Zwei Frauen mit einer kleinen Plüschgiraffe.

Thüringen Erzählomis mit Plüschgiraffe: Senioren hören an Thüringer Schulen Kindern zu

Stand: 24.11.2024 05:00 Uhr

Seit zwölf Jahren ist der Verein "Seniorpartner in School" auch in Thüringen aktiv. Mittlerweile helfen ehrenamtliche Mediatoren an 22 Schulen Kindern bei der Lösung ihrer Probleme.

Von Claudia Götze, MDR THÜRINGEN

Einmal pro Woche gibt es an Grund-, Regel- und Förderschulen besondere Angebote für Kinder: Mitglieder des Vereins "Seniorpartner in School" (SiS) nehmen sich Zeit für die Kinder und ihre Probleme. Mit wöchentlich bis zu vier Stunden wollen sie Kindern helfen, eigene Konflikte anzusprechen. Das kann etwas mit der Schule, dem Zuhause oder mit anderen Schülern zu tun haben.

Zusätzliches Angebot - keine Nachhilfe

"Wir sind ein zusätzliches Angebot, keine Nachhilfe, absolut vertraulich und auch nicht Teil des Schulsystems", sagt Vorstandsmitglied und Ehrenvorsitzender Bernd Himmelich. "Wir wollen auch die Streitkultur an den Schulen positiv verändern." Deswegen sind auch Gespräche mit mehreren Kindern möglich. Nur wenn Schulleitung, Lehrer und Eltern zugestimmt haben, kann es losgehen.

Mit einem 96-Stunden-Kurs werden die "Erzählomis und -opis" zu Schuldmediatoren ausgebildet und auf ihr Ehrenamt in den Schulen vorbereitet. "Wir sind keine Therapeuten, sondern Zuhörer", so Himmerlich. Den Schülern müsse auf Augenhöhe begegnet werden. Von den derzeit 69 Vereinsmitgliedern sind ein Drittel Lehrerinnen und Lehrer, die Frauen sind deutlich in der Überzahl.

Im Ruhestand aktiv bleiben

"Wir sind Partner der Schulen", sagt Himmelich. Das Angebot werde überall gut angenommen, beispielsweise in Ostthüringen und im Kyffhäuserkreis. Derzeit würden Angebote in Suhl und Schleusingen, aber auch in Weimar und Jena vorbereitet.

Pestalozzischule aussen.

Die Förderschule in Mühlhausen ist eine von 22 Schulen, an denen ehrenamtliche Mediatoren Kindern zuhören.

Gitta Hähnel und Sigrun Habedank sind das erste Team an der Förderschule in Mühlhausen. Seit zwei Wochen kommen sie dienstags nach der ersten großen Pause. Die beiden Ruheständlerinnen hatten Lust auf Gespräche mit Kindern und darauf, sich selbst geistig fit zu halten. Das neue Angebot hat sich schnell herumgesprochen. "Wir sind schon auf dem Schulhof freudig begrüßt worden", sagt Hähnel. "Das Projekt ist ein Geben und Nehmen." Für Sigrun Habedank ist es die zweite Einsatzstelle; sie war schon im Kyffhäuserkreis unterwegs.

Förderschule begeistert

An der Förderschule in Mühlhausen haben die beiden Seniorpartner offene Türen eingerannt. "Ich finde das schön, dass die Kinder die Möglichkeit haben, sich hier mal zu äußern, ohne dass ein Lehrer oder andere Kinder dabei sind", sagt Schulkoordinatorin Evelyn Schmidt.

Zwei Frauen an einem Schreibtisch.

Die Erzählomis haben einen eigenen Raum bekommen.

Eigener "Erzählraum" im Parterre

Die Erzählomis haben einen eigenen Raum im Parterre. Links an der Tür hängt ein Briefkasten. Den haben Gitta und Sigrun gleich für die Namensuche für zwei Plüschgiraffen benutzt. Die Kinder haben ihre Namensideen aufgeschrieben und in den Kasten geworfen. Die große Giraffe heißt Chiara, die kleine Leon. Beide sitzen bei den Gesprächen mit im Zimmer. Hinter verschlossener Tür erfahren auch sie, was die Kinder auf dem Herzen haben.

"Unser Vorteil gegenüber den Lehrern und Sozialpädagogen ist: Wir haben Zeit", sagt der Vorsitzende Himmelich. Es gibt aber eine rote Linie: Über Straftaten, etwa eine Kindeswohlgefährdung, werde die Schulleitung informiert.

Eine Frau holt etwas aus einem Briefkasten.

In den Briefkasten können Schüler Nachrichten für die Erzählomis einwerfen.

Mit der Giraffe in der Hand

"Wenn wir was über unsere Eltern erzählen wollen, das sagen wir ihnen und das behalten die beiden für sich", berichtet einer der Fünftklässler. Er war zwar noch nicht bei den Erzählomis, weiß aber schon, wie es im Falle des Falles abläuft. "Und wenn wir was über den Lehrer erzählen, wenn es uns schlecht geht oder so, sagen sie es auch nicht den Lehrern."

Ein Mädchen aus der dritten Klasse war schon bei Gitta und Sigrun: "Sie haben mir zugehört und mich auch was gefragt. Ich hatte die kleine Giraffe in der Hand, damit ich mich auch traue."

Eine Plüschgiraffe.

Die Giraffe ist das Vereinsmaskottchen; sie sitzt bei den Gesprächen mit am Tisch.

Gefühlskarten als Einstieg

Auf die Kinder warten nicht nur die süßen Giraffen, sondern auch sogenannte Gefühlskarten. Darauf sind Gesichter in verschiedenen Gefühlslagen abgebildet - von traurig bis zufrieden ist alles möglich. "Sie sollen sich öffnen und sagen, was ihnen so auf dem Herzen liegt. Und wir wollen mit ihnen gemeinsam eine Lösung finden, die vor allem für die Kinder gut ist", sagt Sigrun Habedank. "Die sollen nichts aufgedrückt bekommen."

Kärtchen mit Emojis.

Die Gefühlskarten werden zum Einstieg ins Gespräch genutzt.

Jedes Kind und jeder Konflikt sind anders

Viele Jahre ist auch schon Eveline Schreck in Schmölln aktiv. "Jedes Kind, jeder Konflikt ist anders", sagt die Lehrerin im Ruhestand. Die erste Frage laute immer: "Bist du freiwillig hier, willst du eine Lösung suchen?" Weil die Erzählomis mit vielfältigen Themen konfrontiert werden, gibt es im Verein auch eine Supervision zur Verarbeitung des Gehörten.

Bei einem Gespräch bleibt es meist nicht. Wenn das Problem immer noch, neu oder wieder da ist, dann können die Kinder wieder mit den Erzählomis reden. In Mühlhausen immer dienstags nach der ersten großen Pause. Demnächst soll es in Mühlhausen noch ein zweites Angebot geben: an der Martini-Grundschule.

Senioren 55 plus gesucht

Der Verein "Seniorpartner in School" mit Geschäftsstelle in Gera sucht weitere Mitstreiter, damit noch mehr Schulen so ein zusätzliches Angebot machen können. Anfragen gibt es genug. Kontakt unter: Seniorpartner in School - Landesverband Thüringen e.V. | Thomas-Müntzer-Weg 7 | 07549 Gera

Kontakt "Seniorpartner in School"

Telefon: 0365-34885; E-Mail: vorstand@sis-thueringen.de

MDR (nis)