Sachsen-Anhalt Zörbig könnte wieder Bahnanschluss bekommen
Vor 22 Jahren hat zum letzten Mal ein Zug in Zörbig gehalten. Seitdem wird die Trasse der "Saftbahn" genannten Strecke in Teilen nur noch vom Güterverkehr genutzt. Möglicherweise kann Zörbig aber auf einen Wiederanschluss mit Personenzügen hoffen. Sachsen-Anhalt will mit einer Machbarkeitsstudie prüfen, ob sich das lohnt.
- In Sachsen-Anhalt könnte das Schienennetz in Zukunft wieder wachsen. Das Land prüft für mehrere Strecken, ob sie sich rechnen.
- So könnten beispielsweise künftig auf der "Saftbahn" über Zörbig wieder Personenzüge fahren.
- Doch die Hürden für reaktivierte oder neue Strecken sind hoch.
Sachsen-Anhalt prüft eine Reaktivierung der Bahnstrecke zwischen Bitterfeld und Stumsdorf für den Personenverkehr. Das Verkehrsministerium in Sachsen-Anhalt teilte dem MDR mit, für die Verbindung im Landkreis Anhalt-Bitterfeld werde demnächst eine Machbarkeitsstudie durchgeführt. Verkehrsministerin Lydia Hüskens (FDP) betonte, für einen wirtschaftlich rentablen Betrieb seien täglich mindestens 300 Fahrgäste nötig. "Wo und an welchen Stellen kann man das Bahnnetz besser machen", so Hüskens, prüfe das Land im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten.
Gleise zwischen Bitterfeld und Stumsdorf liegen noch
Derzeit wird die insgesamt 21 Kilometer lange Strecke der sogenannten "Saftbahn" – der Name fußt auf dem bekannten Rübensaft – im Abschnitt Bitterfeld-Zörbig nur vom Güterverkehr genutzt, von der dortigen Bioraffinerie. Der Streckenteil gehört zwar der Bahn-Tochter InfraGO, ist aber von der Zörbiger Infrastrukturgesellschaft gepachtet. Der verbleibende Streckenabschnitt nach Stumsdorf ist ohne Verkehr und gehört mittlerweile der ENON-Unternehmensgruppe. Zu ihr zählt auch die Hanseatische Eisenbahn GmbH, HANS, die in Sachsen-Anhalt auf den Strecken Stendal-Tangermünde sowie Stendal-Rathenow mit Personenzügen fährt.
Für eine Wiederaufnahme des Zugverkehrs auf der gesamten Strecke müsste die "Saftbahn" für die modernen Anforderungen ertüchtigt werden. Denkbar wären wegen der Lage der Gleise dann beispielsweise Bahnverbindungen aus oder in Richtung Köthen ab Stumsdorf oder in Richtung Leipzig ab Bitterfeld.
Kesselwagen statt Reisezüge: Der Biokraftstoff-Hersteller Verbio in Zörbig nutzt die "Saftbahn" und den Werksabzweig im Güterverkehr. (Archivbild)
Fahrgastverband begrüßt Reaktivierung alter Bahnstrecken
Der Fahrgastverband Pro Bahn würde so eine Reaktivierung begrüßen. Landesreferent Tom Bruchholz sagte dem MDR: "Das wäre für den ländlichen Raum ein Quantensprung, wenn sie zu einer Busverbindung, die suboptimal ist, wieder eine Eisenbahnanbindung hätten." Aktuell ist Zörbig im ÖPNV regional über die Landeslinie 350 mit Halle verbunden – unter der Woche fahren die Busse stündlich. Zörbig hat 10.000 Einwohner.
Harzer Schmalspurbahnen prüfen Strecke nach Niedersachsen
Eine weitere Machbarkeitsstudie soll es laut Infrastrukturministerium für die Strecke Elend-Braunlage im Harz geben. Hintergrund ist hier eine geplante neue Verbindung der Harzer Schmalspurbahnen (HSB), um die touristischen Zentren besser zu vernetzen. Eine erste Machbarkeitsstudie brachte 2010 noch kein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis.
Strecke Barby-Güterglück könnte wiederaufgenommen werden
Ferner prüft Sachsen-Anhalt, inwieweit der Zugverkehr auf der Bahnstrecke Barby-Güterglück wiederaufgenommen werden kann. Die Trasse über die Elbe ist seit 2004 stillgelegt, die Gleise sind mittlerweile abgebaut. Nur noch die Eisenbahnbrücke von Barby erinnert an die Geschichte der einst für das Militär wichtigen Trasse. Im Deutschlandtakt, dem Zukunftsfahrplan für Deutschland, ist die Strecke im Personenverkehr auf der Verbindung Uelzen-Magdeburg-Barby-Leipzig vorgesehen. Auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen sowie das Bündnis Allianz pro Schiene sehen in der Strecke seit Jahren Potenzial. Eine Machbarkeitsstudie für die Barbyer Elbbrücke ergab 2023, dass das Bauwerk noch einige Jahrzehnte tragfähig ist.
Für den Schienen-Personenverkehr auf regionaler Ebene sind in Deutschland die Länder zuständig. Für Planung und Organisation erhalten sie gemäß Regionalisierungsgesetz Geld vom Bund. Damit wird auch der Verkehr bezahlt – vom Trassenentgelt bis zum Lokführergehalt der beauftragten Bahnunternehmen. Ob, welche und wie viele Züge auf einer Strecke fahren, ist somit auch eine wirtschaftliche Abwägung. Rechnen sich Strecken nicht, lässt das Land Busse statt Bahnen fahren. Die Trasse selbst kann vom Eigentümer zur Übernahme ausgeschrieben werden, falls beispielsweise Industriebetriebe Interesse am Erhalt haben. Andernfalls kann eine Stilllegung beantragt werden. Für Sachsen-Anhalt hat das Eisenbahnbundesamt seit 1994 die Stilllegung von über 660 Gleis-Kilometern genehmigt. Das Streckennetz des Landes umfasst rund 3.100 Kilometer Gleis.
MDR (Doreen Jonas, André Plaul), zuerst veröffentlicht am 15.10.2024