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Sachsen-Anhalt Tariflohn bei öffentlichen Aufträgen: CDU rüttelt an SPD-Herzensprojekt

Stand: 14.11.2024 20:07 Uhr

Öffentliche Aufträge werden in Sachsen-Anhalt nur an Unternehmen vergeben, die Tariflöhne zahlen. Dafür hat die schwarz-rot-gelbe Landesregierung 2022 gesorgt. Wirtschaft und Kommunen ächzen seither allerdings unter dem bürokratischen Mehraufwand, den die Regelungen mit sich bringt. CDU-Fraktionschef Guido Heuer forderte zuletzt die Abschaffung des Tariftreue- und Vergabegesetzes, für die SPD ist das keine Option.

Von Daniel Salpius, MDR SACHSEN-ANHALT

Die CDU im Landtag stellt das eigene vor zwei Jahren mit SPD und FDP auf den Weg gebrachte Tariftreue- und Vergabegesetz infrage. Mit dem Gesetz gehen öffentliche Aufträge seit 2023 nur noch an solche Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden Tariflöhne zahlen. Auch Nachweise über bestimmte soziale und ökologische Standards der eingesetzten Baustoffe können eingefordert werden. Kritik am zusätzlichen bürokratischen Aufwand, den die Regelung mit sich bringt, gibt es schon seit Einführung des Gesetzes.

Die Debatte neu entfacht hatten zuletzt Aussagen von Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU), den Zugang zu öffentlichen Aufträgen wieder vereinfachen zu wollen. CDU-Fraktionschef Guido Heuer sprach sich gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung sogar dafür aus, das Gesetz gleich ganz zurückzunehmen und verärgerte damit den sozialdemokratischen Koalitionspartner.

Hövelmann: "Nehme mit Kopfschütteln zur Kenntnis"

"Vergabeverfahren zu verbessern und eine Tarifbindung einzuführen, war eine der wesentlichen Voraussetzungen für die SPD, in die Regierung einzutreten", sagte deren wirtschaftspolitischer Sprecher Holger Hövelmann MDR SACHSEN-ANHALT am Donnerstag auf Nachfrage. "Das weiß auch Herr Heuer und deshalb nehme ich seine Aussage mit Kopfschütteln zur Kenntnis." Zu einer Abschaffung des Gesetzes werde es nicht kommen, so Hövelmann.

Genau das fordern allerdings auch Teile der Wirtschaft, so etwa der Baugewerbe-Verband Sachsen-Anhalt (BGV). "Unsere Mitgliedsunternehmen sehen sich zunehmend gezwungen, Aufträge der öffentlichen Hand abzulehnen, da die bürokratischen Hürden – selbst bei kleinen Projekten – in keinem Verhältnis zur Auftragsgröße stehen", teilte der Verband mit.

Was genau die Regeln für Unternehmen so kompliziert macht, erklärt BGV-Geschäftsführer Giso Töpfer MDR SACHSEN-ANHALT auf Nachfrage. Zunächst einmal gehe es um die Frage, welcher Tarifvertrag überhaupt angewendet werde. Pflasterarbeiten beispielsweise könnten vom klassischen Baugewerbe, aber auch von Garten- und Landschaftsbau-Firmen übernommen werden. Hier sei dann das Baugewerbe im Nachteil, weil dort ein höheres Tarif-Niveau gelte, so Töpfer.

BGV: "Aufwand ist unnötig"

Als nächstes gebe es im Baugewerbe allein für Bauarbeiter sechs unterschiedliche Lohngruppen, je nach den Aufgaben, die überwiegend erfüllt würden. Theoretisch müsse der öffentliche Auftraggeber dementsprechend für jeden einzelnen Arbeiter überprüfen, ob er nach Tarif bezahlt werde. Und die Unternehmen müssten die entsprechenden Nachweise dafür vorlegen. "Der Aufwand ist unnötig, da wegen des Fachkräftemangels ohnehin gute Löhne bezahlt werden", findet Töpfer.

Schon im April 2023 hatte der Städte- und Gemeindebund scharfe Kritik geübt. Das Tariftreue- und Vergabegesetz bringe aufgrund der kaum überschaubaren Anzahl an unterschiedlichen Tarifverträgen einen überbordenden Prüfungsaufwand für die Kommunen und ungelöste Rechtsfragen mit sich, hieß es damals. Der Mitteldeutschen Zeitung zufolge bekommen Kommunen wegen der bürokratischen Hürden teilweise keine Angebote mehr für ihre Ausschreibungen.

Für die SPD zeigte sich Holger Hövelmann offen dafür, das Prozedere zu vereinfachen. Eine Überprüfung jedes einzelnen Beschäftigten sei natürlich Quatsch, sagte er. "Uns geht es um die Tarifbindung der Auftragnehmer und das darf nicht verloren gehen." Denn das Gesetz habe es geschafft, dass nicht mehr der Billigste alle Aufträge erhalte. "Darauf sind wir stolz und das werfen wir nicht weg." Und daran müssten letztlich auch all jene Unternehmen Interesse haben, die ansonsten gegen Lohndumping-Angebote von Mitbewerbern keine Chance hätten, so Hövelmann.

Sven Schulze: "Wollen Gesetz vereinfachen"

Der Wirtschaftsminister zeigte gegenüber MDR SACHSEN-ANHALT am Donnerstag erneut Verständnis für die Rufe aus der Wirtschaft nach einer Abschaffung des Vergabegesetzes. Er bekomme viele Rückmeldungen, dass das Gesetz zu bürokratisch sei und viele Dinge enthalte, die nicht umsetzbar seien, erklärte Schulze am Donnerstag.

Er machte gleichwohl deutlich, dass eine Abschaffung der Regelung mit der SPD nicht zu machen sei. Es gelte daher nun Vorschläge zu erarbeiten, um das Gesetz zu vereinfachen. Dafür werde er eine Kommission ins Leben rufen, der Vertreter der Kommunen, der Kammern und Experten seines Ministeriums angehören sollen.

MDR (Daniel Salpius), dpa