Hessen VW in Baunatal: Wirtschaftsminister Mansoori kritisiert Volkswagen-Sparkurs
Werksschließungen, Jobabbau, Gehaltseinbußen. Am Tag nach der Hiobsbotschaft bei Volkswagen ist die Stimmung im Baunataler Werk gedrückt. Aus der Politik kommt scharfe Kritik am Management. Hessens Wirtschaftsminister traf sich am Dienstag mit dem Betriebsrat.
Unter grauem Himmel machten am Dienstagmorgen einige Beschäftigte ihrer ebenso grauen Stimmung Luft am VW-Werkstor in Baunatal. Sie fühlten sich wie beim Arzt, wenn die Diagnose noch nicht klar ist, sagten einige dem hr: ein Schwebezustand, geprägt von Unsicherheit.
Der Gesamtbetriebsrat von VW teilte am Vortag mit, dass der kriselnde Autobauer mindestens drei seiner zehn Werke in Deutschland schließen und zehntausende Jobs abbauen will. Die Zukunft des nordhessischen Standorts ist damit ungewiss.
VW in Baunatal, das größte Autowerk in Hessen, war als Arbeitgeber mal eine sichere Bank. Jetzt erzählen Beschäftigte, dass sie wieder ihren Lebenslauf zusammenstellen – zum ersten Mal nach 30 Jahren. Viele sind wütend. Verständlich, sagte Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) am Dienstagmittag bei einem Treffen mit dem Betriebsrat am Standort Baunatal.
Mansoori: "Baunatal ist Schlüssel der Elektrifizierung"
Mansoori kritisierte, dass das Konzern-Management im vergangenen Jahr noch 4,5 Milliarden Euro an Dividenden ausgezahlt habe und nun 4 Milliarden Euro einsparen will. Er wolle signalisieren, dass er für die Zukunft des Standorts kämpfe. "Baunatal ist aus unserer Sicht zentraler Schlüssel der Elektrifizierung von Volkswagen", sagte der Minister, der auch schon Mitte September zur großen Betriebsversammlung nach Baunatal gereist war.
Kaweh Mansoori (rechts) und VW-Betriebsrat Carsten Büchling
Im Werk Kassel arbeiten nach Angaben des Ministers rund 15.500 Menschen. "Wenn wir die Dienstleistungen und die Zulieferer in der Region bedenken, reden wir über 40.000 bis 45.000 Arbeitsplätze insgesamt." All diese Menschen trügen dazu bei, dass die Region wirtschaftlich erfolgreich ist. Deshalb gehe es nun darum, "für jeden einzelnen Arbeitsplatz" einzutreten.
Wir in der Politik bauen zwar keine Autos, aber sorgen dafür, dass sie erfolgreich abgesetzt werden können. Kaweh Mansoori, Wirtschaftsminister
Konkret versprach Mansoori, sich für mehr Elektro-Ladeinfrastruktur einzusetzen. Außerdem sprach er sich für Kaufprämien für Elektroautos in Deutschland aus.
Eine E-Auto-Prämie gab es in Deutschland bereits. Sie wurde Ende Dezember jedoch als Folge der Haushaltskrise vorzeitig eingestellt. Hessen unterstützt nun ein Vorhaben der Länder Niedersachsen und Saarland, wieder eine Kaufprämie einzuführen.
Subventionen für VW?
Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) hatte im Sommerinterview mit dem hr außerdem Subventionen für den Autobauer ins Spiel gebracht. Der Fall zeige, dass die Wirtschaft insgesamt "wund sei", sagte er Anfang September. "Deshalb müssen wir wie sonst noch nie zuvor darüber reden, ob wir an der einen oder anderen Stelle unterstützen müssen." Im Koalitionsvertrag hatte sich Schwarz-Rot auf einen Hessenfonds zur Förderung der Wirtschaft bei der Energiewende und Digitalisierung geeinigt.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Naas hatte daraufhin mitgeteilt, er halte es für den falschen Weg, Staatsgelder in den VW-Konzern zu pumpen. Die wirtschaftliche Lage sei das Resultat von verschlafenen Reformen. "Wenn Volkswagen mit Jobabbau droht, ist das ein Alarmzeichen und ein Indiz dafür, dass der Standort Probleme hat, zum Beispiel mit Lohn- und Energiekosten." Dagegen mit Subventionen anzugehen, löse die eigentlichen Probleme nicht.
Kaya Kinkel, wirtschaftpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, nannte die Pläne von VW am Dienstag "besorgniserregend". Im Werk in Baunatal arbeiteten tausende qualifizierte Fachkräfte, die VW brauche, um bezahlbare E-Autos herzustellen.
Es ist nicht akzeptabel, dass das Management - nach Dieselskandal und konsequenter Verschleppung der E-Mobilität - den an der Krise unschuldigen Mitarbeitenden nun offen mit Rauswurf droht. Kaya Kinkel, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen
VW und IG Metall verhandeln über Haustarif
Am Mittwoch kommen Konzern und die Gewerkschaft IG Metall zu ihrer zweiten Verhandlungsrunde über den VW-Haustarif zusammen. Zu einer Einigung dürfte es dann nicht kommen: Während die IG Metall eine Wiedereinführung der Beschäftigungssicherung und Lohnerhöhungen fordert, will der Konzern erstmals zehn Prozent weniger Lohn zahlen.
IG-Metall-Chefin Christiane Benner forderte das Konzernmanagement zu einer Kurskorrektur auf. "Es ist die Aufgabe von einer Unternehmensleitung und vom Management, die Fehler zu beheben", sagte Benner am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin". "Die IG Metall wird um alle Werke und alle Arbeitsplätze bei VW kämpfen", kündigte sie an.
Der Baunataler Betriebsratsvorsitzende Carsten Büchling schlug am Dienstag noch einmal einen schärferen Ton an: Wenn keine Zugeständnisse kämen, dürfe nach dem Ende der Friedenspflicht im Januar wieder gestreikt werden. "Wir überlegen uns dann was Lustiges", drohte Büchling wörtlich.