Thüringen "Es war ein außergewöhnliches Verfahren": Mann in Erfurt wegen Kastrationen verurteilt
Ohne medizinische Ausbildung führte ein heute 75-Jähriger in seinem Wohnzimmer in Sömmerda mehrere Kastrationen durch. Nun wurde der Mann vor dem Erfurter Landgericht zu einer Haftstrafe verurteilt.
Weil er Männern auf deren Bitte und gegen Bezahlung unter anderem die Hoden entfernt haben soll, hat das Landgericht Erfurt einen Mann zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. "Es war ein außergewöhnliches Verfahren, es war auch ein mit Scham behaftetes Verfahren", sagte der Vorsitzende Richter Udo Tietjen.
Amputationen im Wohnzimmer
Verurteilt wurde der gelernte Dreher ohne jegliche medizinische Ausbildung wegen sieben Fällen schwerer Körperverletzung und einem weiteren Fall von Körperverletzung. Der älteste Fall stammt aus dem Jahr 2015. Der Verurteilte soll seine Dienste in Internetforen angeboten und die Eingriffe im Wohnzimmer seiner Wohnung durchgeführt haben. Für die Amputationen zahlten die Männer 500 bis 2.200 Euro.
Den gehörten Zeugen, die von sich aus den Angeklagten um die Eingriffe gebeten hatten, sei es schwergefallen, sich vor Gericht zu äußern, so Tietjen. Ihnen sei es etwa um den ersten Schritt einer Geschlechtsangleichung gegangen, um die Bekämpfung von Schmerzen im Genitalbereich oder der Befreiung von ihrer Sex-Sucht. Die meisten der Betroffenen hätten angegeben, an einer Bestrafung des Angeklagten nicht interessiert zu sein.
Was mit den entfernten Körperteilen passierte, habe sich nicht klären lassen, so Richter Tietjen. Mindestens ein Eingriff sei zudem potenziell lebensgefährlich für den Betroffenen gewesen.
Angeklagter zeigte sich geständig
Die Öffentlichkeit war während des Großteils der Verhandlung ausgeschlossen gewesen. In der Urteilsbegründung wurde darauf verwiesen, dass sich der heute 75 Jahre alte Angeklagte in den vorgeworfenen Fällen geständig gezeigt habe. Weiter hieß es, dass der Mann bei seiner Einlassung angegeben habe, sich vor den Eingriffen längere Zeit auch in Internetforen mit dem Thema Kastration beschäftigt zu haben. Er habe den Betroffenen demnach helfen wollen.
Geld habe bei den Amputationen nur ein untergeordnetes Interesse gespielt. An dieser Aussage des Mannes äußerte das Gericht allerdings Zweifel.
Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten gefordert, die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Verteidigung und Staatsanwaltschaft können Revision zum Bundesgerichtshof einlegen.
MDR (nir/ch)/dpa