Hessen ARD-Mitmachaktion #UnsereFlüsse: Den Bächen in Hessen geht es schlecht
Flüsse und Bäche sind die Lebensadern der Natur und bieten Lebensraum für viele Tiere. Wie es den Gewässern geht, die auf über 8.000 Kilometern durch Hessen fließen, wollte die ARD über die Mitmachaktion #UnsereFlüsse herausfinden. Die Resonanz ist erfreulich, das Ergebnis ernüchternd.
Plätschert der Bach in Kurven durch die Landschaft? Oder ist das Bachbett eine gerade Betonrinne? Leben dort Tiere? Fragen wie diese haben die knapp 3.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der ARD-Mitmachaktion #UnsereFlüsse beantwortet und den Zustand von hessischen Bächen unter anderem mit Fotos dokumentiert.
Eine von ihnen ist Johannes Kuhn aus Frankfurt. Sein Untersuchungsobjekt war der Urselbach. "Da gehe ich mit meiner Hündin Coco oft spazieren", erzählt er. Für die Erhebung hat er an fünf Stellen des Urselbachs im Taunus Fotos gemacht und einen digitalen Fragebogen ausgefüllt. Dass er damit mit so wenig Aufwand einen Beitrag zum Umweltschutz leisten konnte, fand er toll, sagt er.
Mehr als 450 Einsendungen aus Hessen zu etwa 100 Bächen kamen bei der Aktion zusammen. Weniger erfreulich ist das Ergebnis, zu dem das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung bei der Auswertung dieser Einsendungen gekommen ist: Sowohl bundesweit, als auch in Hessen geht es zwei Dritteln der Bäche schlecht, ein paar anderen mäßig und nur 25 Prozent geht es gut.
Bis 2027 soll es allen Flüssen und Bächen gut gehen
Dass der Zustand der Bäche so schlecht ist, liege an vielen verschiedenen Faktoren. Oft sei das Bachbett begradigt oder gar mit Beton ausgegossen worden, erklärt Martin Friedrichs-Manthey vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung im hr-Interview.
Vielerorts fehlten außerdem "Gewässerrandstreifen". Ohne diesen Puffer zwischen Wasser und Straße oder Acker würden bei Regen Schadstoffe ungefiltert ins Wasser gespült. Was es bräuchte, wären mindestens zehn Meter breite bepflanzte Streifen an beiden Ufern. Dies könnte das Wasser auch vor Sonne und damit vor Erwärmung schützen.
Hessen arbeitet an diesem Problem schon lange. Laut EU-Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2000 sollen bis 2027 alle Fließgewässer in einem ökologisch guten Zustand sein. Bis 2014 hatte Hessen 4,8 Prozent dieses Ziels erreicht - ein Stand, der sich bis 2021 nicht veränderte.
Hessen weit entfernt vom EU-Ziel
2019 startete das Programm "100 wilde Bäche für Hessen". Damit will das Hessische Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt 100 Bäche vollständig renaturieren. 155 Kommunen haben bislang teilgenommen. Das Land stellt ihnen einen Dienstleister beratend zur Seite und unterstützt sie finanziell. Sobald ein Bach fertig renaturiert ist, bisher sind das der Krebsbach in Nidderau und und der Lasterbach in Waldbrunn/Westerwald, rücken neue nach.
Inzwischen sind in Hessen 11,1 Prozent der Bäche in einem ökologisch guten Zustand. Doch es bleiben nur noch drei Jahre, um das Ziel der EU-Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen.
Gegenüber dem hr nannte das hessische Umweltministerium die Ziele ambitioniert und verwies darauf, dass alle EU-Länder deren Umsetzung herausfordernd fänden.
Alles innerhalb von nur drei Jahren zu renaturieren hält Jörg Nitsch, Vorstand des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Hessen, angesichts des aktuellen Zustands für utopisch. Er spricht von einer Herkulesaufgabe.
Zudem hätten Politik und Bauwirtschaft jahrzehntelang die Ökologie der Gewässer zerstört, Bäche begradigt und teils ausbetoniert. "Das wieder rückgängig zu machen, kostet sehr viel Arbeit und Geld - und braucht oft viel zeitlichen Vorlauf", sagt Nitsch. Denn um dem Bach wieder Platz zu verschaffen, müsse man an die Grundstücke links und rechts des Wassers herankommen.
Alle können mithelfen
Auch wenn die Zahlen ein trauriges Bild zeichnen: Ein positives Ergebnis der ARD-Mitmachaktion sei es, dass viele Menschen bereit seien sich zu engagieren, sagt Friedrichs-Manthey.
Alle könnten etwas zur Gesundheit der Gewässer beitragen, indem sie sich vernetzen oder ihre Kommunen fragen, ob sie Randstreifen bepflanzen oder Kies ins Bachbett einbringen dürfen.
Johannes Kuhn aus Frankfurt will in jedem Fall am Thema dranbleiben. Beim Gassigehen mit Hündin Coco kann er sich vorstellen, auch in Zukunft die Bäche genauer anzuschauen, ihren Zustand zu dokumentieren - um weiter zu ihrem Schutz beizutragen.
Noch bis 31. Oktober geht das auch noch über #UnsereFlüsse.