Ein Löschflugzeug ist bei einem Waldbrand am Königsberg unterhalb vom Brocken im Harz im Einsatz.

Sachsen-Anhalt Brände am Brocken sind "ein enormer Kraftakt für die Kameraden"

Stand: 04.11.2024 13:16 Uhr

Brennt es am Brocken, rücken auch die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Elend aus und unterstützen die anderen Wehren. Der Einsatz am höchsten Berg Sachsen-Anhalts ist immer etwas besonderes. Nur schwer kommen die Einsatzkräfte an die vielen Brandstellen.

Von Hannes Leonard, MDR SACHSEN-ANHALT

Attila Projahn hat immer viel zu tun: "Ich habe zwei Vollzeitjobs." Er betreibt eine Kfz-Werkstatt und ist Geschäftsführer einer Firma, die Ferienhäuser rund um den Harzort Elend vermietet. "Ich warte immer, ob mir jemand einen neuen Witz über unseren Ortsnamen erzählen kann", sagt der 42-Jährige schmunzelnd. Komme aber so gut wie nie vor.

Daneben ist Projahn, der von Freunden und Kollegen Atti gerufen wird, noch stellvertretender Ortswehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr in dem Ort mit rund 319 Einwohnern im Oberharz. Zu seinen Aufgaben zählt unter anderem, die Wasserentnahmestellen in seinem Bereich zu kennzeichnen und einsatzbereit zu halten. Dazu gehört aber auch, die Aus- und Fortbildung der rund 20 Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Elend zu organisieren.

Ein Kammerad in einem Feuerwehrauto

Attila "Atti" Projahn ist stellvertretender Ortswehrleiter in Elend. Daneben hat er noch zwei Vollzeitjobs.

MDR SACHSEN-ANHALT war im Zuge der Aktion "Ein Dorf macht Radio" zu Besuch in Elend. Eine Übersicht über alle Bewerber-Dörfer finden Sie hier:

Einsätze am Brocken sind ein Kraftakt

Die Lage im Hochharz bringt es mit sich, dass Projahr und seine Kameraden ausrücken, wenn es heißt: 'Waldbrand am Brocken'. "Wir gehören mit zu den ersten ausrückenden Feuerwehren". Klar, die Wehren in Schierke und Wernigerode seien da zuallererst gefordert. "Da wir aber örtlich dicht dran sind, gehören wir auch zu den Erst-ausrückenden."

Einsätze am Brocken sind etwas sehr besonderes. Oft fehlen Wege zu den Brandherden, von denen es meist sehr viele gibt. Die Feuerwehrleute müssen sich in extrem steilem Gelände zu Fuß mit ihrer schweren Ausrüstung durch dichte Vegetation einen Zugang zum Feuer suchen. "Zwischen 20 und 30 Kilogramm Ausrüstung hat dann jeder Kamerad bei sich", stellt Projahn klar. Dazu ist es extrem schwierig, ausreichend Löschwasser auf den höchsten Berg Sachsen-Anhalts zu bekommen.

Zugang zum Gipfel ist extrem schwierig

"Kommt die Meldung über ein Feuer am Brocken rein, geht einem als erstes durch den Kopf, hoffentlich ist es gut zugänglich, hoffentlich ist es nicht so groß, hoffentlich dauert der Einsatz nicht zu lange", erzählt Projahn im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. "Gerade der letzte Brand war enorm groß, dazu der starke Wind. Als da das Löschflugzeug das erste Mal angeflogen ist, war das ein kleines Pünktchen in einer riesigen Rauchwolke."

Probleme bereite der Feuerwehr das viele Totholz in dem Gebiet, was die schnelle Ausbreitung der Brände begünstigt. Ein beräumter Wald wäre im Brandfall leichter zu handhaben. "Wenn man in normalem Terrain zwanzig Meter geht, braucht man dafür rund zehn Sekunden. Für zwanzig Meter am Brocken ist man teilweise eine Viertelstunde unterwegs", erläutert Projahn.

Zusammenarbeit ist gigantisch

"Man steigt über Bäume drüber, man muss sie teilweise erst wegschneiden oder darunter durchkriechen, dann kommen die Felsen dazu. Das ist alles ein enormer Kraftakt für die Kameraden." Trotzdem hat Projahn Verständnis für die Haltung der Nationalparkverwaltung, die die abgestorbenen Bäume im Wald belassen will.

Bei allen Problemen lobt Projahn das kollegiale Miteinander der verschiedenen Akteure bei der Brandbekämpfung am Brocken. Sowohl die Nationalparkverwaltung, als auch die Verantwortlichen bei der Brockenbahn; alle würden an einem Strang ziehen, wenn es auf Sachsen-Anhalts höchstem Gipfel brennt. "Die Zusammenarbeit ist wirklich gigantisch."

Bis zu fünfzig Einsätze im Jahr

Ob die Brockenbahn auch für die Brände am Brocken verantwortlich ist, ist für Projahn noch nicht geklärt. "Als Feuerwehrmann kann ich mir schon vorstellen, dass der Zug auch ein Auslöser ist." Wobei für ihn nicht klar ist, wodurch genau ein Feuer ausgelöst wird. "Vielleicht ist es auch unsachgemäßer Umgang oder Vorsatz von Fahrgästen." Gemeint ist beispielsweise, wenn Passagiere eine brennende Zigarette aus dem Zug werfen. "Mein Bauchgefühl sagt mir, dass die Lok nicht der Auslöser ist", meint Projahn.

Zum Hauptgeschäft der Freiwilligen Feuerwehr Elend gehören die Brände am Brocken aber nicht. "Wie jede andere Wehr kümmern wir uns ums Retten, Löschen, Bergen, Schützen." Heißt: Ölspur beseitigen, eine Tür öffnen, hinter der möglicherweise eine hilflose Person liegt oder einen brennenden Kochtopf löschen. "Zwischen zehn und fünfzig Einsätzen im Jahr ist alles möglich."

Kameraden engagieren sich

Daneben ist die Freiwillige Feuerwehr Elend, wie in vielen anderen Orten, wichtiger Akteur für das Zusammenleben im Ort. "Mit unserem Förderverein kümmern wir uns beispielsweise um das Osterfeuer oder die Walpurgisnacht." Und natürlich gibt es auch eine Kinder- und Jugendfeuerwehr, wo die Kleinen spielerisch mit der Arbeit einer Feuerwehr vertraut gemacht werden. "Ich bin auch mit zehn zur Feuerwehr gekommen, meine Freunde haben mich damals mitgeschleppt", erzählt Projahn. 

Zum Schluss zeigt Projahn noch auf ein Banner. Dort ist zu lesen "Gaffen kann jeder, helfen muss man wollen". Er erklärt: "Wenn jeder mal in sich geht und sagt, ich möchte vielleicht doch lieber helfen als nur zu gaffen, dann wäre ganz vielen geholfen." Ein schöner Gedanke. 

MDR (Hannes Leonard), zuerst veröffentlicht am 30.10.2024