Brandenburg "Korrupt" und "weisungsgebunden": Was ist dran an den Aussagen von AfD-Chef Springer zum Verfassungsschutz?
René Springer ist am Samstag zum neuen AfD-Vorsitzenden in Brandenburg gewählt worden. Wenig später erhob er im rbb-Interview schwere Vorwürfe gegen den Verfassungsschutz: Dieser sei "korrupt" und "weisungsgebunden". Was ist dran an diesen Aussagen?
Die Brandenburger AfD hat den Bundestagsabgeordneten Réne Springer zum neuen Landesvorsitzenden gewählt. Nach seiner Wahl am Samstag äußerte sich Springer im rbb-Interview. Darin kritisierte er unter anderem die Struktur und Arbeit des Verfassungsschutzes. Dieser stuft den AfD-Landesverband Brandenburg als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein.
Springer machte im Interview verschiedene faktische Aussagen, die der rbb hier genauer unter die Lupe nimmt. Das Interview können Sie anschauen bei Klick auf das Bild oben oder am Ende des Textes.
Welche Aufgaben der Verfassungsschutz hat und welche Vorschriften für seine Arbeit und Kontrolle gelten, ist in Brandenburg im Verfassungsschutzgesetz geregelt [https://bravors.brandenburg.de]. Wie alle Gesetze wurde es vom Landtag beschlossen. Dort ist zum Beispiel festgelegt, dass der Verfassungsschutz eine Abteilung des Innenministeriums ist.
Stimmt es also, wenn Springer sagt "Der Verfassungsschutz ist weisungsgebunden. Er macht das, was der Innenminister sagt. Und der Innenminister hat ein Parteibuch. Ein Verfassungsschützer hat keine andere Wahl, als das umzusetzen, was die politische Führung möchte." ?
Zwar trifft es zu, dass der Innenminister beispielsweise darüber entscheidet, wer Leiter der Abteilung Verfassungsschutz ist. Seine Beamten sind auch verpflichtet, dienstliche Anordnungen auszuführen. Dennoch ist Springers Aussage verkürzend und irreführend: Auch der Innenminister ist an Recht und Gesetz gebunden und kann keine Weisungen willkürlich erteilen. Die Aufgaben des Verfassungsschutzes sind gesetzlich geregelt. Daher hat ein Innenminister nicht die Möglichkeit, den Verfassungsschutz zu eigenen Zwecken zu instrumentalisieren - jedenfalls nicht legal.
Laut Verfassungsschutzgesetz wird der Verfassungsschutz tätig bei:
- Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes
- ungesetzlicher Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane
- sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht
- Bestrebungen, die durch Anwendung oder Vorbereitung von Gewalt auswärtige Belange Deutschlands gefährden
- Bestrebungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung.
Die Junge Alternative - die Jugendorganisation der AfD - wird in Brandenburg vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" eingestuft. Auf dem Parteitag in Jüterbog stärkte die AfD der JA dennoch den Rücken.mehr
Über die Arbeit des Verfassungsschutzes wacht die Parlamentarische Kontrollkommission. In dienstlichen Angelegenheiten oder bei Missständen können sich auch Mitarbeiter des Verfassungsschutzes an diese Kommission wenden. Wie der Name sagt, handelt es sich dabei um ein Gremium des Parlaments, also des Landtags.
In der Kommission haben alle im Landtag vertretenen Fraktionen und Gruppen einen Sitz - unabhängig von ihrer Größe und unabhängig davon, ob sie zur Regierung oder zur Opposition gehören. Die AfD ist in dieser Kommission nicht vertreten, weil bisher keiner ihrer Kandidaten die Mehrheit des Landtages davon überzeugen konnte, dass er seine Aufgaben in der Kommission vertrauenswürdig ausüben würde.
Außerdem unterliegt die Arbeit des Verfassungsschutzes wie jegliches staatliches Handeln in Deutschland der Kontrolle durch die Justiz. Die AfD klagt gerade gegen ihre Einstufung als verfassungsfeindlicher Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Aktuell beschäftigt sich das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen mit dem Fall. In erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Köln ist die Partei mit ihrer Klage gescheitert.
Auch der AfD-Landesverband Brandenburg geht gegen seine Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall vor Gericht vor. Seit 2021 läuft ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Potsdam. Eine Entscheidung steht noch aus.
In einem anderen Verfahren hatte die Brandenburger AfD vor dem Landesverfassungsgericht gegen die Nennung von Parteien im Verfassungsschutzbericht geklagt - und verloren. Im Urteil heißt es, es sei im Einklang mit der Verfassung, dass der Verfassungsschutz die Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen aufklärt, auch bezüglich politischer Parteien, soweit hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.
Ist die AfD ein rechtsextremistischer Verdachtsfall? Der Verfassungsschutz sagt: Ja. Ab Dienstag verhandelt das Oberverwaltungsgericht Münster. Was geprüft wird und welche Folgen das haben könnte, erklärt der ARD-Extremismus-Experte Michael Götschenberg.mehr
Für Springers Aussage
"Und der Verfassungsschutz ist zu einem Regierungsschutz verkommen."
hat bisher weder die Parlamentarischen Kontrollkommission noch ein Gericht Anhaltspunkte gefunden.
Springer sagt weiter:
"Das hat mit der eigentlichen Aufgabe des Verfassungsschutzes, nämlich vor Gefährdern zu schützen und die Sicherheit in unserem Land, überhaupt nichts mehr zu tun."
Die Beobachtung einer Partei, deren Personal nach Einschätzung des Verfassungsschutzes in Teilen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung handelt, gehört im Gegensatz zu Springers Aussage zum Kernauftrag des Verfassungsschutzes.
"Der Verfassungsschutz ist in seiner heutigen Form korrupt."
"Korrupt" bedeutet in der Definition des Duden "bestechlich, käuflich oder auf eine andere Weise moralisch verdorben und deshalb nicht vertrauenswürdig" bzw. "aufgrund von Abhängigkeiten […] so beschaffen, dass bestimmte gesellschaftliche Normen oder moralische Grundsätze nicht mehr wirksam sind." Springers Vorwurf dürfte auf die von ihm unterstellten Abhängigkeiten des Verfassungsschutzes von Innenminister und Landesregierung zielen. Für diese Abhängigkeiten liefert Springer keine Belege. Gäbe es Hinweise darauf, wäre es an Parlamentarischer Kontrollkommission und Gerichten, diese zu prüfen.
Sendung: Brandenburg aktuell, 16.03.2024, 19:30 uhr