mit Organisierter Kriminalität. "Da geht es natürlich darum, Prozesse zu verschleppen, bestimmte Beweise, die man erbringen will, beispielsweise durch Zeugenaussagen zu erschweren und am Ende natürlich auch Täteridentifizierungen zu erschweren", erläuterte die Senatorin.

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SPD: Müssen uns massiv gegen Organisierte Kriminalität aufstellen

Bei der Bundesratsinitiative geht es aber nicht nur um Zeugen, sondern auch um Richter, Staatsanwälte, Gerichtsvollzieher oder Dolmetscher, wie Badenberg betonte. "Die Funktionsfähigkeit der Justiz hängt vom Schutz derjenigen ab, die sich täglich für die Justiz engagieren, die täglich dafür sorgen, dass Recht und Gerechtigkeit in unserem Land durchgesetzt werden."
 
"Die Organisierte Kriminalität wird sich in den nächsten Jahren verschärfen", sagt Florian Dörstelmann (SPD), der Innenausschuss-Vorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus. "Wir müssen uns dagegen massiv aufstellen. Es ist daher wichtig, in der Öffentlichkeit klarzumachen, welche Personengruppen besonderen Schutz benötigen." Das könne man mit diesem Gesetzesantrag erreichen.

Vorstoß für Polizeigewerkschaft sinnvoll, für Grüne "Symbolpolitik"

Die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Petra Vandrey, äußerte gegenüber dem rbb, dass sie es grundsätzlich für richtig hält, Zeuginnen und Gerichtspersonen besser zu schützen. Den konkreten Gesetzesantrag hält sie jedoch für nicht zielführend: "Das ist reine Symbolpolitik. Wer Mitglied einer kriminellen Vereinigung ist, wird sich von einem neuen Straftatbestand nicht beeindrucken lassen." Wichtiger seien konkrete Maßnahmen auf Landesebene, um bestehende Gesetze konsequent umzusetzen und Zeugen zu schützen. "Dafür brauchen Staatsanwaltschaften und Gerichte mehr Personal und bessere Ausstattung", so die Grünen-Abgeordnete. Dafür hatte sich Badenberg nach der Senatssitzung ebenfalls ausgesprochen.
 
Die Berliner Gewerkschaft der Polizei hält den Vorstoß Badenbergs für sinnvoll. "Wir erleben seit Jahren, dass unsere Gerichtssäle gerade von Personen aus der Organisierten Kriminalität als Bühne missbraucht werden, um unsere Kollegen, Zeugen, Staatsanwälte und Richter einzuschüchtern und der Rechtsstaat sie bisher nicht entsprechend schützt, es an wirklich wirksamen Mitteln fehlt", teilt Sprecher Benjamin Jendro mit. "Berlin bringt den Stein ins Rollen und wir hoffen, dass die anderen Länder dieses Vorhaben unterstützen und gemeinsam weiterdenken."

Badenberg sieht gute Chancen

Badenberg schätzt die Erfolgschancen der Bundesratsinitiative als gut ein. Sie habe das Thema bereits am Rande der jüngsten Justizministerkonferenz angesprochen, sagte sie. "Ich rechne mit einer sehr großen Mehrheit."
 
Badenberg hat die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität zu einem ihrer zentralen Anliegen erklärt. Die Bundesratsinitiative zum Thema Bedrohung von Zeugen und Gerichtspersonen sei aber für den gesamten Senat ein wichtiges Thema, sagte sie. Das Vorhaben sei schon im Koalitionsvertrag vereinbart worden.

Sendung: rbb24 Abendschau, 10.09.2024, 19:30 Uhr