Städtischer Platz mit Wasserspendern, begrünten Pflanzeninseln, begrünten historischen Fassaden und Schatten spendenden Elementen.

Hessen Klimawandel in Hessen: Was sich in Frankfurt verändern wird

Stand: 11.10.2024 10:11 Uhr

Mehr heiße Tage, kürzere Winter: Wissenschaftler haben berechnet, wie sich das Klima vor unserer Haustür künftig verändern wird. Was bedeutet das konkret für das Leben in Frankfurt? Ein Überblick in fünf Punkten.

Von Christina Sianides

Der Klimawandel wird das Leben der Menschen in Hessen künftig mehr und mehr beeinflussen - darin sind sich Wissenschaftler einig: Zu den Auswirkungen gehören nicht nur extremere Temperaturen, sondern etwa auch neue Gesundheitsgefahren. Gleichzeitig versuchen sich Hessens Städte an die veränderten Bedingungen anzupassen.

Wir zeigen am Beispiel Frankfurts, was in 15 Jahren wahrscheinlich anders sein wird. Die Szenarien beruhen auf wissenschaftlichen Modellen und Planungen und Beschlüssen der Stadt Frankfurt.

1. Wetter
2. Stadtbild
3. Mobilität
4. Gesundheit
5. Pflanzen

1. Wetter

Das Leben in der Region um Frankfurt werde spätestens in zwei Jahrzehnten "ungemütlich", sagt Andreas Walter vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. Er ist Experte für die konkreten Auswirkungen des Klimawandels.

"Ungemütlich" heißt in diesem Fall: heißer, trockener, mehr Extremwetterereignisse. Konkret haben die Forscher berechnet, dass sich im Jahr 2039 die Zahl der heißen Tage über 30 Grad mindestens verdoppelt haben wird. Fünf bis elf Tage mehr sollen es dann pro Jahr werden, derzeit sind es durchschnittlich 6,6 Tage.

Im Jahr 2039 wird es in Frankfurt sehr wahrscheinlich auch immer wieder Tage mit Spitzentemperaturen von mehr als 40 Grad geben. Die Zahl der tropischen Nächte mit mehr als 20 Grad werde zunehmen, in Winternächten wird es laut DWD seltener frostig als heute.

Säulendiagramm der Veränderung der Dekadenmitteltemperaturen von 1951 bis 2020

Die Grafik zeigt die Veränderung der Dekadenmitteltemperatur in Deutschland gegenüber dem Mittel des Zeitraums 1881 bis 1910 (Quelle: RKI, Journal of Health Monitoring, September 2023)

Höchster Klimagefahrenwert in ganz Deutschland

Auch beim Niederschlag wird sich in 15 Jahren nach den Berechnungen der Wissenschaftler einiges ändern: So soll es im Winter mehr, im Sommer weniger regnen. Weil es im Sommer neben länger werdenden Trockenperioden mehr Starkregen geben soll, könne es zu mehr Sturzfluten und Überschwemmungen kommen. Denn gerade in Städten mit vielen versiegelten Flächen kann das Wasser dann schlecht abfließen.

Laut einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Immobiliendienstleisters JLL ist Frankfurt bis 2050 sogar der Ort unter den untersuchten Großstädten mit dem höchsten Klimagefahrenwert in ganz Deutschland. Das heißt, die Gefahren durch Hitze oder Starkregen werden hier als besonders hoch eingeschätzt.

2. Stadtbild

Die Gebäude und Wohnviertel in Frankfurt werden sich verändern, prognostiziert Peter Kreisl, Abteilungsleiter für Stadtentwicklung bei der Stadt Frankfurt und Professor für Stadt- und Regionalplanung. Zwar werde die Stadt in 15 Jahren nicht komplett anders aussehen, aber eben doch: "mehr Grün, weniger Autos, mehr Schatten."

Festgelegt und konkretisiert wurde das unter anderem in der "Frankfurter Anpassungsstrategie an den Klimawandel". Aspekte des Klimaschutzes und der Klimaanpassung werden "auf baulicher Ebene an Bedeutung gewinnen", heißt es dort. Denn die Stadt müsse etwa vor Überhitzung und Überschwemmungen besser geschützt werden.

Mehr Grün als wirksames Mittel zum Kühlen

Im Frankfurter Stadtbild werden im Jahr 2039 also sehr wahrscheinlich mehr begrünte Dächer, Fassaden, Vorgärten und Hinterhöfe zu sehen sein; ebenso Holzfassaden, Photovoltaik-Anlagen, hellere Oberflächen und Arkaden. Dazu soll auch das Förderprojekt "Klimabonus" beitragen, mit dem die Stadt schon jetzt Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen finanziell bei klimafördernden Projekten unterstützt.

Denn klar ist: Mehr Grün ist das wirksamste Mittel zum Kühlen. Bäume zum Beispiel senken die Temperatur nicht nur durch Schatten, sondern auch durch das Wasser, das sie über ihre Blätter verdunsten. Wenn etwa ein Hinterhof nicht betoniert, sondern entsiegelt und bepflanzt ist, kann das die Temperatur um bis zu zehn Grad senken.

Anpassung kostet Zeit

In allen öffentlichen Gebäuden muss es mindestens einen frei zugänglichen Trinkbrunnen geben; Türen und Tiefgaragen-Einfahrten sollen 20 Zentimeter über Straßenniveau liegen, um vor Überflutung zu schützen. Für neue Bauvorhaben der Stadt sind solche und andere Maßnahmen verbindlich, heißt es im Klimaanpassungsplan, für andere Bauvorhaben würden sie "dringend empfohlen".

Doch auch wenn sich Städte an veränderte Klimabedingungen anpassen können und in Frankfurt einiges auf den Weg gebracht wurde: In der Praxis braucht das viel Zeit und Geld. Bis etwa neue Stadtbäume heranwachsen, dauert es mitunter Jahrzehnte. Auch der Um- oder Neubau von Gebäuden braucht Zeit.

3. Mobilität

"Im Jahr 2035 sind die einseitig autoorientierten Strukturen, die sich weder als effizient noch als nachhaltig erwiesen haben, überwunden." So steht es im Masterplan Mobilität der Stadt Frankfurt. Es ist vom konsequenten Ausbau des Fuß-, Rad- und öffentlichen Verkehrs zu lesen, von Sharing-Angeboten, verringerten Parkflächen sowie günstigeren ÖPNV-Tickets und Tempolimits.

Über all dem steht allerdings das Wort "Vision". Der Masterplan ist ein "Rahmenplan" für die langfristige Entwicklung von Mobilität in Frankfurt. Es ist also noch nichts in trockenen Tüchern. Generell sind für die Mobilität der Zukunft zuverlässige Prognosen kaum möglich, denn die Entwicklung hängt stark von politischen Entscheidungen ab.

Mehr Autos oder mehr Fahrräder?

Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin der Denkfabrik Agora Verkehrswende, glaubt, dass Autos in Städten künftig weniger Raum einnehmen werden. Sie rechnet mit "weniger komplett betonierten Straßen, mehr Grün, mehr Bussen und Bahnen." Luca Nitschke, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Frankfurter Institut für sozial-ökologische Forschung, ist sich "relativ sicher", dass das Radwegenetz weiter ausgebaut wird.

"Worst case", aber durchaus auch im Bereich des Möglichen, ist für Nitschke eine Zunahme des Autoverkehrs in der Stadt – wenn nämlich der öffentliche Nahverkehr nicht stärker gefördert und gleichzeitig die Infrastruktur und Förderung für E-Autos verbessert und Straßen weiter ausgebaut würden.

Mobilitätsforscher: "Trend der großen CO2-Schleudern ungebrochen"

Professor Martin Lanzendorf, Mobilitätsforscher an der Uni Frankfurt, hält diesen "worst case" sogar für relativ wahrscheinlich: "Insgesamt ist dieser Trend der großen CO2-Schleudern erst mal ungebrochen." Er glaubt nicht, dass sich die Mobilität in Frankfurt in 15 Jahren wesentlich verändert haben wird.

Zwar sei es durchaus wahrscheinlich, dass es in Großstädten wie Frankfurt in 15 Jahren einen erheblich größeren Anteil an nicht-motorisierter und öffentlicher Mobilität gebe. Aber, so vermutet er: "Die Autos werden viel größer sein als heute, viel breiter, viel schwerer und viel dreckiger." Diese Entwicklung zeichne sich in den letzten Jahren schon ab.

4. Gesundheit

Die Veränderung des Klimas wirkt sich auf vielfältige Weise auf unsere Gesundheit aus. Der Klimawandel sei weltweit die "größte Gesundheitsgefahr im 21. Jahrhundert", schrieben Wissenschaftler im Medizin-Fachblatt "The Lancet" bereits vor 15 Jahren. Er führt unter anderem dazu, dass Atemwegserkrankungen zunehmen, die Gefahr von Hautkrebs steigt und Allergiker stärker leiden, weil sich die Pollenflugsaison verlängert und neue allergene Pflanzenarten hier heimisch werden.

Doch die meisten Opfer, da sind sich Experten einig, werden hierzulande die zunehmenden Hitzeextreme fordern. Hitze fordert Herz und Kreislauf heraus und kann uns im schlimmsten Fall sogar töten. Wie viele Menschen hierzulande in Zukunft durch Hitzewellen sterben werden, lässt sich freilich nicht zuverlässig vorhersagen. Klar ist aber, dass es mehr werden dürften, wenn nicht vehement gegengesteuert wird.

Gefahr der Überhitzung in Frankfurt groß

Gerade in dicht bebauten Städten ist die Gefahr der Überhitzung besonders groß. Das Umweltbundesamt hat Frankfurt schon im Jahr 2015 als eine der Städte ausgemacht, in denen die Sommerhitze besonders belastend ist.

Der Deutsche Wetterdienst kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass unter anderem im Tal des Rheins in Zukunft mit einem besonders hohen Anstieg des "thermisch bedingten Mortalitätsrisikos", also des Sterberisikos aufgrund von Hitze, zu rechnen ist. 

Neue Krankheitserreger

Auch bei der Übertragung des Dengue-Fiebers durch die Asiatische Tigermücke werde Frankfurt zu den deutschen Städten mit dem höchsten Risiko gehören, sagen Forscher der Uni Bayreuth – und das bereits in gut fünf Jahren. Dengue kann über Mückenstiche von infizierten Menschen auf andere übertragen werden.

Wenn es also Infizierte gibt, werde es "gute Ausbreitungsmöglichkeiten" geben, weil die Temperaturen dann hoch genug seien, dass sich die Mücke hier etablieren könne. Generell ermöglicht es der Klimawandel mit seinen höheren Temperaturen neuen Erregern, in Deutschland heimisch zu werden.

5. Pflanzen

In der Pflanzenwelt zeigen sich die Folgen des Klimawandels schon jetzt besonders deutlich. Ein Spaziergang durch den Frankfurter Stadtwald genügt, um sich selbst ein Bild davon zu machen.

Für das vergangene Jahr meldete die Stadt Frankfurt, dass 98,5 Prozent der Bäume im Stadtwald krank oder zumindest geschädigt seien. Der Klimawandel sei "endgültig und für alle sichtbar im deutschen Wald angekommen", heißt es bereits im Waldzustandsbericht aus dem Jahr 2020. Und auch andere Pflanzen leiden unter den Folgen von Hitze, Trockenheit und Unwetter.

Viele Pflanzen und Bäume werden verschwinden

Dieser Trend wird sich im Jahr 2039 weiter verschärft haben. Der Klimawandel werde die hiesige Natur rasant verändern, schreiben die Autoren des Buchs "Deutschland 2050. Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird". Zwar habe sich das Klima im Laufe der Erdgeschichte immer verändert, allerdings nie so schnell wie heute: Der menschengemachte Klimawandel verlaufe etwa hundertmal schneller und überfordere damit die Anpassungsfähigkeit von Pflanzen und Tieren.

Esche, Birke und Fichte, Gartenhortensie und Rhododendron etwa brauchen zu viel Wasser, um ohne weiteres im erhitzten Frankfurt zu überleben. Sie werden immer seltener werden oder sogar ganz verschwinden. Bis Mitte des Jahrhunderts werden im Südwesten Deutschlands sogar bis zu 50 Prozent der heute anzutreffenden Pflanzen verschwinden, so die Ergebnisse einer Studie des Bundesamts für Naturschutz.

Neue Arten breiten sich aus

Im Gegenzug verbreiten sich neue Pflanzenarten aus anderen Regionen der Welt, die mit den Klimabedingungen besser zurechtkommen: so etwa der Seiden- und Lederhülsenbaum, die Purpurerle oder die Blumenesche. "Palmen wachsen hier inzwischen besser als Buchen", sagt Maximilian Weigand, Direktor des Botanischen Gartens in Bonn.

Allerdings: Welche Arten sich hierzulande am Ende tatsächlich durchsetzen, lässt sich nicht sicher vorhersagen. Denn die Bedingungen etwa in Südeuropa können nicht exakt auf das Deutschland der Zukunft übertragen werden.