Aussenansicht des Jahnstadions (imago images/Daniel Lakomski)

Berlin Über den Umgang mit dem Abriss-Stop des Jahnsportparks: Erich Mielke und der Spatz

Stand: 16.11.2024 08:32 Uhr

Brütende Haussperlinge sind Schuld, dass der geplante Abriss des Jahnsport-Parks nicht wie geplant voranschreiten kann. Wer immer sich daran stört, sei versichert: Es könnte noch ganz anders kommen. Von Ilja Behnisch

Fangen wir mit der schlechten Nachricht an: Es ist davon auszugehen, dass zwischen 130 und 150 Arten sterben. Täglich. [greenpeace.de] Die guten Nachrichten: Es sind noch längst überhaupt nicht alle Arten erforscht. Es entstehen täglich neue. Und: Der Mensch gibt sich, zumindest in manchen Teilen der Erde, große Mühe, die Arten, die er schon kennt, so gut zu schützen, wie er eben kann. Da ist er dann rigoros, da lässt er sich selbst von König Fußball und seinen Verwandten nicht hineinreden. Womit wir beim Jahnsportpark in Berlin wären.

Der Jahnsportpark in Berlin (imago images/T.Seeliger)
Abriss des Jahn-Sportparks wegen Haussperling gestoppt

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Von Kammmolch, Hufeisennase und Ziegenmelker

Paragraf 44 des Bundesnaturschutzgesetzes regelt, und zwar unter anderem, dass es verboten ist, "Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören". Genau das drohte nun aber beim anberaumten Abriss des alten Jahnstadions im Jahnsportpark, weshalb die Bagger dort vorerst schweigen müssen. "Erhebliche Zweifel" hatte das Berliner Verwaltungsgericht daran angemeldet, dass der Verlust von fast 100 Brutstätten des Haussperlings nach den bisherigen Plänen "ausreichend kompensiert werden" kann.

Nun könnte man einem beliebten Reflex dieser Stadt folgen und laut heraus rufen: Dit is Berlin, wa?! Aber weit gefehlt! Dit is die Welt. Allein in Deutschland haben unter anderem folgende Tierarten folgende Bauvorhaben aufgehalten oder bis dato gar gänzlich verhindert: Der Kammmolch, auch Wasserdrache genannt, lateinisch Triturus Cristatus, die Autobahn A44 in Hessen. Und ja: drei "m". Die Hufeisennase, eine Fledermausart, lateinisch Rhinolophidae, die Waldschlösschenbrücke in Dresden. Oder der Ziegenmelker, eine Vogelart, lateinisch Caprimulgus Europaeus, die Uni-Klinik Tübingen.
 
Alles aufgrund Paragraf 44, Bundesnaturschutzgesetz. Welches der Autor dieses Textes allein deshalb jederzeit verteidigen würde, weil es mit BNatSchG abgekürzt wird, was man nur ein einziges Mal laut auszusprechen braucht, um sich ihm in Liebe unterwerfen zu müssen: BNatSchG.

Vielleicht was von Mielke?

Und was soll’s auch? Dauert die Sache eben ein bisschen länger im Jahnsportpark. Lasst den Haussperling doch brüten! Dass sich Berliner Bauvorhaben gern mal ein wenig in die Länge ziehen, ist nun auch derart durchdekliniert, dass wirklich jeder Witz darüber grau ist am Bart.

Und vielleicht ist das ja auch noch lange nicht alles. Wer weiß, was noch zu Tage befördert wird, sobald der Abriss dann irgendwann doch einmal fortgesetzt werden kann. Wenn sich hinter dem Roten Rathaus rund 600.000 (!) Fundstücke aus vergangenen Jahrhunderten haben finden lassen, warum sollte es Downtown Prenzlauer Berg nicht weniger ergiebig sein? Es muss ja nicht gleich ein Goldring mit Schmuckstein aus der Zeit um 1400 sein, wie am Molkenmarkt. Aber vielleicht historische Dokumente. Fan Fiction von Ex-Stasi-Chef Erich Mielke zum Beispiel, dessen Lieblings-Fußballklub BFC Dynamo einst im Jahnstadion aufspielte und dem nachgesagt wurde, von Schiedsrichtern nicht unbedingt benachteiligt zu werden.

Blick auf das Stadion am Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark. (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
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Interessenverband und einsame Pappel

Auch gut vorstellbar wäre ein Baustopp wegen Lärmbelästigung. Initiiert vom, sagen wir, "Interessenverbund Jahni" und öffentlich vertreten durch ein paar superreiche Anwohner, die einfach nicht in Ruhe über das Renditevermögen ihrer Erbmasse grübeln können, nachdem sie schon beim Ashtanga-Yoga auf der Dachterrasse nur schwerlich ins 11-Uhr-Shavasana gefunden haben.

Ebenfalls immer im Bereich des Möglichen wäre, dass sich der "politische Wille" ändert und also plötzlich doch der Jahnsportpark im Zustand des Jahres 1987 als aus gesamtgesellschaftlichen Gründen unbedingt erhaltenswert deklariert wird. Auch wenn wahrscheinlicher anmutet, siehe Humboldt-Forum, dass das Areal einen Rückbau in preußische Zeiten und also als Exerzierplatz erfährt. Immerhin, damals wurde das Gelände auch als "Zur einsamen Pappel" tituliert, einer allein auf weiter Flur stehenden Bastard-Schwarz-Pappel wegen. Lateinisch Populus Canadensis.

Nun aber zunächst und noch bis zum 28. Februar 2025 das vorläufige Abriss-Verbot des Jahnstadions, welches am 4. November 2025 verkündet wurde. 250 Tage genau. In dieser Zeit gestorben: eine Bundesregierung. Und irgendwas zwischen 32.500 und 37.500 Arten. Aber eben ganz bestimmt nicht der Haussperling. Und das ist doch mal eine gute Nachricht.

Sendung: rbb24, 15.11.2024, 22 Uhr