Hessen Welche Folgen der Reformstaatsvertrag für den hr und für hessenschau.de hätte
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, und damit auch der hr, soll sich nach dem Wunsch der Bundesländer deutlich ändern. Der Reformstaatsvertrag sieht massive Kürzungen vor. Auch für die Berichterstattung auf hessenschau.de könnte das deutliche Einschnitte bedeuten.
Die Bundesländer haben in einem am 26. September veröffentlichten Entwurf Vorschläge für eine Neugestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks formuliert. Ziel sei es, den Auftrag des ÖRR "qualitativ zu stärken und quantitativ zu begrenzen", heißt es. Die öffentlich-rechtlichen Sender sollen Geld sparen und sich besser für die Zukunft aufstellen.
Klar ist: Die geplanten Veränderungen wären für alle Nutzer und Nutzerinnen der hr-Angebote deutlich spürbar.
Was bedeutet das für das Online-Angebot?
Ein zentraler Punkt des Reformentwurfes ist die Beschränkung von Online-Texten, im Falle des hr vor allem auf hessenschau.de. Der Reformstaatsvertrag sieht vor, dass Texte künftig erst publiziert werden dürfen, wenn ihr Inhalt zuvor in einer Radio- oder Fernsehsendung gelaufen ist. Dieser so genannte Sendungsbezug gilt teilweise auch schon heute, er werde aber "sehr extensiv ausgelegt", kritisierte SPD-Politikerin Heike Raab in einem BR24-Interview.
Die Neuregelung bedeutet, dass aktuelle Nachrichten auf hessenschau.de grundsätzlich mit Verzögerung erscheinen würden. Eine Ausnahme soll für "Breaking News" gelten – aber auch dann wären nur kurze Schlagzeilen erlaubt. Danach müsste hessenschau.de auf Radio- oder Fernsehsendungen warten und diese dann digital auswerten.
Wolfhard Kahler, der Redaktionsleiter von hessenschau.de, sieht die Reformvorschläge kritisch: "Wir könnten unseren gesetzlichen Auftrag nicht mehr vollständig erfüllen. Viele Beiträge würden zu spät erscheinen oder ganz wegfallen. Die Menschen in Hessen erwarten aber gerade bei Großereignissen zu Recht eine schnelle und zuverlässige Information". Die Abhängigkeit von linearer Erstberichterstattung sei deshalb unverantwortlich. "Das führt zu Verzögerungen, die man in der digitalen Nachrichtenwelt niemandem mehr erklären kann".
Ein weiterer Punkt laut Kahler: "Bei der Landtagswahl in Hessen oder der Europawahl geht unsere Berichterstattung auf hessenschau.de über Radio oder Fernsehen hinaus, denn wir können mehr Hintergründe und regionale Einordnungen anbieten. Darauf zu verzichten, schwächt aus meiner Sicht unsere Demokratie."
Auch für ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab sind die geplanten Einschränkungen nicht mit dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vereinbar. "Die beabsichtigte Regelung gefährdet die publizistische Qualität und widerspricht dem Informationsbedürfnis der Menschen. Gerade die Erreichbarkeit der jungen Zielgruppe würde deutlich erschwert", sagte sie in einem Infobrief.
Was bedeutet das für das Radio und TV?
Veränderungen soll es nach Wunsch der Bundesländer auch im Radio-Programm geben. In allen neun Rundfunkanstalten zusammen sollen mindestens 16 Programme gestrichen werden, das würde auch den hr betreffen. Entscheidend für die Anzahl der Sender sollen künftig die Einwohnerzahlen sein.
Weniger Sender soll es auch im Fernsehbereich geben. Den Plänen zufolge sollen Spartenkanäle wie 3Sat, Arte, Phoenix, ARD-alpha, Tagesschau24 oder ZDFinfo neu organisiert und teilweise zusammengelegt werden. Die sogenannten Hauptprogramme wie Das Erste, das ZDF und auch das hr-fernsehen stehen aktuell nicht zur Debatte. Das hr-Fernsehprogramm würde sich also nicht ändern.
Wie geht es weiter?
Bis einschließlich Freitag (11. Oktober) konnte jeder und jede eine Stellungnahme zum Entwurf des Reformstaatsvertrages abgeben. Über die Anmerkungen werden die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten Ende Oktober beraten und den Reformstaatsvertrag verabschieden.
Anschließend müssen die Landtage aller 16 Bundesländer zustimmen. Bis die Reformen in Kraft treten können, könnte es wohl noch bis weit ins Jahr 2025 dauern.
Die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist im Grundgesetz als Auftrag verankert, der bestimmte Anforderungen an sein Gesamtprogramm vorgibt. Dieser Programmauftrag ist auch im Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag) festgeschrieben. Danach soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen Programmangeboten "einen Beitrag zur Sicherung der Meinungsvielfalt und somit zur öffentlichen Meinungsbildung" leisten.
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sollen "in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen geben" und "die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern". Diese "Grundversorgung" umfasst ausdrücklich "Angebote zur Information, Bildung und Unterhaltung" gleichermaßen. Auch Beiträge "insbesondere zur Kultur" sind vorgeschrieben.
Bei der Erfüllung des Auftrages müssen die Öffentlich-Rechtlichen "die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote" berücksichtigen. Für den privat-kommerziellen Rundfunk gibt es keinen derartigen Auftrag, sondern nur bestimmte Vorschriften im Hinblick auf die Sicherung der Meinungsvielfalt oder der Medienaufsicht.