Eine Statue der Maus aus der Kindersendung steht auf dem Domplatz in Magdeburg

Sachsen-Anhalt Gekidnappte WDR-Maus in Magdeburg aufgetaucht

Stand: 18.10.2024 13:51 Uhr

Die aus dem Kinderfernsehen beliebte Maus ist seit Tagen unfreiwillig Teil der Rundfunkdebatte in Deutschland. Aktivisten hatten eine Statue der Maus, die normalerweise vor dem WDR-Gebäude in Köln steht, abmontiert. Seitdem reist die Figur durch Deutschland und besucht zentrale Orte des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks. Nach Mainz wurde sie nun in Magdeburg gesichtet. Denn Sachsen-Anhalts Ministerpräsident ist eine Schlüsselfigur in der Reformdebatte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Von MDR SACHSEN-ANHALT

Die verschwundene WDR-Maus aus Köln ist am Donnerstag in Magdeburg aufgetaucht. Die Figur stand am Morgen auf dem Domplatz in Magdeburg, in direkter Nähe des Landtags. Am Nachmittag wurde die Figur dann in Erfurt entdeckt.

Das Verschwinden der berühmten menschengroßen Maus war in Köln am Dienstag bemerkt worden. Dahinter steckt eine politische Aktion der Kampagnenorganisation Campact. Sie will nach eigenen Angaben ein Zeichen gegen die Kürzungen im Informations- und Bildungsangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks setzen. Der WDR zeigte sich wenig begeistert von dem Vorgehen. WDR-Programmdirekter Jörg Schönenborn sagte, man verhandle über eine Rückgabe. Die Polizei erklärte, sie habe Ermittlungen aufgenommen.

Am Mittwoch war die Maus schon in Mainz unterwegs. Dort wurde sie vor dem ZDF-Hauptsitz aufgestellt.

Entführte Maus in Magdeburg aufgetaucht

Politischer Streit um Rundfunkreform

Hintergrund der Aktion sind aktuelle Reformpläne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die die Bundesländer erarbeitet haben. Dem Papier der Rundfunkkommission der Länder zufolge könnten 16 ARD-Hörfunkkanäle und knapp die Hälfte der Spartensender von ARD und ZDF wegfallen. Auch eine Fusion der Gemeinschaftsprogramme arte und 3sat steht im Raum. Zudem soll es strengere Regeln für die Online-Angebote der Öffentlich-Rechtlichen – so wie diesen Artikel – geben. Angefeuert wird dies durch andauernde Kritik der Zeitungsverleger an den Online-Aktivitäten der Sender.

Die Figur der Maus aus der «Sendung mit der Maus» steht zwischen Aktivisten von Campact vor dem Landtag Rheinland-Pfalz, die Schilder mit der Aufschrift «Keine Kürzungen bei ARD und ZDF!» halten.

Eigentlich steht die Maus in Köln. Am Mittwoch war sie zwischenzeitlich in Mainz am Landtag Rheinland-Pfalz.

Details zum Reformstaatsvertrag der Länderchefs

Ende September 2024 hat die Rundfunkkommission der Länder ihren Staatsvertragsentwurf vorgelegt. Bis zum 11. Oktober konnten von jedermann Anmerkungen dazu eingereicht werden.

  • Konkret schlägt das Papier vor, pro Rundfunkanstalt nur noch vier Radiosender zu gestatten, um alle Zielgruppen zu erreichen. Ausnahmen sollen für Anstalten mit mehreren Bundesländern, wie dem MDR, oder Anstalten mit besonders vielen Einwohnern im Einzugsgebiet geben.
  • Die Online-Ausspielwege sollen anhand einer nicht näher definierten "Erforderlichkeit" begrenzt werden. Texte im Netz sollen in einem engeren Bezug zu aktueller Berichterstattung in Radio und Fernsehen stehen. Damit würden es Themen der Online-Zielgruppen schwerer haben. Auch eine aktuelle Berichterstattung nach dem Prinzip "Online first" wäre nicht mehr möglich, Nachrichten kämen mit Verzögerung.
  • Im Fernsehen soll die Zahl der Kultur- (arte und 3sat), Bildungs- (phoenix, zdfinfo, tagesschau24 und ARD-Alpha) sowie Kinder- und Jugendkanäle (KiKa, Funk, zdfneo, One) reduziert werden. Durch mögliche Fusionen könnten demnach Mehrfachstrukturen abgebaut werden.
An einer Fernbedienung werden Einstellungen vorgenommen.

Weniger ähnliche Sender = weniger Strukturen = weniger Kosten. So argumentieren die Länder.

Anstalten, Gewerkschaften und Teile der Politik kritisieren Reformpläne

Die Rundfunkanstalten argumentieren ihrerseits, dass gerade über die digitalen Kanäle wichtige Zielgruppen erreicht werden. Der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke sagte, es sei Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen, "eine ganze Gesellschaft mit Medieninhalten zu versorgen". In der 26-seitigen ARD-Stellungnahme werden unter anderem die schärferen Online-Regeln kritisiert. Sie stünden in Widerspruch zu den Reformzielen der Länder und zu den Vorschlägen des Zukunftsrates, wonach der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit Blick auf die jungen Generationen vor allem mit seinen digitalen Angeboten bestehen soll.

Das ZDF betont in seiner Stellungnahme, es wolle sich weiter konstruktiv im Reformprozess einbringen. Es verweist aber auf die grundgesetzlich definierten Regeln, Auftrag und Beitrag politisch zu trennen.

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisieren in ihrer Stellungnahme zum Reformvorschlag, er sei zwar voll mit Beschränkungen, biete aber keine Antworten darauf, wie ARD und ZDF dem zukünftigen Bedarf der Gesellschaft besser gerecht werden könnten.

Die Fraktionsvorsitzende der Linken in Sachsen-Anhalt, Eva von Angern, sagte dem MDR am Donnerstag: "Wir kämpfen für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit einem hohen Anspruch an Bildung, auch von Kindern und Jugendlichen. Dafür steht die Maus." Gerade in Zeiten von Fake-News sei er ein wichtiges Medium und es gehe darum, ihn "davor zu schützen, dass es nur ums Geld geht".

Wir halten daran fest, dass es ein wichtiges Medium ist, gerade in Zeiten von Fake News. Eva von Angern, Fraktionsvorsitzende der Linken |

Haseloff will Beitragserhöhung erneut verhindern

Politisches Ziel der Länder ist es, eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags abzuwenden. Die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hatte ermittelt, dass der Beitrag 2025 um monatlich 58 Cent auf 18,94 Euro angehoben werden muss – damit das Programm entsprechend dem Auftrag der Länder erfüllt werden kann. Die Bundesländer müssen sich eng an der Empfehlung orientieren und einstimmig dafür stimmen.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff ist seit Jahren gegen eine Anhebung des Rundfunkbeitrags. Ende 2020 hatte er im Landtag von Sachsen-Anhalt eine Abstimmung über eine Anhebung gestoppt – und diese damit verhindert. Die Sender klagten vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das dann Mitte 2021 die Beitragsanpassung durchsetzte. Zuvor war er 12 Jahre lang nicht erhöht worden.

Im Landtag von Sachsen-Anhalt beschäftigt sich seit 2023 eine Enquete-Kommission mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ein erster Zwischenbericht im Juni 2024 attestierte den Anstalten sowohl große Bedeutung für die Meinungsbildung – aber auch Reformbedarf.

MDR (Hagen Tober, Michael Rosebrock, André Plaul) | Erstmals veröffentlicht am 17.10.2024