Hessen Was bleibt von den Protesten der Letzten Generation in Kassel?
Wochenlang haben Aktivisten der Letzten Generation in Kassel protestiert. Sie haben Autofahrer mit blockierten Straßen genervt und für massive Polizeieinsätze gesorgt. Was bleibt, ist ein leicht ramponierter Rasen - und die Debatte um den Kassel Airport.
Die A49 blockiert, Bäume auf den Rollweg des Kassel Airport gepflanzt und mehrere Hauptverkehrskreuzungen in Kassel dichtgemacht: Knapp drei Wochen lang haben Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation in Kassel immer wieder für Behinderungen gesorgt.
Lahmgelegt haben sie die Stadt nicht, aber dennoch mit einer Vielzahl unterschiedlicher Protestaktionen auf ihre Ziele aufmerksam gemacht, ehe sie nun am Montag ihr eigens errichtetes Camp in der Kasseler Goetheanlage räumten.
Protestcamp in Kasseler Stadtteil: Kaum Beschwerden
Hier hatten während der Protestwochen Versorgungs- und Schlafzelte gestanden. Trotz Workshops auf der Wiese, einer Art Gemeinschaftsküche und vieler Menschen hielten sich die Klagen im Rahmen. Beschwerden aufgrund von Müll oder Lärm seien die Ausnahme gewesen, sagte ein Stadtsprecher auf Anfrage. Lediglich der Rasen sei auf einigen Abschnitten stark beansprucht. Die Stadt gehe aktuell von einer natürlichen Regeneration aus.
Kassel Airport im Fokus
Im Fokus der Proteste der Umweltaktivisten: der defizitäre Kassel Airport. Dieser mache jährlich Millionenverluste und werde mit Steuergeldern künstlich am Leben erhalten, lautet die Kritik.
An diesem Flughafen hatten nach Polizeiangaben rund 90 Aktivistinnen und Aktivisten am Samstag ihre letzte Aktion gestartet und direkt im Terminalgebäude eine Podiumsdiskussion organisiert. Die Versammlung war angemeldet.
Damit war der Flughafen erneut Schauplatz des Protests. Anders als beim letzten Mal sei der Flughafenbetrieb nicht eingeschränkt worden, so eine Sprecherin des Flughafens. Zuletzt hatten Mitglieder der Klimagruppe symbolisch Bäume auf dem Rollfeld gepflanzt und damit ein Privatflugzeug zum Durchstarten gezwungen.
Letzte Generation: Gespräch mit OB Schoeller ein Erfolg
Die Letzte Generation werte ihre Aktionswochen als Erfolg, teilte ein Sprecher auf hr-Anfrage mit. Die Proteste hätten Wirkung gezeigt und ein "Fenster der Möglichkeiten geöffnet" - vor allem weil die Zukunft des Flughafens gesellschaftlich wieder debattiert werde, so die Aktivisten.
Nach dem Austausch mit Oberbürgermeister Sven Schoeller (Grüne) sprach sich dieser gegen eine Subventionierung des Flugbetriebs aus. Danach schlug er vor, städtische Anteile am Flughafen an das Land Hessen zu verkaufen.
Schoeller habe damit gezeigt, wie man verhindern könne, dass "fossile Quatschprojekte unsere Lebensgrundlage zerstören", so der Sprecher. Man sei entsetzt, dass "das Land Hessen anscheinend weiterhin Steuergelder in diesen Pleite-Flughafen stopfen will", heißt es weiter, zumal es an anderen Stellen wie in Kindergärten, Schulen und im Gesundheitswesen fehle.
Innenminister Poseck: "ein Bärendienst" für den Klimaschutz
Innenminister Roman Poseck (CDU) verurteilte die Proteste gegenüber dem hr scharf. Die Aktivisten hätten "wiederholt Straftaten begangen" und sich mit ihren Aktionen "fortwährend außerhalb des Erlaubten" bewegt.
Damit trete die Letzte Generation demokratische und rechtsstaatliche Werte mit Füßen und greife mit ihren Straßenblockaden in die Rechte Unbeteiligter ein. Dem Klimaschutz erweise sie mit Straftaten und Rechtsbrüchen "einen Bärendienst", so Poseck. Die allermeisten Menschen hätten keinerlei Verständnis für die "Anmaßung dieser kleinen radikalen Gruppe".
Mehrere hundert Platzverweise, 68 Strafanzeigen
Die Polizei sprach im Zusammenhang mit den Protestwochen mehrere hundert Platzverweise aus und erstattete laut Ministerium mehr als 300 Ordnungswidrigkeitsanzeigen wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz.
Dazu habe man insgesamt 68 Strafanzeigen polizeilich erfasst. Dabei handele es sich überwiegend um Nötigung, teils in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr. Wegen der Blockadeaktion am Kassel Airport ermittele man wegen des gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr in sieben Fällen.
Schadet Schoeller dem Regionalflughafen?
Während die Polizei ihren Einsatz noch auswertet, bleibt der Kassel Airport Thema in Nordhessen. Denn seine Aussagen bescherten Schoeller nicht nur Beifall von der Letzten Generation, sondern riefen auch jede Menge Kritik hervor. Die SPD-Fraktion im Kasseler Rathaus warf dem Oberbürgermeister vor, er schade der Entwicklung des Regionalflughafens mit seinen Aussagen zum wiederholten Mal.
Kritik gab es auch aus dem Landkreis Kassel. Landrat Andreas Siebert (SPD) und Caldens Bürgermeister Maik Mackewitz (unabhängig) stellten sich in einer gemeinsamen Presseerklärung hinter die Subventionierung des Airports und forderten Schoeller auf, "das Wohl des Unternehmens in den Vordergrund zu stellen".
Und auch in Wiesbaden ist man offenbar not amused über Schoellers Vorschlag. Hessens Finanzstaatssekretär Uwe Becker (CDU) sagte, der Aufsichtsrat sei dem Wohl des Unternehmens verpflichtet. Wer den Ausgleich der betriebswirtschaftlichen Kosten in Frage stelle, so Becker, der "gefährdet das Unternehmen".