Sachsen-Anhalt Nach "Ausländer raus"-Gesängen: Warum die Staatsanwaltschaft keine Anklage erhebt
Nach den rassistischen "Ausländer raus"-Sprechchören bei einem Volksfest im Burgenlandkreis erhebt die Staatsanwaltschaft Halle Anklage gegen einen Jugendlichen. Er soll dabei den Hitlergruß gezeigt haben. Das Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung gegen zwei weitere Tatverdächtige, die sich an den rassistischen Gesängen beteiligt hatten, wurde hingegen eingestellt. Auch viele Behörden bundesweit kamen in vergleichbaren Verfahren zu ähnlichen Entscheidungen.
- Die Ermittlungen gegen zwei Verdächtige, die bei einem Vorfall in Leißling "Ausländer raus" gesungen haben sollen, sind eingestellt worden.
- Ein Jugendlicher, der zusätzlich den Hitlergruß gezeigt haben soll, wurde jedoch wegen des Verwendens verfassungswidriger Symbole angeklagt.
- Ähnliche Fälle, in denen Ermittlungen wegen solcher Gesänge eingeleitet wurden, endeten oft ebenfalls ohne strafrechtliche Konsequenzen.
Nach den rassistischen "Ausländer raus"-Gesängen in Leißling im Burgenlandkreis hat die Staatsanwaltschaft Halle die Ermittlungen gegen zwei Tatverdächtige eingestellt. Gegen sie war wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt worden, weil sie zu einem Lied von Gigi D'Agostino "Ausländer raus" gesungen haben sollen. Ein Video legte diesen Verdacht nahe.
So berichtete Sachsen-Anhalt Heute am 27. Mai über den Fall:
Grundsätzlich erfülle rassistisches Singen den Straftatbestand der Volksverhetzung – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen, teilte die Staatsanwaltschaft auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT mit. Über die Sprechchöre hinaus müsse eindeutig erkennbar "zum Hass gegen Ausländer aufgestachelt oder zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen gegen Ausländer aufgefordert werden", heißt es in der Antwort der Staatsanwaltschaft. Dies hätten die Ermittlungsbehörden in beiden Fällen nicht feststellen können. Auch seien Ausländer nicht "beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet" worden.
Anklage wegen Hitlergruß
Gegen einen Jugendlichen hat die Staatsanwaltschaft allerdings Anklage erhoben. Wie die Behörde MDR SACHSEN-ANHALT mitteilte, geht es um das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Er soll nicht nur mitgesungen, sondern auch den Hitlergruß gezeigt haben. Verhandelt werden soll vor einem Jugendrichter am Amtsgericht Weißenfels. Ein Prozesstermin steht noch nicht fest.
Zahlreiche Verfahren bundesweit eingestellt
Nach Angaben des Redaktionsnetzwerks Deutschland wurde bisher bundesweit in 650 Fällen wegen der "Ausländer raus"-Gesänge ermittelt. Darunter auch in Sachsen und Thüringen.
In vielen weiteren Fällen kamen die Behörden zu ähnlichen Entscheidungen wie die Staatsanwaltschaft in Halle. Auch die Staatsanwaltschaft Hannover sah bei einem Vorfall auf einem Schützenfest in Kleinburgwedel keine Anhaltspunkte dafür, dass mit den Gesängen gegen Ausländer gehetzt oder zu Gewalt aufgerufen wurde.
Im hessischen Fulda waren bereits im September sechs Ermittlungsverfahren wegen eines Vorfalls in einer Diskothek in Kalbach gegen Auflagen eingestellt worden, berichtete der Hessische Rundfunk. Drei Angeklagte müssen nach Angaben des Amtsgerichts Fulda als Auflage Geld an die Bildungsstätte Anne Frank zahlen. Ein weiterer muss zusätzlich einen Besuch dort absolvieren. In zwei der sechs Fälle sei die Auflage lediglich eine richterliche Ermahnung gewesen. Gegen neun weitere Tatverdächtige wurde das Verfahren ohne Auflagen eingestellt.
Auch hier sahen die Ermittlungsbehörden keine Anzeichen für eine aufstachelnde Wirkung der Sprechchöre. Zudem hätten die Betroffenen nicht gewusst, dass sie gefilmt würden und hätten sich kooperativ verhalten. Auch in diesem Fall hatte ein Video bei den Ermittlungen geholfen.
Sylt als Ausgangspunkt
Erstmals hatten am Pfingstwochenende 2024 zahlreiche Jugendliche mit einer Party auf der Nordseeinsel Sylt bundesweit für Aufsehen gesorgt. Sie hatten zu D'Agostinos Pop-Hit "L'Amour toujours" lautstark die Parole "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" gesungen.
MDR (Moritz Arand, Attila Dabrowski)