Jörg Vierhaus, Leiter vom Reinraum kontrolliert Instrumente im Reinraum der Otto von Guericke Universität.

Sachsen-Anhalt Halbleiter-Studium an der Uni Magdeburg trotz verschobenen Intel-Baustarts

Stand: 15.10.2024 13:35 Uhr

Trotz Verschiebung des Baustarts der Intel-Chipfabrik hat die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg einen weiteren Jahrgang Studierender in den eigens eingerichteten Master-Studiengang Advanced Semiconductor Nanotechnologies aufgenommen. Auch der sogenannte High-Tech Park wird weiterentwickelt – für eine Ansiedlung dort gibt es neue Interessenten.

Von Sabine Falk-Bartz, MDR SACHSEN-ANHALT

Für Vidjay war es eine Überraschung, als er in der ersten Studienwoche davon erfuhr, dass Intel den Baustart seiner Chipfabriken um zwei Jahre verschoben hat. Der junge Inder aus Andhra Pradesh ist einer von 2.500 Studierenden, die zum Wintersemester 2024/25 im Bachelor oder Master an der Uni Magdeburg gestartet sind. Er hat sich im Master Advanced Semiconductor Nanotechnologies (Fortgeschrittene Halbleiter-Nanotechnologie) eingeschrieben. Diesen Studiengang hatte die Uni Magdeburg im vergangenen Jahr eigens für die Fachkräfteausbildung für Intel an den Start gebracht. Alles umsonst?

Keine Garantie für Zukunft der Forschung in Magdeburg

Rektor Jens Strackeljan reagiert abwartend. Mit dem von Intel finanzierten kleinen Reinraum könne er maximal 20 Studierende pro Jahrgang aufnehmen, so viele wie aktuell. Die Ausbildung ist teuer. Den Reinraum weiter zu betreiben, koste die Uni 700.000 Euro pro Jahr.

Eigentlich sollte auf einem millionenteuren Forschungscampus im sogenannten High-Tech-Park ein größerer Reinraum gebaut werden, um mehr Studierende aufnehmen zu können. Doch eine verbindliche vertragliche Vereinbarung dazu gibt es nicht, nur einen "Letter of commitment", also ein Garantieschreiben vom Chiphersteller.

Uni-Rektor Jens Strackeljan, Keyvan Esfarjani ,Vice President und Intel-Vorstand und Jürgen Ude, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung in Sachsen-Anhalt (v.l.) stehen in Schutzanzügen ,im Reinraum an der Otto von Guericke Universität.

Uni-Rektor Jens Strackeljan, Keyvan Esfarjani, Vice President und Intel-Vorstand und Jürgen Ude, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung in Sachsen-Anhalt (v.l.) stehen in Schutzanzügen im Reinraum an der Otto von Guericke Universität (Archivbild Septemer 2023)

Reinraum

Ein Reinraum ist ein geschlossener Raum, in dem die Konzentration luftgetragener Teilchen sehr gering gehalten wird. Reinräume werden für spezielle Fertigungsverfahren – vor allem in der Halbleiterfertigung – benötigt, weil die in gewöhnlicher Umgebungsluft befindlichen Partikel die Strukturierung integrierter Schaltkreise im Bereich von Bruchteilen eines Mikrometers stören würden.

Weitere Anwendungen der Reinraumtechnik finden sich unter anderem in der Optik- und Lasertechnologie, der Luft- und Raumfahrttechnik, den Biowissenschaften sowie der medizinischen Forschung und Behandlung.

Planungen für High-Tech-Park im Sülzetal gehen weiter

Dass der High-Tech-Park kommen soll, daran lässt die Landesregierung keine Zweifel. Neben dem von Intel gekauften Kerngelände im Bereich der Stadt Magdeburg gibt es zwei große Areale – Sülzetal und Wanzleben-Börde – auf denen die Zulieferfirmen des amerikanischen Chip-Herstellers und Service-Unternehmen angesiedelt werden sollen. Frank Ribbe ist Geschäftsführer der eigens vom Land gegründeten High-Tech-Park GmbH. Aktuell vereinbart er Notartermine, um die letzten Flächen im Bereich Sülzetal anzukaufen.

Frank Ribbe, Geschäftsführer der High-Tech-Park Gesellschaft

Frank Ribbe ist Geschäftsführer der High-Tech-Park GmbH.

In der Mitte dieses Bereichs soll der Forschungscampus für die Uni und angeschlossene Serviceunternehmen entstehen. Ribbe hält daran fest, denn die aktuell vorliegenden Baugenehmigungen sind zwei Jahre gültig. Aber eben alle auch auf Intel und Zulieferer ausgerichtet.

Hintergrundarbeiten am Plan B ohne Intel

Es braucht keinen Plan B, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) noch vor zwei Wochen. Ribbe, ein Mann der leisen Töne, korrigiert vorsichtig und meint, dass die High-Tech-Park GmbH zwar aktuell alles auf eine Ansiedlung von Intel hin ausrichte – aber es durchaus weitere Möglichkeiten gebe:

"Wenn es vielleicht ohne Intel weitergehen müsste, sehen wir aufgrund der Lage des Parks und auch der Tatsache, dass der Standort sich inzwischen weltweit einen Namen gemacht hat, gute Chancen, einen anderen Anker-Investor herzubekommen, mit dem wir gemeinsam diesen High-Tech Park entwickeln könnten."

Auch seien zwei Jahre Baustart-Aufschub für alle weitere Arbeiten, für die die Dimensionen klar sein müssen, nicht akzeptabel. Ribbe spricht dabei von einer "Black Box" und gibt zu bedenken: "Vielleicht braucht es gar keine komplizierte Wasserzufuhr in dieser Größenordnung, vielleicht kann das Umspannwerk kleiner ausfallen." Schließlich seien das alles Vorleistungen, die Millionen kosten.

Karte Bereich Sülzetal mit dem Forschungscampus

Im Bereich Sülzetal soll der Forschungscampus entstehen.

High-Tech-Park hofft weiter auf Intel

Fast im Nebensatz lässt Geschäftsführer Ribbe fallen, dass er im Moment die Angebote von verschiedenen Firmen sammle. Doch eines schließt er definitiv aus: "Flächen jetzt einfach sinnlos zu verkaufen, nur um eine Refinanzierung zeitnah sicherzustellen." Denn wichtig sei, eine Wertschöpfungskette in Gang zu setzen. Das gehe nur mit Investoren, die hochqualifizierte Arbeitsplätze mitbringen.

Insofern hofft auch Ribbe weiter auf Intel. Doch in drei bis vier Monaten sollte es Klarheit geben, fordert er. Bis dahin wolle man verbindliche Aussagen, ob der Chip-Riese überhaupt kommt oder, wie unlängst in Wirtschaftsmedien kolportiert, in abgespeckter Version.

Halbleiter-Student Vidjay

Vidjay macht sich auch ohne Intel in Magdeburg keine Sorgen um seine Zukunft.

Alternative Arbeitgeber für Studierende: Siemens, IBM oder TSMC

Halbleiter-Student Vidjay ist in zwei Jahren mit seinem Master fertig. Auf die Frage, was er mache, wenn Intel nicht käme, antwortet er pragmatisch: "Außer Intel gibt es noch Siemens, IBM oder Bosch. Auch TSMC ist ein großer Chip-Hersteller (und baut aktuell in Dresden, Anmerkung der Redaktion). Dort können wir Jobs oder Praktika annehmen." Doch eigentlich will Sachsen-Anhalt für den eigenen Standort ausbilden und Leute wie Vidjay im Land behalten. Deshalb hat auch die Landesregierung wohl kaum zwei Jahre Zeit, um auf Intel zu warten.

MDR (Sabine Falk-Bartz, Oliver Leiste), zuerst veröffentlich am 14.10.2024