Eine Frau sitzt an ihrem Laptop.

Hamburg Mecklenburg-Vorpommern Maylie freut sich, endlich auch offiziell Maylie sein zu können

Stand: 01.11.2024 20:41 Uhr

Für die 23-jährige Maylie aus Hamburg ist der heutige 1. November ein besonderer Tag. Mit dem Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes kann die trans Frau ihren Vornamen und Geschlechtseintrag endlich ohne großen Aufwand ändern lassen. Sie ist froh, dafür keinen langwierigen Prozess durchlaufen zu müssen.

Von Lea Eichhorn

Drei Jahre hat Maylie zuletzt in München studiert, gerade erst ist sie wieder zurück in den Norden gezogen. Nicht nur über den Beginn dieses neuen Lebensabschnitts freut sie sich, sondern auch darüber, dass sie nun bald offiziell im Pass, auf der Krankenversicherten-Karte oder ihren Zugtickets lesen kann, wer sie wirklich ist: Maylie eben, eine Frau - und keine männliche Person, wie es in ihrer Geburtsurkunde steht. "Ich fühle mich besser. Endlich darf ich meinen Vornamen im Pass ändern und den Personenstand in 'weiblich' - so, wie es für mich am besten passt."

Unfreiwilliges Outen in der Öffentlichkeit war unangenehm

Am 1. August, dem ersten dafür möglichen Termin, hatte sie die Änderung ihres Geschlechtseintrags zum 1. November in einem Hamburger Standesamt beantragt. Ein paar Tage länger als die gesetzlich festgelegten drei Monate zwischen schriftlichem Antrag und mündlicher Erklärung auf dem Amt muss sie nun zwar noch warten, aber in der kommenden Woche ist es endlich soweit.

"Zum Beispiel stimmen bei der Kontrolle in der Bahn dann jetzt der Name auf meinem Ticket und in meinem Ausweis überein", erwähnt Maylie eine der Veränderungen, die für sie wichtig ist. Denn die Gefahr, sich beim Erklären des Sachverhalts unfreiwillig in der Öffentlichkeit outen zu müssen, fällt weg. Sie empfand die Kontrollen stets als unangenehm, wenn sie - äußerlich eine Frau - ihren Ausweis mit männlichem Vornamen zeigen musste. Auch beim Arzt kann es ihr zukünftig nicht mehr passieren, dass sie als Mann aufgerufen wird, aber als Frau in einem vollen Wartezimmer aufsteht.

Geschlechtsidentität ist nun selbst frei wählbar

Jeder Mensch hat in Deutschland das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung, das ist im Grundgesetz geregelt. Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz soll jede volljährige Person nun die Geschlechtsidentität im Pass auch frei wählen können und selbst zwischen den Einträgen "männlich", "weiblich", "divers" oder "ohne Angabe" entscheiden.

Ihr inneres Outing, also die Erkenntnis, dass sie sich als Frau identifiziert, liegt schon einige Jahre zurück, erzählt Maylie. In der Öffentlichkeit ist sie diesen Schritt aber erst im vergangenen Jahr gegangen. Dann habe sie auch angefangen zu gucken, wie sie ihren neuen Vornamen und das Geschlecht offiziell ändern lassen kann. "Durch das Selbstbestimmungsgesetz ist es jetzt viel einfacher geworden. Es ist besser und verursacht keine großen Kosten mehr. Das freut mich sehr."

Transsexuellengesetz für viele eine Zumutung

Bisher mussten trans Personen, die ihr Geschlecht und ihren Vornamen ändern lassen wollten, sich nach dem seit den 1980er-Jahren geltenden Transsexuellengesetz richten und einen langwierigen Gutachterprozess durchlaufen. "Das war ein diskriminierendes Verfahren mit hohen Hürden und Kosten. So einen unwürdigen Prozess wollte ich ungern durchlaufen", sagt Maylie. Sie ist deshalb sehr froh, dass sie auf das Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes in diesem Herbst warten konnte.

Die Standesämter im Norden melden bisher eine moderate Nachfrage nach Änderungen der Personenstandsangaben. In den jeweils größten Städten in den norddeutschen Bundesländern - Hamburg, Hannover, Kiel und Rostock - sind bis Mitte Oktober den Angaben zufolge gut 1.000 Anträge eingegangen.

Änderungen auch für Jugendliche möglich

Im Selbstbestimmungsgesetz spielt es übrigens keine Rolle, ob die Entscheidung für eine sogenannte Personenstandsänderung auf einer empfundenen Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht (trans), auf biologisch uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen (inter) oder auf einem fehlenden Zugehörigkeitsgefühl zu beiden Geschlechtern (nicht- oder nonbinär) beruht. In dem Gesetz werden auch keine medizinischen Maßnahmen zur Änderung des Geschlechts geregelt. Es geht allein darum, den Vornamen und das Geschlecht in behördlichen Daten zu ändern - und das eigenständig, ohne Einschätzungen von Gutachtern oder Beratern.

Alle Menschen über 18 Jahre können die Änderung selbst veranlassen. Junge Menschen ab dem 14. Geburtstag können den Antrag zwar selbst einreichen, brauchen aber eine Zustimmung ihrer Sorgeberechtigten - und bei allen unter 14 Jahren können nur die Eltern oder andere gesetzliche Vertreter die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen einreichen.

Korrekturen sind frühestens nach zwölf Monaten möglich

Kritikerinnen und Kritiker bemängeln, dass Menschen durch die vereinfachte Regelung leichtfertig Name und Geschlechtseintrag ändern und übereilte Entscheidungen treffen könnten. Maylie ist sich hundertprozentig sicher, dass ihre Entscheidung von Dauer und richtig ist: "Ich bin sehr zufrieden und glücklich damit, ich kehre niemals zurück."

Eine Frau sitzt in einem Café an einem Tisch, vor ihr steht ein Glas mit heißer Schokolade und eine Saftschorle.

Maylie identifiziert sich als Frau und ist froh, dass ihr Vorname und das Geschlecht nun auch offiziell geändert werden.

Dennoch findet sie es gut, dass es laut Selbstbestimmungsgesetz möglich ist, die Änderungen nach zwölf Monaten rückgängig zu machen: "Manchmal war die Entscheidung vielleicht doch nicht richtig. Da ist dieser Zeitrahmen eine gute Möglichkeit, wieder zurückkehren zu können." Zuvor hätten die Betroffenen in solch einem Fall erneut das Transsexuellengesetz anwenden müssen.

Maylie wünscht sich mehr Akzeptanz in der Gesellschaft

Der 1. November ist also ein guter Tag, nicht nur für Maylie, sondern für alle trans- und intergeschlechtlichen sowie nonbinären Menschen. Dennoch wünscht sich die 23-Jährige noch mehr - nämlich mehr Akzeptanz für Transgender-Personen in der Gesellschaft. Dass es zu verbalen oder gar körperlichen Anfeindungen kommt, überschreitet aus ihrer Sicht ganz klar eine Grenze: "Das muss polizeilich auch mehr verfolgt werden."

Dieses Thema im Programm:
NDR Info | NDR Info | 01.11.2024 | 15:00 Uhr