Hessen Kantersieg gegen Köln: Darmstadt berauscht sich an seinen Möglichkeiten
Dem SV Darmstadt 98 ist in der 2. Bundesliga nun offiziell alles zuzutrauen. Das Spektakel gegen Köln produzierte viele Helden. Dass zwei von ihnen sich nicht schon viel früher begegnet sind, könnte den Lilien noch viel Freude bereiten.
Immerhin. Textunsicherheiten ließen die Lilien-Anhänger bei den üblichen Jubelritualen nach einem fast schon unglaubwürdigen 5:1-Heimsieg gegen Köln nicht erkennen. Dabei war es schon über ein Jahr her, dass es am Böllenfalltor etwas Größeres zu feiern gab.
"Das sage ich nicht einfach nur so", musste Lilien-Kapitän Clemens Riedel schon unter der Woche im Gespräch mit hr-Sport vorwegschicken. Um dann erst auszuführen: Die Lilien seien unter Florian Kohfeldt auf dem richtigen Weg, würden Woche für Woche besser. Körperlich und mental treibe der neue Trainer das Team an seine Grenzen.
Letzter Heimsieg vor über einem Jahr
Zumindest das war zuletzt ein anschlussfähiges Lebensgefühl für geneigte Fans: 5:3-Sieg auf Schalke, 3:3 in Karlsruhe. Zu Hause ein mageres Remis gegen Braunschweig und eine Niederlage gegen Magdeburg. Die geteilt schlechteste Defensive der Liga, im eigenen Stadion 383 ätzend lange Tage sieglos. Der Weg der Lilien sah an schlechten Tagen doch eher aus wie ein funzelig beschienener Trampelpfad.
Genugtuung waberte auch deshalb am Freitagabend durch die Gänge, weil Kohfeldt und die Seinen es schon vorher besser gewusst hatten. Die Lilien schienen nun plötzlich gleich zwei Klassen übersprungen zu haben. Der Heimfluch wurde nicht nur besiegt – er wurde aus dem Stadion gejagt.
Kohfeldt erledigt seine erste Challenge
Den Trainer umflort noch immer etwas Neuwagengeruch. Aus rechnerischen Gründen hielt er sich an dieser Stelle also im Hintergrund. "Das war für mich nie so das Riesenthema. Weil ich aber das Jahr auch nicht mitgemacht habe", betonte der Coach zutreffend. Als Mediator zwischen den Lilien und ihrem Böllenfalltor konnte er mit dem ersehnten Heimsieg seine erste Challenge dafür meistern.
Im Rückspiegel lasen sich seine Worte vor dem Spiel nun sogar beinahe prophetisch. Zwar adelte er die Kölner als das individuell bestes Team der Liga. Auffällig selbstbewusst sprach er aber im Vorhinein bereits von einer "Riesenchance". Eine Einleitung, die er nun noch einmal aufgriff und feststellte: "Emotional haben wir diese Chance extrem gut genutzt."
Offensiver Glanz auf allen Positionen
Widerspruch war an der Stelle nicht vorgesehen. Dagegen hatten die Lilien vorgesorgt. Zu streiten blieb nach diesem lupenreinen Kantersieg lediglich darüber, ob nun Doppeltorschütze Fraser Hornby, Philipp Förster oder der beeindruckend formstarke Isac Lidberg nach seinem siebten Saisontor nun besonders hervorzuheben seien.
Am besten einfühlen in einen Verein, der sich in einem großen Selbsthilfezirkel kollektiv den Frust eines ganzen Jahres aus dem Pelz schüttelte, konnte sich wohl Hornby. Von dem Angreifer wusste man bei den Südhessen lange Zeit nur, dass seiner Rolle eine gewisse Tragik anhaftete. Zweifel an seiner Helden-Tauglichkeit konnte er in Darmstadt durch frühe Verletzung und quälend lange Rekonvaleszenz bis zuletzt nie ganz zerstreuen.
Kohfeldt traf daher auf einen grüblerischen Stürmer. "Die Heimspiele haben etwas mit ihm gemacht. Er war aber nicht in einem totalen Tief und nicht so, dass ich Einzelbetreuung machen musste." Hilfe zur Selbsthilfe trifft es wohl besser. "Es war für ihn wichtig, dass mein Vertrauen, solange er alles reinwirft, nicht daran bemessen wird, ob er mal ein Spiel gut oder schlecht spielt", sagte Hornbys Coach.
Spätes Glück zwischen Trainer und Torjäger
Große Stücke auf den Schotten hält der schon länger. In seiner Zeit beim belgischen Klub KAS Eupen wollte Kohfeldt Hornby bereits verpflichten. "Er war mein Kandidat Nummer eins als Mittelstürmer", sagte der 42-Jährige. Zu Verhandlungen kam es vor allem deshalb nicht, weil Hornby schon mal nach Darmstadt wechselte. "Aber jetzt haben wir uns ja hier gefunden", sagte Kohfeldt.
Dass dieser Abend nur das erste Kapitel in Hornbys Comeback-Geschichte sein sollen, fügte der Trainer mit einer Fußnote dann aber doch noch an: "Schön für Fraser, weitermachen! Weil die anderen kratzen." Ob sie nun Lidberg heißen, Lakenmacher oder Förster: Tore und Spektakel kann der SVD.
Dass das nicht im Widerspruch zu herzhafter Defensivarbeit und taktischer Disziplin stehen muss, lebte Letzterer geradezu beispielhaft vor. "Wir haben es in der ersten Halbzeit nicht so gut gemacht gegen den Ball. Aber dann haben wir etwas umgestellt und auch mit mehr Eiern gespielt. Dann können wir jedem Gegner wehtun, weil wir mit Ball einfach eine sehr gute Truppe sind", bilanzierte Förster und versprach: "In Zukunft ist mit uns auf jeden Fall zu rechnen." Und die beginnt ja schon sehr bald.