Sachsen-Anhalt Milliardenloch: Land rechnet mit deutlich sinkenden Steuereinnahmen
Sachsen-Anhalts Finanzminister Michael Richter hat am Dienstag die Steuerschätzung für dieses sowie die kommenden beiden Jahre vorgelegt. Allein für 2024 rechnet er mit einem Minus von fast 700 Millionen Euro. 2025 und 2026 könnten noch einmal jeweils fast 400 Millionen Euro an Mindereinnahmen hinzukommen.
- Sachsen-Anhalt gehen in den kommenden Jahren laut aktueller Steuerschätzung rund 1,5 Milliarden Euro an Einnahmen verloren.
- Finanzminister Richter verteidigt vor diesem Hintergrund die geplanten Einsparungen beim Personal in der Landesverwaltung.
- Sinken werden der Prognose zufolge auch die Einnahmen der Kommunen.
Sachsen-Anhalt rechnet in den kommenden Jahren mit deutlich weniger Steuereinnahmen. Das ist das Ergebnis der Steuerschätzung, die Finanzminister Michael Richter (CDU) am Dienstag vorgestellt hat. Die Mindereinnahmen für 2024 liegen demnach bei 692 Millionen Euro. Für die Jahre 2025 und 2026 rechnet das Land mit einem Minus von 398 Millionen bzw. 393 Millionen Euro.
Ohne zusätzliches Wachstum und ohne zusätzliche Steuereinnahmen werde es aber auch in Zukunft immer schwieriger, Kredite zurückzuzahlen. Finanzminister Michael Richter (CDU) |
Richter sagte, die konjunkturelle Erholung der deutschen Wirtschaft lasse auf sich warten. Das schlage auf Sachsen-Anhalt durch. Außerdem gebe es niedrigere Zuweisungen durch den Bund. Die sinkenden Steuereinnahmen könnten für 2024 aber durch Kredite ausgeglichen werden. Dies gelte auch für den Haushaltsentwurf 2025/2026. "Das sind Schulden, die wir erstmal schaffen", sagte Richter. Diese müssten in besseren Zeiten zurückgezahlt werden, wenn die Konjunktur wieder anspringe. Ohne zusätzliches Wachstum und ohne zusätzliche Steuereinnahmen werde es aber auch in Zukunft immer schwieriger, Kredite zurückzuzahlen.
Finanzminister Richter: "Personaleinsparungen notwendig"
Sachsen-Anhalts Finanzminister stellte zugleich klar: "Wir werden so nicht weitermachen können." Jedes Ressort sei jetzt noch einmal gefordert zu schauen, was es in den kommenden zwei Jahren bis zum Ende der Legislaturperiode tun könne. "Die Zahlen zeigen, dass die geplanten Einsparungen beim Personal in der Landesverwaltung notwendig sind." Die gegenwärtige Situation der öffentlichen Haushalte eröffne keine Spielräume für zusätzliche Ausgaben-Wünsche im Land. Der Haushaltsentwurf der Landesregierung sieht einen Einstellungsstopp in den Landesbehörden vor, durch den nach MDR-Informationen bis zu 700 Stellen wegfallen könnten. Das soll 180 Millionen Euro einsparen.
Darüber hinaus sind offenbar dennoch weitere finanzpolitische Tricks notwendig, um einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. So operiert der Haushaltsentwurf etwa mit einer sogenannten "globalen Minderausgabe", spekuliert also darauf, dass eingeplante Mittel nicht abgerufen werden. Außerdem baut er darauf, dass 2025 erneut eine "außergewöhnliche Notsituation" im Zuge der Coronapandemie vom Parlament festgestellt werden soll.
Düstere Prognose auch für Kommunen
In Bezug auf die aktuelle Debatte auf Bundesebene zu Steuerentlastungen mahnte Richter, man müsse diese mit Augenmaß führen. "Denn jede Steuerentlastung sorgt für weitere Mindereinnahmen."
Richter verwies auch auf die Finanzlage der Kommunen in Sachsen-Anhalt. Deren Einnahmen könnten laut der Prognose für 2024 um 39 Millionen Euro niedriger ausfallen als bei der Schätzung im vergangenen Mai. Für 2025 und 2026 seien ein Minus von 49 Millionen bzw. von 36 Millionen Euro zu befürchten.
Kommunen holen Jahresabschlüsse nach
Seit dem Jahr 2013 gilt in Sachsen-Anhalt für die Kommunen die Pflicht, ihre Haushalte nach einem anderen System aufzustellen. Gemeinden und Städte sollen so besser darüber Bescheid wissen, wie viel Geld in einem Jahr ausgegeben wurde und wie viel eingenommen? Bisher fehlte mancherorts der Überblick, aber das Gesamtbild hat sich inzwischen verbessert. Denn für die sogenannte doppische Haushaltsführung muss eine Eröffnungsbilanz erstellt werden, die jährlich fortgeschrieben wird. In diesem Rahmen sind Jahresabschlüsse vorzulegen. Mit der Bilanz sollen die Städte und Gemeinden ihre Einnahmen, Ausgaben und Vermögen dokumentieren.
Wie das Innenministerium Ende Oktober der Deutschen Presseagentur auf Anfrage mitteilte, haben Sachsen-Anhalts Kommunen bei der Erstellung der Jahresabschlüsse Rückstände aufgeholt. Mit Stand September lagen 1724 Jahresabschlüsse bis 2021 vor. Dies sind 77 Prozent der erforderlichen 2229 Jahresabschlüsse. Ende des vergangenen Jahres waren es erst 1478 gewesen.
Die Genehmigung kommunaler Haushalte soll ab 2025 von der Übergabe des Abschlusses des Vorvorjahres zur Rechnungsprüfung abhängig gemacht werden. Das hatte die schwarz-rot-gelbe Koalition beschlossen, weil die Erstellung der Jahresabschlüsse nicht überall gut funktioniert hat. Wer also in der Vergangenheit nachlässig war und Jahresabschlüsse versäumt hat, bekommt das in der Gegenwart zu spüren. Ohne Genehmigung des Haushalts können Kommunen bestimmte Ausgaben nicht tätigen.
Kommunen halten Weg für falsch und warnen vor der Einschränkung von Leistungen. Es könnten unter anderem verschiedene freiwillige Aufgaben wie die Jugendarbeit, die Vereinsförderung oder der Betrieb von Schwimmbädern und Museen betroffen sein. "Wir halten diesen Weg ab 2025 nicht für richtig", sagte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Bernward Küper. Es gebe keine prinzipielle Verweigerungshaltung der Städte und Gemeinden, deshalb sei die Verschärfung auch nicht notwendig, so Küper.
dpa, MDR (Jörg Wunram, Daniel Salpius, Susanne Ahrens), zuerst veröffentlicht am 29.10.2024