Hessen Mögliche Schließung von Werken: VW-Mitarbeiter in Baunatal zwischen Angst und Hoffnung
Drei VW-Werke in Deutschland stehen vor dem Aus – ob Baunatal betroffen ist, ist ungewiss. Kündigungen und Einkommenseinbußen stehen bevor. Wie reagieren die Beschäftigten?
In den Gesichtern der Menschen, die auf den Platz neben dem Haupttor von VW in Baunatal (Kassel) gekommen sind, spiegeln Entsetzen, Wut und Panik - bei machen vielleicht auch Hoffnung. Einige haben Tränen in den Augen.
Rund 8.000 Beschäftigte sind an diesem Montag an zwei Orten auf dem Werksgelände zusammengekommen – das ist die Hälfte aller Mitarbeiter am Standort Baunatal. Sie hörten die Worte von Betriebsratschef Carsten Büchling – und die haben es in sich.
Denn Büchling informierte die Beschäftigten in Baunatal über den Stand der Tarifverhandlungen und die Pläne des VW-Vorstands. Neben der Schließung von drei Werken soll es auch Massenkündigungen und Lohnkürzungen geben. Beschäftigte des Volkswagen-Konzerns sollen demnach etwa 18 Prozent weniger verdienen, einschließlich der Zulagen.
Das sind schockierende Neuigkeiten für die VW-Familie. Viele Menschen wollten nach der Veranstaltung nicht mit dem hr sprechen, andere hingegen schon. Sie kommen hier zu Wort.
Janine Richter
... ist Anlagenführerin und seit 2010 bei Volkswagen. Sie hat Existenzängste.
Janine Richter, Anlagenführerin und seit 2010 bei Volkswagen
"Ich habe Existenzängste. Wir haben ein Haus, zwei Kinder und arbeiten beide bei VW. Dass VW Einschnitte plant, hat man von heute auf morgen gesagt bekommen. Das muss ich erst mal verarbeiten. Das sind auch viele Infos, die mich überfordert haben.
Ich bin froh, dass wir jetzt aber überhaupt mal was gesagt bekommen haben. Wie es weitergeht, wissen wir aber immer noch nicht. Das ist jetzt noch beängstigender als vorher. Wenn das VW-Werk in Baunatal dicht macht, wäre das ein ziemlicher Schlag für die Region."
Gerald Freude
... ist seit 1990 bei VW und macht sich Sorgen um jüngere Kollegen.
Gerald Freude, seit 1990 bei Volkswagen in Baunatal.
"Der Krieg hier in dem Unternehmen hat viele Väter. Das ist nicht nur das Management, auf das immer getreten wird, sondern da ist auch ganz viel in der Politik falsch gemacht worden.
Wenn es wirtschaftlicher ist, drei Werke zu schließen, dann werden die das machen. Das ist ein Industrieunternehmen und kapitalorientiert. Die werden nicht aus Herzensgüte sagen: dann machen wir das nicht.
Aber was ist der Umkehrschluss? Dann geht es noch drei Jahre und dann sind sie komplett pleite und können alle Werke zumachen.
Ich mache mir keine Sorgen, weil ich das Ende nicht mehr erleben werde. Ich gehe bald in Altersteilzeit. Aber für die jungen Kollegen ist es traurig - und es wird bitter. Ich denke schon, dass es herbe Einschnitte geben wird. Und dass es nochmal so krisensicher wird, wie es mal war, das wage ich zu bezweifeln. Das ist das erste Mal, dass es so schlimm ist.
Das, was Deutschland mal groß gemacht hat - Innovation, Entwicklung und Forschung und dass alle uns um unsere Produkte beneidet haben und die nachahmen wollten - das gibt es nicht mehr. Wir laufen den anderen hinterher, die das inzwischen besser machen als wir: was wollen wir denn mit E-Mobilität? Die Chinesen machen uns vor, wie das geht. Da haben wir den Anschluss verloren."
Tuana Gül
...ist Auszubildende als Fachkraft für Lagerlogistik und im 2. Lehrjahr. Einen Plan B hat sie nicht.
"Das ist eine schwierige Situation und wir wissen auch nicht, wie es weitergeht, aber wir hoffen auf was Gutes für die Zukunft und für uns Auszubildende. So eine Situation hätte ich mir niemals vorgestellt. Man macht sich schon Gedanken, ob man als Azubi übernommen wird, aber man denkt auch, es wird nicht so negativ ausfallen. Man hat schon Hoffnung.
Wir lassen uns dadurch nicht demotivieren. Bei uns FaLas ist es die Stimmung gut, weil wir uns gegenseitig sehr unterstützen. Wie es den Leuten im Werk geht, weiß ich nicht. Ich habe keinen Plan B, ich will hierbleiben."
Tino Ritter
... Monteur, arbeitet derzeit in der Logistik und hofft auf ein gutes Ende.
Tino Ritter arbeitet in der Logistik.
"Klar macht man sich Gedanken zu den Entwicklungen bei VW. Aber ich bin mir sicher, dass alles ein gutes Ende nehmen wird. Jedenfalls sollte man das bei einem so großen Arbeitgeber erwarten."
Rita Wambach
... arbeitet in der Kantine, ist seit 19 Jahren bei VW und konnte sich nicht vorstellen, dass es so weit kommt.
Rita Wambach arbeitet in der Kantine, seit 19 Jahren bei VW
“Ich mache mir schon Gedanken. Dass es so weit kommt, habe ich mir nicht vorstellen können. Ich arbeite seit 19 Jahren hier und ich glaube, dass die das durchziehen. Für mich ist das nicht schön und es arbeitet in mir.
Mein Papa hat sein ganzes Leben hier gearbeitet und mein Bruder auch. Ich hab die Nachricht jetzt eben im Wartezimmer bekommen, als ich mit meiner Tochter beim Kieferorthopäden war und es dann im Internet gesehen. Da muss man echt dreimal lesen."